Essen. Der Weltmeister von 1990 hofft auf den internationalen Durchbruch des Dortmunders bei der WM. An Bundestrainer Löw übt er Kritik.

Cacau ist der Meinung – und Olaf Thon auch. In den Fanlagern von Schalke 04 und Borussia Dortmund mag die Einschätzung zwar vereinzelt für ein paar Stirnrunzeln sorgen, aber der frühere Nationalspieler der Gelsenkirchener geniert sich (zurecht) nicht zu sagen, auf welchen deutschen Spieler er sich bei der Weltmeisterschaft in Russland besonders freue: „Auf Marco Reus – sogar als Schalker“, erklärt Thon in einem Gespräch des Fachmagazins Kicker mit den früheren DFB-Auswahlspielern Thon, Jürgen Kohler und Jens Nowotny. „Ich finde ihn klasse und war oft traurig, weil er in den Szenen, die zu seinen Verletzungen führten, häufig mit dem Fuß stehen blieb.“

Auch der frühere Dortmunder Kohler und langjährige Leverkusener Abwehrchef Nowotny bezeichnen sich als Fans von Marco Reus, der in Russland seine erste WM-Endrunde spielen soll. „Genau das fehlt ihm, bei allen herausragenden Qualitäten: ein richtig geiles Turnier“, so Kohler.

Julian Draxler kommt an Marco Reus nicht vorbei

Thon pflichtet seinem Weltmeisterkollegen zu: „Ich bin sicher, er kann genau das in Russland spielen.“ Ein bisschen Wehmut kommt in dem 52-Jährigen dann aber doch hoch, weil ein ehemaliger Schalker zurückstecken müsste, sollte Bundestrainer Joachim Löw Reus als Stammkraft für die linke Offensivseite betrachten: „Die Frage stellt mich vor ein Problem: Julian Draxler ist Schalker, und ich bin mit seinem Vater befreundet.“ An Reus führt aber auch für Thon kein Weg vorbei: „Er kann die ganz große Überraschung dieser WM werden und ist die Nummer eins links. Dass Löw Marco als Rakete bezeichnet hat, ist für mich beinahe eine Garantie. Reus ist gesetzt.“

Nicht einig sind sich die ehemaligen Profis bei der Frage, ob es richtig war, Leroy Sané nicht in den endgültigen WM-Kader zu berufen. Während Kohler ist Entscheidung Löws begrüßt und sagt, „er hat in England eine überragende Saison gespielt, bei der Nationalmannschaft brachte er nicht diese Leistung“, hätte Thon den früheren Schalker in Diensten von Manchester City auf jeden Fall mitgenommen: „Trotzdem hätte mir Sané im Kader gefallen. Er ist in Linksfüßer mit einem Top-Speed. Deswegen glaube ich nicht, dass es eine sportliche Entscheidung war. Es muss irgendetwas im zwischenmenschlichen Bereich gegeben haben.“

Kritik an Jogi Löw

Für Löw gibt es von Thon Kritik: „Ich glaube, es wurde noch nicht ehrlich darüber gesprochen, was wirklich Jogi Löw und sein Team dazu bewog, diesen Spieler nicht mitzunehmen. Sané hatte keiner als Streichkandidaten auf der Rechnung, ich habe ihn auch in den vergangenen Länderspielen nicht so schlecht gesehen. (…) Ich hätte mir vorgestellt, diesen Spielertyp zu bringen, wenn die Mannschaft führt und auf Konter spielt.“

Löw habe mit dem Verzicht auf Sané „ein Eigentor geschossen. Leroy ist eine Waffe, die etwas entscheiden kann. Ich finde, diese Personalie muss er vorher klären. Man kann bei so einem Spieler nicht sagen, es sei eine enge Geschichte mit Brandt gewesen.“ (ab)