Buxtehude. Der Badmintonspieler vom Buxtehuder SV will im Sommer nach Tokio. Vorher steht er zur Wahl als Behindertensportler des Jahres in Niedersachsen.

Er könnte in die Fußstapfen erfolgreicher Sportler und Sportlerinnen aus dem Landkreis Harburg treten. 2015 war Ski-alpin-Fahrer Björn Behnke (Blau-Weiss Buchholz) zum Behindertensportler des Jahres in Niedersachsen gewählt worden. 2019 gelang dem aus Maschen stammenden Alexander Budde das gleiche Kunststück. Der Rollstuhl-Basketballer hat sich weiter prächtig entwickelt und ist eine feste Größe im Bundesligateam von Hannover United.

Im Frühjahr dieses Jahres nimmt ein junger Para-Badmintonspieler vom Buxtehuder SV Anlauf, den Thron des beliebtesten niedersächsischen Behindertensportlers zu erklimmen: Tim Haller. Bis kommenden Mittwoch, 10. März, haben alle Interessierten die Möglichkeit, im Internet unter www.bsv-ev.de/voting ihre Stimme abzugeben. Tim Haller hat fünf Konkurrentinnen und Konkurrenten. Sie alle blicken ein außergewöhnliches Jahr zurück.

Die meisten Wettkämpfe und Meisterschaften und auch die Paralympischen Spiele in Tokio sind wegen der Covid-19-Pandemie ausgefallen oder verschoben worden. Ein geregeltes Training war über Wochen und Monate bestenfalls eingeschränkt möglich. „Wir wollen junge, motivierte und ehrgeizige Sportler in den Fokus rücken, die sich von der Corona-Krise nicht haben ausbremsen lassen. Sie haben sich durch Trainingsfleiß und überdurchschnittliches sportliches Engagement ausgezeichnet, eine tolle sportliche Entwicklung durchlaufen und sich nicht von ihren Zielen abbringen lassen“, sagte Karl Finke, Präsident des Behinderten-Sportverbandes Niedersachsen (BSN), zur Motivation, die Sportlerwahl auch 2021 durchzuführen.

Bronzemedaille im Einzel bei den Europameisterschaften 2018

Tim Haller vom Buxtehuder SV, der auch dem Team BEB (siehe Infokasten) angehört, zählt international zu den besten Para-Badmintonspielern. 2018 bei den Europameisterschaften gewann der schwerhörige Athlet mit einer rechtsseitigen Spastik die Bronzemedaille im Einzel. Sein bisher erfolgreichstes Jahr war 2012 als deutscher Vizemeister im Einzel und Europameister im Doppel. Ehrgeiz und Schnelligkeit gelten als größte Pluspunkte des 25-Jährigen. Haller gibt seine Erfahrungen gern an Jüngere weiter.

Badmintonspieler Tim Haller (Buxtehuder SV).
Badmintonspieler Tim Haller (Buxtehuder SV). © Martin Bargiel | Martin Bargiel

Der Buxtehuder gibt immer Vollgas, legt in jedem Training all seine Energie in jeden Schlag. Bis zu 420 Kilometer pro Stunde schnell kann ein Badminton-Ball werden. „Ich möchte ordentlich gefordert werden. Und ich möchte, dass niemand Rücksicht auf mein Handicap nimmt. Im Turnier versucht schließlich auch jeder, die Schwächen des Gegners auszunutzen“, sagt der 25-Jährige selbstbewusst. Seit 15 Jahren ist die Badminton ein bedeutender Teil im Leben von Tim Haller, seit 2011 ist er im Para-Badminton aktiv.

Schon als Kleinkind musste Tim Haller kämpfen

„Ich habe es im Verein meiner Mutter ausprobiert und schnell einen Leistungssprung gemacht“, sagt der Athlet, der seit der Geburt mit einer rechtsseitigen Spastik, an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit und einer Lerneinschränkung lebt. Sechs Wochen zu früh geboren, war sein Zustand einige Zeit lang labil. Doch „Tim ist ein Kämpfer“, hieß es vonseiten der Ärzte, „der schafft das.“ Der früh geforderte Kampfgeist prägte ihn für sein Leben und kommt ihm auch im Sport zugute.

„Ich will immer jeden Ball erreichen und staune manchmal selbst, was ich alles schaffe“, sagt er. Sein Biss hilft ihm, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Obwohl die Paralympics in Tokio verschoben wurden und im Sommer 2020 auch keine anderen Turniere stattfanden, blieb Tim Haller am Ball. Zum Vergleich: 2019 hatte er insgesamt elf internationale Turniere bestritten. Im „Corona-Sommer“ gab es hingegen eher die Herausforderung, die Fitness nicht zu verlieren.

Technik und Fitness im Lockdown optimiert

„Mit Laufen und Krafttraining habe ich meine Grundlagen verbessert – bis Juni konnte ich mich mit meinem Trainer viel über Skype austauschen“, blickt Tim Haller zurück. Sein Fazit: „Ich konnte mich mit mehr Ruhe auf das Training konzentrieren.“ Mit optimierter Technik und Fitness nimmt er 2021 einen neuen Anlauf, seinen großen Traum von der Teilnahme an den Paralympischen Spielen zu verwirklichen.

Seitdem Bundeskaderathleten ein Hallentraining wieder erlaubt ist, nimmt er zweimal wöchentlich das Stützpunkttraining in Hannover in Anspruch. Möglich wird das durch die Unterstützung der Stiftung Deutsche Sporthilfe, die die finanziellen Einbußen durch eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit als Fahrzeugaufbereiter ausgleicht. „An diesen beiden Tagen kann ich mich voll auf den Sport konzentrieren“, freut sich der Spieler.

Jugendtrainer in Buxtehude und absoluter Naturmensch

Seit Tim Haller Mitglied im Perspektivkader des Deutschen Behindertensportverbandes ist, hat er vor allem in Sachen Technik große Fortschritte gemacht. Mit seiner positiven Einstellung und Zielstrebigkeit ist Haller ein großes Vorbild für die Jugendlichen im Buxtehuder SV. Zu normalen Zeiten – also ohne Corona-Beschränkungen – gibt er dem sportlichen Nachwuchs als Jugendtrainer seine Erfahrungen weiter und verrät ihnen den einen oder anderen Trick. Die Trainertätigkeit ist bis zu den Paralympics zunächst auf Eis gelegt.

Viel Zeit für weitere Hobbys bleibt dem 25-Jährigen neben Arbeit und Training nicht. Dennoch: „Ich bin ein absoluter Naturmensch und surfe und zelte gern“, sagt Tim Haller. Bald möchte er sich ein E-Mountainbike anschaffen, um einen sportlichen Ausgleich zu haben. Aber auch wenn er gern Neues ausprobiert, bleibt Tim Haller seinem sportlichen Ziel, dem größten Ziel eines jeden Sportlers, auf jeden Fall treu.

Stimmabgabe online noch bis zum 10. März

Zum 21. Mal veranstaltet der Behinderten-Sportverband Niedersachsen (BSN) die Wahl zum Behindertensportler des Jahres. Die große Gala mit Proklamation findet regelmäßig im GOP Varieté in Hannover statt, diesmal ist sie für den 17. Juni 2021 geplant. Zu den Unterstützern gehört auch Ministerpräsident Stephan Weil, der die Schirmherrschaft übernommen hat.

Fünf weitere Athletinnen und Athleten sind nominiert: Anna-Lena Hennig (RSC Osnabrück/Rollstuhl-Basketball), Flora Kliem (ASC Göttingen/Para-Bogensport), Jered Müller (Hellas Einbeck, Para-Schwimmen), Angelina Salli (Polizei-SV Hannover/ID Judo) sowie Lukas Schwechheimer (VfL Wolfsburg/Para-Leichtathletik). Die Stimmabgabe ist bis kommenden Mittwoch, 10. März, im Internet unter www.bsn-ev.de/voting möglich. Unter allen Teilnehmern werden 40 Preise verlost, unter anderem Reisegutscheine, Fahrsicherheitstrainings und ein iPad.