Luhmühlen. Nach 20 Jahren ist der Bundestrainer für Vielseitigkeitsreiterei in Ruhestand gegangen. Womit sich der Mann aus Luhmühlen jetzt beschäftigt.

Wenn Hans Melzer von seinen ersten Wochen im Ruhestand erzählt, gewinnt man nicht den Eindruck, ihm sei langweilig oder er könne in das berühmte „Loch“ fallen. „Es läuft alles ein bisschen ruhiger ab. Ich genieße es, es langsamer angehen zu lassen“, sagt der Mann, der 20 Jahre lang die Geschicke der deutschen Vielseitigkeitsreiterei prägte. Zum Jahresende 2021 hat der 70-Jährige aus Luhmühlen seine Tätigkeit als Bundestrainer beendet.

Zweimaliger Team-Olympiasieger Peter Thomsen ist Nachfolger

Wie erwartet, ernannte das Deutsche Olympiade-Komitee für Reiterei (DOKR) den zweimaligen Team-Olympiasieger Peter Thomsen zum Nachfolger. Der 60-Jährige aus Lindewitt bei Flensburg soll die Vielseitigkeitsreiter als Bundestrainer zu den Olympischen Spielen 2024 nach Paris führen. Thomsen begleitete Melzer schon seit einiger Zeit bei dessen Arbeit, unter anderem bei den Olympischen Spielen in Tokio und den Europameisterschaften im September in der Schweiz.

Auch bei diesem, dem letzten Championat von Hans Melzer, gewann Deutschland eine Medaille – EM-Team-Silber war die insgesamt 34. Medaille, die Reiterinnen und Reiter unter der Führung Melzers bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften sammelten. Einige Wochen zuvor in Tokio krönte sich Julia Krajewski überraschend zur Einzel-Olympiasiegerin. Auch 2008 (Hinrich Romeike), 2012 und 2016 (jeweils Michael Jung) hatte ein Deutscher Olympiagold geholt.

DOSB-Trainer des Jahres 2012 mit Ruder-Bundestrainer Ralf Holtmeyer

In der 20-jährigen Amtszeit von Hans Melzer – bis 2016 bildete er ein kongeniales Duo mit Chris Bartle – gab es 19 Mal Gold, acht Mal Silber und sieben Mal Bronze. Zu der unglaublichen Erfolgsbilanz gehört auch die Auszeichnung als Trainer des Jahres 2012 im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), gemeinsam mit dem Ruder-Bundestrainer Ralf Holtmeyer.

Julia Krajewski und Amande de B'Neville landeten bei der Vier-Sterne-Prüfung in Luhmühlen auf dem fünften Platz, sechs Wochen später waren sie Olympiasieger.
Julia Krajewski und Amande de B'Neville landeten bei der Vier-Sterne-Prüfung in Luhmühlen auf dem fünften Platz, sechs Wochen später waren sie Olympiasieger. © HA | Markus Steinbrück

Das Duo Melzer/Bartle führte bis dahin für die Sportart unbekannte Dinge wie Leistungsdiagnostik für Pferde, Videoanalyse, Fitnesstraining für die Reiter, Spezialtrainer für die drei Teildisziplinen und eine Sportpsychologin ein. „Er hat die deutsche Vielseitigkeitsreiterei mitrevolutioniert“, würdigte Olympiasiegerin Krajewski ihren Förderer Hans Melzer. „Er ist ein Visionär.“

Urlaub in Scharbeutz und zwei junge Hunde aus der Tierrettung

Was kommt nach den Medaillen? „Bis Anfang November gab es noch internationale Prüfungen. Zudem haben wir uns mit Peter Thomsen bei Stallbesuchen die Trainingsmöglichkeiten der Top-Reiter angeguckt“, berichtet Melzer. Danach gönnte er sich mit seiner Frau Anne einen zweiwöchigen Urlaub in Scharbeutz an der Ostsee. „Mit unseren zwei jungen Hunden, die wir aus der Tierrettung geholt haben, haben wir auch eine neue Aufgabe“, so Melzer. Deutschlands wohl bekanntester Vielseitigkeitshund Foxi, der sein Herrchen viele Jahren zu Turnieren begleitet hatte, war vor zwei Jahren im Alter von 18 Jahren gestorben.

Überraschungsparty auf dem Turniergelände musste ausfallen

Leider verhinderten die Coronaregeln die im Anschluss an eine Schleppjagd in Ehlbeck geplante Abschiedsparty, eine in Luhmühlen. „Es war trotzdem schön, Michael Jung und andere langjährige Wegbegleiter bei der Jagd zu treffen“, sagte der 70-Jährige, der die Vorfreude auf die Einlösung seines Abschiedsgeschenks etwas länger genießen darf.

Die Top-Reiter schenkten ihrem scheidenden Bundestrainer eine Reitsafari in Afrika. Das Gruppenerlebnis war über Weihnachten geplant, musste aber ebenfalls coronabedingt um ein Jahr verschoben werden. „Darauf freue ich mich sehr“, sagt Melzer.

Einmal über die Straße, dann kann Melzer im AZL Stangen auflegen

Seit 2013 leben er und seine Ehefrau Anne wieder in Luhmühlen. Sie sind von Putensen in einen Bungalow gezogen, der höchstens 300 Meter vom Ausbildungszentrum Luhmühlen (AZL) am Bruchweg entfernt liegt. „Er braucht nur einmal über die Straße zu gehen und kann Stangen auflegen“, so Nachfolger Peter Thomsen schmunzelnd.

Im AZL ist Hans Melzer zeitweise für das Deutsche Olympiade-Komitee für Reiterei als Springtrainer zweier Vielseitigkeitskader tätig, er gibt Stunden als Privattrainer und wird demnächst auch Lehrgänge leiten. „Ich wollte aber nicht in einen festen Lehrgangsplan integriert werden, will erstmal etwas ruhiger machen und sehen, wie sich das Neue anfühlt“, sagt der frisch gebackene Rentner.

Julia Otto: „Er hat sich immer für den Standort Luhmühlen stark gemacht“

Hans Melzer ist Eigentümer eines Unternehmens für Pferdezubehör, besitzt ein Jagdpferd und ein weiteres junges Pferd, geht gern joggen und ist Vorstandsmitglied im Pferdezucht- und Reitverein (PZRV) Luhmühlen. In dieser Rolle ist er bis Ende April bei fünf kleineren Vielseitigkeitsturnieren im Einsatz. „Ich fahre Trecker, baue die Kurse auf und ab und helfe auch sonst dort, wo etwas zu tun ist. Das macht mir Spaß“, sagt der ehemalige Bundestrainer. Klingt alles nicht nach Langeweile.

„Hans Melzer hat viel dazu beigetragen, den Vielseitigkeitssport in Deutschland enorm populär zu machen“, sagt Julia Otto, Geschäftsführerin der Turniergesellschaft Luhmühlen (TGL). „Er hat sich immer für den Standort Luhmühlen stark gemacht und über die Jahre weitere Vielseitigkeitsturniere etabliert, die in kleinen Prüfungsklassen auch ein Angebot für den Nachwuchs, sowohl der Pferde als auch der Reiter, bieten.

Julia Krajewski: „Wofür ich ihm dankbar bin, ist sein Glaube an mich“

Für unser großes internationales Turnier, die Longines Luhmühlen Horse Trials, hat er immer den Fokus daraufgelegt, dass das Turnier für die deutschen Reiter als Sichtung für Championate gilt und Luhmühlen somit immer als wichtiges Saisonziel gesehen wird.“

Fast noch mehr als der Bundestrainer Melzer prägte der Mensch Melzer eine ganze Reiter-Generation. „Wofür ich ihm dankbar bin, ist sein Glaube an mich“, sagt beispielsweise Julia Krajewski. Trotz Patzern bei Großereignissen hielt er an der 33-Jährigen fest. Auch wenn es bei einem Championat mal nicht funktionierte, habe er gesagt: Sie kann’s! Mit ihrem Ritt zu olympischem Gold in Tokio auf Amande de B’Neville hat Julia Krajewski das Vertrauen ihres Mentors mehr als bestätigt.

Luhmühlen blickt 2022 auf „40 Jahre WM-Geschichte“ zurück

Vom 16. bis 19. Juni finden die „Luhmühlen Horse Trials 2022“ auf dem Turniergelände in der Westergellerser Heide statt. Seit Mitte November läuft der Vorverkauf über Ticketmaster. „Es ist toll zu sehen, wie viele Besucher gern wieder Livesport in Luhmühlen erleben möchten“, sagt TGL-Geschäftsführerin Julia Otto. „In Bezug auf die Pandemie müssen wir bestimmt bis März geduldig sein, um absehen zu können, was im Juni möglich sein wird und was nicht – aber hoffentlich deutlich mehr als 2021.“

Die Weltmeisterschaft der Vielseitigkeitsreiter wurde 1982 in Luhmühlen ausgetragen. Somit blickt der Heideort in diesem Jahr auf „40 Jahre WM-Geschichte“ zurück. Als Gast hat sich unter anderem Lucinda Green angesagt, die seinerzeit Weltmeisterin wurde. Sportlich gesehen werde es interessant, wie das neue Trainerteam um den neuen Bundestrainer Peter Thomsen arbeite und welche Reiter sie in Luhmühlen in welche Prüfung schicken, so Otto.