Hamburg. Schon 2022 sollen Damen und Herren in einem kombinierten Tennisturnier aufschlagen. Verband unterstützt die Veranstalter bei Plänen.

Die Erleichterung war Sandra Reichel nicht nur vom Gesicht abzulesen. Deutlich entspannter, als sie während der 14 Turniertage im dauerhaften Schweinsgalopp auf der Anlage an der Hallerstraße unterwegs gewesen war, saß die Turnierdirektorin der Hamburg European Open am Sonntagmorgen auf der Terrasse des Vereinsheims des Clubs an der Alster auf einem Barhocker und zog auf der Bilanzpressekonferenz des Tennis-Events am Rothenbaum ein zufriedenes Fazit zweier Wochen, die Geschichte geschrieben hatten.

„Es waren sehr intensive Tage für mein gesamtes Team und mich. Aber das Feedback, das wir von allen Seiten bekommen haben, war sehr positiv“, sagte die 50 Jahre alte Österreicherin. „Die Botschaft, die wir in mehr als 140 Länder, die übertragen haben, aussenden wollten, war: Damen und Herren sind in Hamburg sehr gut aufgehoben. Das ist uns gelungen.“

„Hamburg auf Weltkarte des Damentennis positioniert"

Tatsächlich darf man konstatieren, dass das gelungen ist. Ein Großevent in Pandemiezeiten auszurichten, mit Zuschauern und einem umfangreichen Hygienekonzept, das die wenigen positiven Corona-Fälle schnell herausfilterte und die Ansteckungskette unterbrach, ist an sich schon eine respektable Anstrengung. In einer solchen Lage auch noch nach 19 Jahren Abstinenz eine Damenkonkurrenz nach Hamburg zurückzuholen in dem Wissen, ein solches Turnier mit einem Defizit austragen zu müssen, verdient große Anerkennung.

Steve Simon, CEO der Damentennisorganisation WTA, drückte diese in einem Schreiben aus, aus dem Peter-Michael Reichel (68), Vater der Turnierchefin und Mitveranstalter, zitierte. „Die Freude auf allen Seiten ist sehr groß, dass wir Hamburg wieder auf der Weltkarte des Damentennis positioniert haben“, sagte er.

Damenturnier lag in der Wimbledon-Woche

Dass es Anlaufschwierigkeiten geben würde in einem Jahr, in dem der Termin des Damenturniers parallel mit der zweiten Wimbledon-Woche lag und wegen der Kurzfristigkeit kaum Werbung möglich war, überraschte nicht. Die ernüchternde Zuschauerzahl von insgesamt nur 3800 über die fünf offiziellen Turniertage – und damit nur 300 mehr, als täglich erlaubt waren – ließ Raum für Diskussionen.

Dass die Gründe für die Zurückhaltung eher nicht die Angst vor Ansteckung oder der Verdruss über Masken- und Testpflicht waren, zeigte der Besuch beim Herrenturnier, das von Freitag bis Sonntag sogar trotz einer Kapazitätsaufstockung auf 4000 Plätze nahezu ausverkauft war, was zur Gesamtzuschauerzahl von 21.050 entscheidend beitrug.

Kombiniertes Damen- und Herrenturnier geplant

So verwunderte es kaum, dass die Reichels als Fortentwicklung des Traditionsevents für die kommenden Jahre vehement die Idee forcieren wollen, ein kombiniertes Damen- und Herrenturnier am Rothenbaum zu etablieren. „Gleichberechtigung ist in der Gesellschaft angekommen, ein kombiniertes Event ist auf jeden Fall das beste Produkt, das man den Fans anbieten kann“, sagte Peter-Michael Reichel.

Den entsprechenden Termin dafür habe man im kommenden Jahr, sowohl im provisorischen WTA-Kalender als auch im Terminplan des Herrenpendants ATP ist Hamburg in der Woche vom 16. bis 24. Juli vorgesehen. Die Damen sollen Sonntag starten und ihr Finale am 23. Juli spielen, die Herren einen Tag zeitversetzt. Perspektivisch wäre ein Termin vor den French Open in Paris Ende Mai Wunsch der Reichels. Dieser könnte frühestens 2024 realisierbar sein, wenn die Kalender neu gestaltet werden sollen.

Infrastrukturelle Fragen noch offen

Ob es allerdings tatsächlich so weit kommt, bleibt abzuwarten. Zwar hat sich die ablehnende Haltung der ATP gegenüber zusätzlichen „Combined Events“, von denen es neben den Grand Slams (die vom Weltverband ITF und nicht von WTA und ATP reguliert werden) aktuell rund ein Dutzend gibt, unter dem neuen Chef Andrea Gaudenzi (47/Italien) verändert.

Dennoch sind vor allem infrastrukturelle Fragen zu klären, um ein doppelt so großes Teilnehmerfeld zu handhaben. Zwar ist aus früheren Jahren bis 2008, als das Herrenturnier noch Mastersstatus hatte, nachweisbar, dass die Anlage 64 Teilnehmenden Platz bietet – in diesem Jahr umfassten die Damen- und Herrenfelder gar nur 28 Startende, sie sollen aber auf je 32 wachsen.

Am Rothenbaum wird Geräumigkeit geschätzt

Um den Trainingsbetrieb zu gewährleisten, müsste aber auf Clubs im Umfeld ausgewichen werden. Und die ATP drängt darauf, dass für die Herren auf der Anlage kein Trainingsplatz verloren gehen darf. Also müssten die Damen weichen, was Konfliktpotenzial birgt. Dazu kommt, dass die Aktiven am Rothenbaum gerade die Geräumigkeit der Anlage und der Kabinentrakte schätzen. Sie dieser zu berauben, könnte zu gesteigerter Unzufriedenheit führen. Auch der Club an der Alster, dem das Gelände gehört und dessen gut 3800 Mitglieder ungern auf ihren Komfort verzichten, muss den Plänen zustimmen.

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Der Deutsche Tennis-Bund als Lizenzinhaber des Herrenturniers – die Damenlizenz gehört den Reichels – unterstützt das Vorhaben. „Wenn die Reichels meinen, dass ein kombiniertes Turnier die beste Option ist, ist das wunderbar“, sagte Präsident Dietloff von Arnim, der bestätigte, Gespräche über eine Verlängerung des bis 2023 laufenden Lizenznehmervertrags mit den Reichels begonnen zu haben.

Stadt gibt positive Signale für Kombi-Turnier

„Wir werden uns mit allen unseren Partnern besprechen und hoffentlich im Herbst eine Entscheidung fällen können, wie es 2022 weitergeht“, sagte Sandra Reichel, die auch von der Stadt positive Signale für das Bemühen um ein kombiniertes Turnier erhalten hat. Der Gesamtetat dafür sei zu stemmen, sofern man die bestehenden Sponsoren zu einer Aufstockung ihrer Budgets bewegen und neue Partner gewinnen könne.

In diesem Jahr lag der kombinierte Etat bei rund 3,6 Millionen Euro; Sandra Reichel hofft, diesen mit einer schwarzen Null abschließen zu können. „Die Damen waren defizitär, bei den Herren müssen wir in den nächsten Wochen noch rechnen“, sagte sie.

Neugestaltung der Außenplätze bleibt Thema

In welcher Form auch immer gespielt wird in 2022: Die Hoffnung, dann wieder in gewohntem Umfang ein Rahmenprogramm anbieten zu können, ist groß. Die Aufnahme von Legendenmatches bleibt ein Thema, ebenso die Neugestaltung der Außenplätze, die unter dem Eindruck des frisch renovierten Center-Courts noch mehr aus der Zeit gefallen wirken. „Wir haben viele Felder, auf denen wir uns weiterentwickeln wollen. Aber wir brauchen auch Geduld“, sagte Sandra Reichel. Dass sie diese Geduld verdient, haben die vergangenen zwei Wochen unterstrichen.