Der Schweizer und der Lokalmatador sind in dieser Woche die Stars in Hamburg. Hinter den Kulissen wollen die Turnierchefs die Veranstaltung retten. Der Senat vermittelt.

Hamburg. Wenn Michael Stich dieser Tage über die Anlage am Rothenbaum flaniert und die Begeisterung der Tennisfans aufsaugt, die den Auftritten der Topstars Roger Federer und Tommy Haas entgegenfiebern, dann fällt es dem Turnierdirektor leicht, Visionen zu formulieren. „Wir sind 2009 angetreten, um das Turnier innerhalb von drei Jahren zu konsolidieren und dann kontinuierlich weiterzuentwickeln“, sagt der 44-Jährige. „Wir sind auf diesem Weg weiter, als wir gedacht hätten. Unser Ziel ist es, das Turnier über 2018 hinaus in Hamburg zu halten.“

Für 2014 ist Hamburg vom 12. bis 20. Juli in den Kalender der Herrentennis-Organisation ATP eingetragen. Was danach – und vor allem nach 2018 – passiert, weiß niemand. Zwar ist die Faktenlage klar: Stich und sein Geschäftspartner Detlef Hammer, die mit ihrer Firma HSE als Ausrichter fungieren, haben mit dem Deutschen Tennis-Bund (DTB) als Lizenzinhaber einen Vertrag, der festlegt, dass die HSE bis 2018 am Standort Rothenbaum ein Turnier der 500er-Serie – der dritten Kategorie hinter Grand Slam und Masters – ausrichten darf. Die ATP überprüft im Fünfjahresturnus den Status ihrer Turniere. Ob Hamburg als 500er-Turnier weitermachen darf, ob es herabgestuft wird wie 2008 vom Masters- auf den 500er-Status, oder ob es ganz gestrichen wird? Alles unklar.

Immerhin ist unter den Parteien, die in die Traditionsveranstaltung eingebunden sind, Aufbruchstimmung spürbar. Man scheint verstanden zu haben, dass vor allem Einigkeit vonnöten ist, um die Zukunftsfragen endlich angehen zu können. Dass es diesmal im Vorfeld ruhig blieb, ist auch dem Eingreifen der Stadt zu verdanken. Nachdem sich DTB und HSE Anfang des Jahres öffentliche Scharmützel geliefert hatten, weil sich der Verband ohne Wissen seines Vertragspartners um ein Rasenturnier von 2015 an beworben hatte (und die Bewerbung später mit Verweis auf eine fehlende Einigung mit der HSE zurückzog), hatte Sportstaatsrat Karl Schwinke interveniert und zu Schlichtungsgesprächen gebeten. „Wir als Stadt möchten, dass alle Seiten an einem Strang ziehen, um das Turnier in Hamburg zu halten“, sagt Sportamtsleiter Thomas Beyer.

Der Standpunkt der Stadt ist deutlich: Der Rothenbaum soll als Traditionsstandort erhalten bleiben, muss aber seine wirtschaftliche Überlebensfähigkeit allein stemmen. Im Klartext: Mehr Zuschuss als die rund 100.000 Euro, die jedem der fünf im „Hamburger Sportsommer“ zusammengeschlossenen Veranstalter zustehen, gibt es nicht. Den Titelsponsor, den österreichischen Wettanbieter bet-at-home, um den es 2009 einen Rechtsstreit gegeben hatte, duldet die Stadt so lange, bis es eine endgültige gesetzliche Regelung zum Umgang mit Sportwettensponsoring gibt. Dass Tennis international boomt und der weltweite Werbewert des Turniers hoch ist, sei zwar ein wichtiges Argument. „Aber das Turnier muss sich weiterentwickeln und vor allem positive Geschichten erzählen“, sagt Beyer.

Dass dies in der Vergangenheit nicht immer so war, liegt vor allem daran, dass sich die neue DTB-Spitze und die HSE-Verantwortlichen misstrauen, anstatt gemeinsam nach einem tragfähigen Zukunftskonzept zu suchen. Der Gipfel war erreicht, als der Verband das Thema Rasenturnier im Alleingang anzugehen versuchte. Vor allem die vom DTB kolportierte Drohung der ATP, Hamburg nach 2018 aus dem Turnierkalender zu streichen, sollte kein Umzug auf Rasen vollzogen werden, sorgte für Verdruss. Stich, der beste Kontakte zur ATP hat, konnte den Absender der angeblichen Drohung nicht ausfindig machen. Vielmehr ärgerte er sich darüber, dass der DTB ihn in seine Umzugspläne nicht einweihen wollte. „Wir haben die wirtschaftliche Machbarkeit nicht sehen können, wären aber gesprächsbereit gewesen. Aber man konnte oder wollte uns kein Konzept vorlegen“, sagte er damals.

Was der DTB wirklich will, ist bis heute nicht zu durchschauen. Vizepräsident Stefan Felsing sagte, man wolle zunächst das Turnier abwarten und dann Gespräche über die Zukunft aufnehmen. Unklar ist, wie wichtig dem Verband, der am Rothenbaum seinen Hauptsitz hat, der Standort Hamburg ist. Wie das Abendblatt erfuhr, ist eine Verlegung der Geschäftsstelle weiterhin ein Thema. Auch der Verkauf der 500er-Lizenz an das westfälische Halle, das derzeit vor Wimbledon ein Rasenturnier der 250er-Kategorie ausrichtet, steht im Raum. Halle hat mit dem Modeunternehmer Gerry Weber einen potenten Sponsor, der für die höhere Lizenz Geld zahlen würde, das der klamme DTB gut gebrauchen könnte.

Die Abstufung zum 250er-Status hätte für die HSE indes mehrere negative Konsequenzen: Es kämen noch weniger Topspieler, und der Zugriff auf den ATP-Sponsorenpool würde leiden. Klar ist deshalb, dass Stich und Hammer sich gegen solche Pläne wehren. Doch nicht nur sie begehren auf. Auch die Vertreter der Landesverbände, die in dieser Woche am Rothenbaum tagen, wollen solche Veränderungen nicht hinnehmen, ohne wenigstens befragt zu werden.

Eine entscheidende Rolle spielt der dritte Partner. Der Club an der Alster hält die Erbbaurechte an der Anlage, ihm gehört das Stadion, das er dem DTB gegen Pacht zur Nutzung stellt. Der DTB wiederum ist für die Instandhaltung des überdimensionierten Centre-Courts (13.000 Zuschauer) zuständig. Das 1998 in Betrieb genommene mobile Dach müsste längst für eine siebenstellige Summe saniert werden, doch das Geld hat der DTB nicht. Alster wiederum plant seit einem Jahr einen umfangreichen Umbau der Anlage, würde gern ein Hockeystadion mit 2000 Plätzen errichten, das sich für die Tenniswoche auf die derzeit sinnvolle Kapazität von 7500 aufrüsten ließe. Die Neugestaltung, die einen zweistelligen Millionenbetrag verschlingen dürfte, ließe sich innerhalb eines Jahres durchführen, sodass das Turnier nicht ausgesetzt werden müsste. Solange aber über den Umbau nicht entschieden ist, wird auch das Dach nicht saniert.

„Wir prüfen derzeit die bauliche und wirtschaftliche Machbarkeit einer solchen Umgestaltung, haben aber noch keine Rahmendaten und auch keinen Zeitdruck“, sagt Alsters Finanzvorstand Gisbert Beckers. Man werde keine Maßnahmen ergreifen, die nicht mit der Stadt und dem DTB abgesprochen sind. „Wir wollen unseren Beitrag leisten, damit das Turnier in Hamburg bleibt. Es ist wichtig für die Sportstadt, deshalb machen wir alles möglich, was wirtschaftlich vertretbar ist“, sagt Beckers.

Nur ein gemeinsamer Weg führt in eine langfristige Zukunft. Allein dann wird Michael Stich seine Visionen auch nach 2018 noch umsetzen können.