Hamburg. Die beiden Hamburger Spitzenruderer müssen sich in den kommenden Wochen für einen Platz im Deutschland-Achter empfehlen.

Niel macht große Fortschritte. Aktuell versucht er mit viel Eifer, sich aus dem Sitzen in den Stand hochzuziehen. Und wer erst einmal stehen kann, der will auch schnell laufen lernen. Deshalb macht sich Eric Johannesen schon einige Gedanken darüber, dass er wichtige Entwicklungsschritte im Leben seines achteinhalb Monate alten Sohnes verpassen könnte. Auf das dreiwöchige Trainingslager im italienischen Varese zu verzichten, das an diesem Sonntag startet, ist für den Ruder-Olympiasieger von 2012 allerdings keine Option. Schließlich kämpft der 30-Jährige mit den anderen gut 20 Mitgliedern des deutschen Riemen-A-Kaders um einen Platz im Achter, und dafür zählt jede Einheit auf dem Wasser.

Vater zu sein, sagt er, habe zwar seine Perspektive auf viele Dinge verändert. „Aber die Motivation, es noch einmal zu Olympia zu schaffen, ist ungebrochen. Ich will es sogar noch etwas mehr, seit Niel da ist, weil ich weiß, dass ich es auch für ihn mache.“ Außerdem ist da das vergangene Jahr, das an ihm nagt. 2018 war er kurzzeitig sogar aus dem A-Kader gestrichen worden, zur EM in Glasgow und der WM in Plowdiw (Bulgarien) war er Ersatzmann. Die Form hatte nicht gestimmt, nachdem er nach Olympiasilber bei den Sommerspielen in Rio de Janeiro das gesamte Jahr 2017 pausiert hatte, um der beruflichen Ausbildung Vorrang zu geben.

Als er im vorvergangenen Winter das Training wieder aufgenommen hatte, mutete er dem Körper zu viel zu. Die Folge war eine Sehnenscheidenentzündung, die ihn wochenlang vom Training abhielt. „Diesen Substanzverlust konnte ich nicht mehr aufholen. Meine Ansprüche an mich selbst waren etwas zu hoch, meine Leistung nicht gut genug. Nun möchte ich mir in diesem Jahr beweisen, dass ich es noch einmal in den Achter schaffen kann“, sagt er.

Traum: Gemeinsames Olympiagold 2020

Das bisherige Wintertraining gebe Anlass zu Hoffnung. „Ich konnte bislang beschwerdefrei trainieren und fühle mich deutlich besser als vor einem Jahr. Deshalb bin ich überzeugt davon, meinen Leistungsstand von vor der langen Pause erreichen zu können.“

Das allerdings muss Eric Johannesen auch schaffen, damit der Traum, gemeinsam mit seinem Bruder Torben 2020 in Tokio im Achter um Olympiagold zu kämpfen, Realität werden kann. „In einer Olympiasaison gibt es meist keine Umbesetzungen mehr. Deshalb wäre es wichtig, dass Eric es in dieser Saison packt, ins Team zurückzukehren“, sagt Torben Johannesen. Der 24-Jährige, der seit 2017 fest zur Crew des deutschen Paradebootes gehört, zählt aktuell zu den drei stärksten Riemenruderern. Seinen Bandscheibenvorfall, der über den Jahreswechsel die Teilnahme am Höhentrainingslager in St. Moritz (Schweiz) verhinderte, hat er auskuriert.

„Zurzeit läuft es richtig gut“, sagt er. Sein Bruder, mit dem er sich am Riemen-Bundesstützpunkt in Dortmund dienstags bis sonnabends eine Wohnung teilt, sieht das ähnlich. „Torben ist gerade in einem richtigen Flow. Er kann in diesem Jahr ganz vorn angreifen, weil er sich athletisch unglaublich entwickelt hat“, sagt er.

Eric Johannesen würde auch in kleineres Boot steigen

Über die Besetzung des Achters und die sich daraus ergebende Aufstellung in den anderen Bootsklassen wird Ende April entschieden. Ausschlaggebend dafür sind zwei Leistungstests – ein interner am 26. März und der offizielle Verbandstest im Rahmen der deutschen Kleinbootmeisterschaften vom 12. bis 14. April, die jeweils in Köln wie üblich in Zweierteams ausgetragen werden.

Torben Johannesen bildet mit Johannes Weißenfeld (24/Herdecke) aktuell den stärksten Zweier, die endgültige Zusammenstellung der Duos wird nach dem Trainingslager in Italien feststehen. Saisonhöhepunkt in diesem Jahr ist die WM in Linz (Österreich) Ende August.

Auch wenn sein wichtigster Antrieb das Bruder-Gold in Tokio ist: Sollte er die Rückkehr in den Achter nicht schaffen, würde Eric Johannesen auch für andere Boote zur Verfügung stehen. „Es wäre doch Wahnsinn, wenn ich den ganzen Aufwand in die Tonne treten würde, nur weil es für den Achter nicht reicht.“ Die wertvolle Zeit mit seinem Sohn, die ihm der Leistungssport nimmt, will er schließlich nicht umsonst investiert haben.