Hamburg. Der Tennis-Olympiasieger tritt Mitte September beim Daviscup in Hamburg an. Die US Open hat er noch nicht abgeschrieben.

Alexander Zverev ließ sich entschuldigen. Ein Unwetter über seiner Wahlheimat Monte Carlo habe den Tennis-Olympiasieger am Donnerstagmorgen am pünktlichen Abheben gehindert, hieß es. Als der 25-Jährige schließlich die Dachterrasse des Le Méridien an der Außenalster betrat, kümmerte sich niemand mehr um die halbstündige Verspätung, rund 50 Journalisten und Kameraleute drängten sich um den derzeit besten deutschen Tennisspieler. Selbst Sportsenator Andy Grote (SPD) und Dietloff von Arnim, Präsident des Deutschen Tennis Bunds (DTB), wirkten neben dem Weltstar irgendwie unbedeutend.

Der Schatten, den „Sascha“ Zverev wirft, ist nicht nur wegen seiner Körpergröße von 1,98 Metern gewaltig. Für die Zwischenrunde des Daviscups am Rothenbaum (14. bis 18. September) ist Zverev das Zugpferd, der Weltranglistenzweite lockt Zuschauer und Sponsoren zum Auftritt in seiner Heimatstadt. „Es ist definitiv für uns ein Heimspiel. Es passiert nicht oft, dass man einen Daviscup zu Hause spielen darf. Jetzt dürfen wir es dreimal in Folge machen. Das ist etwas Besonderes und noch mal etwas anderes als ein normales ATP-Turnier“, sagt Zverev.

Daviscup am Rothenbaum ist für Zverev ein „Highlight“

Bei dem neuen Format muss die deutsche Mannschaft in drei Gruppenspielen gegen Frankreich (14. September), Belgien (16. September) und Australien (18. September) mindestens Zweiter werden, um sich für das Finalturnier im spanischen Málaga (22. bis 27. November) zu qualifizieren. Anders als beim letzten Daviscup in Hamburg vor zehn Jahren, als die Wahl des Belags noch frei war, ist diesmal ein Hartplatz vorgeschrieben. Zudem wird das Stadiondach permanent geschlossen. „Es wird ein Highlight für mich sein dieses Jahr“, sagt Zverev.

Daran, dass er nach seiner schweren Bänderverletzung im Halbfinale der French Open Anfang Juni überhaupt rechtzeitig zum Daviscup fit wird, besteht mittlerweile kein Zweifel mehr. Seit vergangenem Wochenende trainiert Zverev wieder auf dem Tennisplatz, Lauf- und Krafttraining bereiten ihm keine Probleme mehr. „Viele haben mir gesagt, dass es vier Monate dauern würde, bis ich wieder auf dem Tennisplatz stehe“, sagt er. Drei Bänder waren gerissen, vier weitere beschädigt, als er in Paris übel umgeknickt war. „Das ist brutal gewesen.“

Zverev kämpft um Start bei US Open

Dass er nun sogar um einen Start bei den US Open kämpft, hat er auch seiner intensiven Reha-Phase in der Marktgemeinde Donaustauf zu verdanken. Drei Wochen lang ließ er in der Nähe von Regensburg täglich bis zu acht Behandlungen über sich ergehen, um schnell wieder fit zu werden. Am 29. August beginnt das Grand-Slam-Turnier in New York, in rund zehn Tagen wolle er entscheiden, ob er an den Start gehen kann. „Jeden Tag wird es wirklich besser. Deswegen möchte ich jetzt noch nicht sagen, dass ich die US Open nicht spiele“, sagt Zverev. Wäre es ein Turnier im Modus mit drei Gewinnsätzen, könnte er vielleicht sagen, er wäre so weit. „Best-of-Five ist schwierig.“

Motivieren dürfte ihn die Weltrangliste. Um weiter Druck auf den Weltranglistenersten Daniil Medwedew (26/Russland) zu machen, muss Zverev schnell auf die Tour zurückkehren. Medwedew verlor am Mittwoch durch eine Zweitrundenniederlage beim ATP Masters in Montreal (Kanada) 1000 Punkte. Neben dem erstmaligen Gewinn eines Grand Slams ist der Weltranglistenplatz eins das große Ziel des gebürtigen Hamburgers.

Diabetes: Zverev berichtet detailliert über seine Krankheit

Obwohl Zverev für verschiedene Aktionen, darunter eine Wut-Attacke in Richtung eines Schiedsrichters bei einem Turnier in Acapulco (Mexiko) und Vorwürfe häuslicher Gewalt, die seine frühere russische Freundin Olga Scharipowa erhoben hatte, auch immer wieder scharf kritisiert wird, scheint er in eine neue Phase seiner Karriere einzutreten.

Den jüngsten Beweis dafür lieferte er am vergangenen Wochenende, als er seine Diabeteserkrankung öffentlich machte. „Als Kind und Jugendlicher habe ich mich extrem unwohl damit gefühlt, ich wurde in der Schule stark gehänselt“, sagt Zverev. Mut gaben ihm seine Erfolge. „Ich habe die Goldmedaille von Olympia, ich bin die Nummer zwei der Welt, habe zweimal die Weltmeisterschaft gewonnen und schon ein paar Erfolge hinter meinem Rücken.“

Am Donnerstag berichtete er erstmals detailliert über seine Krankheit. Mehrmals am Tag müsse er sich Insulin spritzen, eine Insulinpumpe habe er wegen des Leistungssports nicht. Manchmal, aber nicht oft, beeinflusse sein Zuckerspiegel auch seine Tennismatches. „Manchmal gehe ich auf die Toilette und muss mich spritzen, manchmal muss ich die Gels nehmen“, sagt Zverev: „Ich habe Glück, dass ich das Ganze unter Kontrolle habe.“

Helmer bittet Zverev um Foto

Vielleicht ist es diese neue Offenheit – häufig warfen ihm deutsche Tennisfans auch wegen seines Wohnorts in Monte Carlo Distanziertheit vor –, die Zverev zukünftig auch in seinem Heimatland zum Star einer ganzen Nation werden lässt.

Sportsenator Grote jedenfalls macht sich keine Sorgen um Zverevs Heimatverbundenheit. „Wir sind stolz, dass Sascha noch diese Verbundenheit zur Stadt hat“, sagte Grote, ehe sich der 25-Jährige kurze Zeit später wieder verabschiedete. Und als wenn es beim Verlassen des Hotels noch einen weiteren Beweis für Zverevs Strahlkraft gebraucht hätte, fragte Ex-Fußballprofi und TV-Moderator Thomas Helmer den Tennisstar vorsichtig nach einem gemeinsamen Foto. Der Europameister von 1996 wirkte wie ein schüchternes Kind.

Um 14 Uhr hob Zverevs Privatjet wieder ab, am späten Nachmittag stand er bereits in Monte Carlo auf dem Trainingsplatz. Für den Daviscup – und den nächsten Schritt seiner Karriere.