116 Tote bei Tornado in der Kleinstadt Joplin im US-Staat Missouri. Rund 30 Prozent des Ortes wurden zerstört

Joplin. Die Stadt sehe aus wie "ein Kriegsgebiet", sagte Scott Meeker aus Joplin. Die Zahl der Todesopfer des schweren Tornados im US-Staat Missouri ist gestern auf 116 gestiegen. Rettungskräfte suchten weiter in den Trümmern von Häusern, Geschäften und Schulen nach Überlebenden. Etliche Einwohner wurden noch vermisst.

Erst am Tag nach dem Wirbelsturm, der vor allem Joplin heimgesucht hat, wird das ganze Ausmaß der Katastrophe in der 50 000-Einwohner-Stadt im Mittleren Westen nahe der Grenzen zu Kansas und Oklahoma klar. Luftbilder des Ortes zeigen eine etwa zehn Kilometer lange und einen Kilometer breite Schneise, die der Tornado geschlagen hatte. Feuerwehrchef Mitch Randles schätzte, dass 25 bis 30 Prozent der Stadt beschädigt worden seien. Sein eigenes Haus sei unter den Gebäuden, die der Tornado zerstörte. "Er (der Sturm) hat die Stadt halbiert", sagte er. Die Stadträtin Melodee Colbert-Kean erklärte, im Süden und Osten des Ortes herrsche völlige Zerstörung. "Geschäfte, Wohnkomplexe, Häuser, Autos, Bäume, Schulen, woran auch immer Sie denken, es wurde plattgemacht, plattgemacht", sagte sie. Mehrere Familien hatten während des Tornados Zuflucht im Kühlraum eines Steak-Restaurants gesucht. "Ich bin nur dankbar, dass wir überlebt haben", sagte eine Frau, die mit Mann und Kindern in der Kälte und Dunkelheit ausgeharrt hatte.

Der Sturm hat große Teile der Stromversorgung und des Telefonnetzes lahmgelegt. Er beschädigte die Kanalisation und löste Brände aus. Schwarze Rauchwolken standen auch gestern über einigen Häusern. Menschen irrten durch die Straßen, die kaum noch als solche zu erkennen sind. Sie suchten nach Verwandten, Freunden und Nachbarn. In Joplin sei nichts mehr wiederzuerkennen, sagte der 23-jährige Jeff Law. "Das ist wie das Ende der Welt." Auch das Krankenhaus St. John's Regional Medical Center wurde getroffen. "Das Dach ist weg", sagte die Sprecherin einer benachbarten Klinik. Mehrere Patienten seien verletzt worden, als die Scheiben zu Hunderten unter der Wucht des Sturms platzten. Ein Rettungshubschrauber lag inmitten der Trümmer vor der zerstörten Klinik, einfach vom Dach geweht. Eine Schule wurde eilig zum Lazarett umgebaut.

Der Gouverneur von Missouri, Jay Nixon, rief den Notstand aus und forderte die Nationalgarde zur Bewältigung der Katastrophe an. Zugleich warnte er vor weiteren schweren Stürmen. "Diese Stürme haben enorme Schäden in Missouri angerichtet und sie stellen weiter ein bedeutendes Risiko für Leben und Besitz dar." US-Präsident Barack Obama sprach den Katastrophenopfern auf seinem Flug nach Irland sein Mitgefühl aus und würdigte die Arbeit derer, die "in dieser sehr schweren Zeit" ihren Freunden und Nachbarn zur Seite stehen. Seine Regierung stehe bereit, den Betroffenen zu helfen.

Insgesamt 46 Tornados hatten nach Angaben des nationalen Wetterdienstes am Wochenende in sieben Bundesstaaten im Norden und Zentrum der USA gewütet. Bei einem Sturm in Reading im Osten von Kansas starb am Sonnabend ein Mensch, rund 80 Prozent der Gebäude wurden beschädigt. Begleitet wurde der Tornado in dieser Region von einem heftigen Unwetter mit Hagelkörnern so groß wie Tennisbälle. In Minneapolis in Minnesota wurde durch Stürme ein Mensch getötet, etwa 30 wurden verletzt. Erst im vergangenen Monat waren bei einer Serie verheerender Tornados im Süden der USA etwa 330 Menschen getötet worden.