Es begann mit Schwierigkeiten beim Bunkern der immensen Kohlevorräte. Denn seit dem 22. Februar 1912 streikten die englischen Grubenarbeiter.

Die Vorbereitungen zum Auslaufen der "Titanic" aus dem Hafen von Southampton am 10. April 2012 standen unter keinem guten Stern. Es begann mit Schwierigkeiten beim Bunkern der immensen Kohlevorräte. Denn seit dem 22. Februar 1912 streikten die englischen Grubenarbeiter. Sie beendeten den Ausstand erst am 6. April. Damit blieb nicht mehr genügend Zeit, so viel Kohle nach Southampton zu transportieren, wie die "Titanic" für ihre Jungfernfahrt benötigt hätte. Immerhin schaufelten die Heizer 650 Tonnen Kohle pro Tag unter die Kessel.

Um diese erste, groß angekündigte und von vielen Menschen mit Spannung erwartete Fahrt nicht verschieben zu müssen, entschloss sich die White Star Line, ihre Schiffe "Adriatic" und "Olympic", die ebenfalls Kurs auf New York nehmen sollten, nicht auslaufen zu lassen und deren Kohlevorräte auf die "Titanic" umzuladen. Außerdem kaufte die Reederei Kohle auf, die andere Schiffe im Hafen von Liverpool bereits gebunkert hatten, und ließ diese ausnahmslos auf ihren Neubau schaffen. So kamen insgesamt 4427 Tonnen zusammen.

Problematischer war es, die führenden Positionen auf der "Titanic" zu besetzen. Es hatte vor Kurzem im Hafen von Liverpool einen Zwischenfall gegeben. Der starke Sog von den Propellern der "Olympic" hatte den kleinen Kreuzer "Hawke" von seinem Kurs abgebracht und gegen den Rumpf des Passagierschiffes gedrückt. Die nachfolgende Untersuchung ergab, dass die White Star Line die Havarie zu verantworten hatte. Derart große Schiffe verlangten besondere Kenntnisse und entsprechende Erfahrung beim Manövrieren. Deshalb wurde Henry T. Wilde, der Leitende Offizier der "Olympic", für die erste Reise auf die vergleichbar große "Titanic" abkommandiert. Damit aber stufte man den Leitenden Offizier des Schiffes, William M. Murdoch, zum Ersten Offizier herab. Diese Herabstufung zog sich weiter durch die Hierarchie der Nautiker - der frühere Erste Offizier Charles H. Lightoller wurde Zweiter und der Zweite David "Davy" Blair musste seine Stellung ganz aufgeben. Die Rangfolge der übrigen Offiziere, Pitman (Dritter), Boxhall (Vierter), Lowe (Fünfter) und Moody (Sechster), blieb von den Verschiebungen unberührt. Insgesamt bedingte dieses Vorgehen unter den Offizieren zunächst eine gewisse Unsicherheit über die jeweiligen Positionen und Aufgaben.

Besonders die von der wesentlich kleineren "Oceanic" übernommenen Besatzungsmitglieder hatten anfangs Schwierigkeiten, sich auf der "Titanic" zurechtzufinden. So gab Charles H. Lightoller später zu, er habe nach seiner Ankunft an Bord noch volle zwei Wochen gebraucht, bis er wusste, wie er auf dem kürzesten Weg von einer Stelle zu einer anderen kommen konnte.

Die "Titanic" faszinierte die Menschen über alles. Die Fachzeitschrift "The Shipbuilder" bezeichnete sie in einem Artikel als praktisch unsinkbar. Dieser Ausdruck wurde binnen Kurzem überall in der Öffentlichkeit übernommen. Wobei im Sprachgebrauch das Wort "praktisch" schnell weggelassen und das Schiff allenthalben als unsinkbar bezeichnet wurde. Zu diesem Ruf hatte nicht zuletzt Kapitän Edward J. Smith beigetragen, als er einem Reporter auf die Frage nach einer möglichen Schiffskatastrophe erklärte: "Der moderne Schiffbau ist darüber hinausgekommen." Eine Fehleinschätzung, die sein Verhalten während der Überfahrt prägte und der er kurz darauf zum Opfer fallen sollte.

Kurz vor dem Ablegen rannten noch sieben Männer auf die "Titanic" zu. Es waren Heizer, die sich in einem der nahe gelegenen Pubs einen Abschiedsschluck gegönnt und dabei um wenige Minuten verspätet hatten. Sie kamen nicht mehr an Bord. Ihre Verspätung werden sie in diesem Moment verflucht, doch schon vier Tage später anders darüber gedacht haben. Da war das Schiff im Nordatlantik gesunken. Unter denjenigen, die den Tod fanden, waren besonders viele Heizer, die den langen Weg auf die Außendecks und zu den Booten nicht geschafft hatten.

Zwischen den Jubel der Menschen an Bord und an Land knallte plötzlich so etwas wie eine Serie von Revolverschüssen. Die stählernen Trossen, mit denen die in der Nähe liegende "New York" festgemacht war, hatten dem Sog von den Propellern der "Titanic" nicht standgehalten. Sie waren gerissen und wie Peitschenschnüre auf das Schiff zurückgeknallt. Menschen schrien und suchten Schutz. Zum Glück wurde niemand verletzt. Einen Augenblick lang schien eine Kollision unvermeidlich. Aber Kapitän E. J. Smith handelte rasch. Er ließ die Backbordschraube auf höhere Touren bringen, sodass die dadurch erzeugte Strömung die "New York" sanft wieder zurückschob. Die Zuschauer des Zwischenfalls waren voll Bewunderung für den Kapitän und sein entschlossenes Handeln. Ein solch erfahrener Schiffsführer war ihrer Meinung nach eindeutig der Richtige, das größte Schiff der Welt zu führen!

Der Bau dieses Schiffsgiganten geht zurück auf einen Juliabend des Jahres 1907. In Downshire House, einem repräsentativen viktorianischen Gebäude am vornehmen Londoner Belgrave Square, dem Londoner Anwesen des sehr ehrenwerten Lord Pirrie und seiner Frau, war J. Bruce Ismay mit seiner Frau zu Gast. Ismay war Chairman der White Star Linie. Und Pirrie gehörte dem Vorstand der Werft Harland & Wolff in Belfast an.

Es war eine Zeit, in der Reedereien bei Atlantiküberquerungen immer neue Geschwindigkeitsrekorde meldeten. Größter Konkurrent der White Star Linie war die Reederei Cunard, die mit ihren schnellen Reisen immer wieder im Blickpunkt der Öffentlichkeit stand. Gerade hatte die "Mauretania" das Blaue Band für die schnellste Atlantiküberquerung gewonnen. Die Männer waren sich einig, dass es wenig Sinn machte, Cunard in der Geschwindigkeit übertrumpfen zu wollen. Stattdessen wollten sie das größte und luxuriöseste Schiff der Welt bauen.

Unter der Federführung von Pirrie entstanden die ersten Entwürfe. Sie sahen eine große gläserne Kuppel im Speisesaal 1. Klasse vor, wie sie auf den Cunard-Dampfern "Mauretania" und "Lusitania" so bewundert worden waren.

Als besonderer Luxus auf der "Titanic" galt ein Personenfahrstuhl sogar für die Zweite Klasse. Harland & Wolff war damals größter Schiffbauer der Welt. Aber ein Auftrag über drei so gigantische Schiffe stellte sogar eine solche Werft vor Probleme. Die bestehenden Schiffbauanlagen auf Queens Island reichten nicht annähernd aus, um Helgen für zwei so große Schiffe zu errichten. So fasste man um Queens Island herum Musgrave, Abercorn und Victoria Shipyards zu einer großen Anlage zusammen. Über den Helgen baute man ein Krangerüst: mit 256 Meter Länge, 45 Meter Höhe und einer Arbeitshöhe von 30 Metern.

Ein Beobachter notierte: "Monatelang hatte dieses monströse Eisengebilde nicht die mindeste Ähnlichkeit mit einem Schiff. Man hatte eher den Eindruck, als ob hier Eisengerüste für ein halbes Dutzend Kathedralen aneinandergereiht wären ... Endlich begann das Gerippe innerhalb des Gerüstes Gestalt anzunehmen - ein atemberaubender Anblick. Es war die Gestalt eines Schiffes, eines so unvorstellbaren Schiffes, dass es alle Häuser überragte und selbst die Berge an der Küste klein erscheinen ließ ..."

Die "Titanic" lief am 31. Mai 1911 vom Stapel. Dann begann die Ausrüstung im Trockendock.

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