Pyeongchang. Die Biathletin lässt sich am Schießstand erneut nicht vom Eiswind stoppen und gewinnt das Verfolgungsrennen.

Die alten Wangsasre-Birken, die den Hang hinter dem Schießstand des Alpensia Biathlon Centers säumen, ragen aufrecht in den Himmel, ein paar von ihnen allerdings neigen ihre Astkrone weit nach unten. Fast so, als wollten sie sich verbeugen vor dieser Frau, die aus dem fernen Bayern kam und sich in diesen Tagen selbst zur Biathlon-Königin von Pyeongchang krönt.

Laura Dahlmeier war gerade auf dem Weg zur letzten Schießprüfung, da kündigte sie der Stadionsprecher als „Ice-Woman from Germany“ (Eis-Frau aus Deutschland) an. Ein bewunderndes Raunen ging durch das Publikum. Als die 24-Jährige dies später hörte, musste sie herzhaft lachen. „Wenn die wüssten, was für Schmerzen ich im Ziel hatte“, sagte Dahlmeier. „Als meine Finger aufgetaut sind, hat das brutal weh getan. Das war mindestens genauso anstrengend wie der Kampf vorher auf der Strecke.“

Dort war sie als Erste mit 24 Sekunden Vorsprung aus dem Sprintrennen vom Sonnabend in das 10-km-Verfolgungsrennen gegangen und hielt die Konkurrenz in beeindruckender Manier auf Distanz. Die Partenkirchenerin hatte auf der Zielgeraden sogar genügend Zeit, sich die deutsche Fahne zu schnappen und damit ausgelassen zu jubeln. Zweiter Wettbewerb, zweites Gold – besser geht es nicht.

Dahlmeier und der Kampf mit dem Körper

Das Duell um Silber entschied die Slowakin Anastasja Kuzmina im Zielsprint gegen Anais Bescond aus Frankreich für sich. Dahlmeier ist nun die erste Biathletin, der das Double aus Sprint und Verfolgung bei denselben Winterspielen gelang. Solch ein Kunststück hatte bislang nur der große Norweger Ole Einar Björndalen vollbracht.

Aber Dahlmeier musste bei klirrenden minus zwölf Grad, die sich durch den Wind etwa doppelt so kalt anfühlten, für ihren zweiten Triumph richtig leiden. Sie gestand schon kurz nach dem Rennen, ziemlich fertig zu sein. Mit Mühe absolvierte sie den Interviewmarathon mit den Medien aus aller Welt und wirkte am Ende völlig ausgelaugt.

Die deutschen Medaillengewinner von Pyeongchang

Francesco Friedrich (r.) führte seinen Viererbob zu einer souveränen Goldmedaille
Francesco Friedrich (r.) führte seinen Viererbob zu einer souveränen Goldmedaille © REUTERS | ARND WIEGMANN
Auch Silber im Viererbob ging an Deutschland um Bobpilot Nico Walther. Im Medaillenspiegel schließt Deutschland auf Rang zwei hinter Norwegen ab
Auch Silber im Viererbob ging an Deutschland um Bobpilot Nico Walther. Im Medaillenspiegel schließt Deutschland auf Rang zwei hinter Norwegen ab © dpa | Tobias Hase
Trotz der unglücklichen Finalniederlage überwiegt die Freude: Kapitän Christian Ehrhoff (r.) und Daryl Boyle konnten sich schon kurz nach dem Spiel gegen Russland über Silber freuen. 55 Sekunden fehlten für die Sensation, die dann auch Rang eins im Medaillenspiegel bedeutet hätte
Trotz der unglücklichen Finalniederlage überwiegt die Freude: Kapitän Christian Ehrhoff (r.) und Daryl Boyle konnten sich schon kurz nach dem Spiel gegen Russland über Silber freuen. 55 Sekunden fehlten für die Sensation, die dann auch Rang eins im Medaillenspiegel bedeutet hätte © dpa | Michael Kappeler
Die deutschen Snowboarderinnen Selina Jörg (l.) und Ramona Theresia Hofmeister freuen sich über Silber und Bronze im Parallel-Riesenslalom
Die deutschen Snowboarderinnen Selina Jörg (l.) und Ramona Theresia Hofmeister freuen sich über Silber und Bronze im Parallel-Riesenslalom © dpa
Die deutschen Biathleten Erik Lesser (v.l.), Benedikt Doll, Arndt Peiffer und Simon Schempp freuen sich über Bronze mit der Staffel – bei einer besseren Schießleistung wäre aber sogar der Sieg drin gewesen
Die deutschen Biathleten Erik Lesser (v.l.), Benedikt Doll, Arndt Peiffer und Simon Schempp freuen sich über Bronze mit der Staffel – bei einer besseren Schießleistung wäre aber sogar der Sieg drin gewesen © Hendrik Schmidt/dp
Gold für Deutschland: Die deutschen Kombinierer Vinzenz Geiger, Fabian Rießle, Eric Frenzel und Johannes Rydzek siegten erstmals seit 1988 mit der Staffel
Gold für Deutschland: Die deutschen Kombinierer Vinzenz Geiger, Fabian Rießle, Eric Frenzel und Johannes Rydzek siegten erstmals seit 1988 mit der Staffel © Reuters/Carlos Barria
Das Duo Mariama Jamanka (r., Pilotin) und Anschieberin Lisa Buckwitz stellte mit seinem Sieg im Zweierbob bereits am zwölften Tag den Gold-Rekord für eine deutsches Olympiateam ein
Das Duo Mariama Jamanka (r., Pilotin) und Anschieberin Lisa Buckwitz stellte mit seinem Sieg im Zweierbob bereits am zwölften Tag den Gold-Rekord für eine deutsches Olympiateam ein © Reuters
Historischer Dreifachsieg in der nordischen Kombination: Johannes Rydzek (Nr. 5) holte Gold, Fabian Rießle (6) Silber und Eric Frenzel (4) Bronze.
Historischer Dreifachsieg in der nordischen Kombination: Johannes Rydzek (Nr. 5) holte Gold, Fabian Rießle (6) Silber und Eric Frenzel (4) Bronze. © Reuters
Stephan Leyhe, Karl Geiger, Richard Freitag und Andreas Wellinger (v. l. n. r.) jubeln über Silber im Mannschaftsspringen
Stephan Leyhe, Karl Geiger, Richard Freitag und Andreas Wellinger (v. l. n. r.) jubeln über Silber im Mannschaftsspringen © dpa | Daniel Karmann
Francesco Friedrich (vorn) und Anschieber Thorsten Margis holten Gold im Zweierbob
Francesco Friedrich (vorn) und Anschieber Thorsten Margis holten Gold im Zweierbob © REUTERS | EDGAR SU
Fotofinish: Biathlet Simon Schempp (l.) hätte im Massenstart beinahe sogar Gold gewonnen. Am Ende musste er sich nur dem Franzosen Martin Fourcade geschlagen geben
Fotofinish: Biathlet Simon Schempp (l.) hätte im Massenstart beinahe sogar Gold gewonnen. Am Ende musste er sich nur dem Franzosen Martin Fourcade geschlagen geben © Reuters
Normalschanzen-Olympiasieger Andreas Wellinger flog auf der Großschanze zu Silber
Normalschanzen-Olympiasieger Andreas Wellinger flog auf der Großschanze zu Silber © imago/GEPA pictures | Christian Walgram
Jacqueline Lölling jubelt über Silber im Skeleton
Jacqueline Lölling jubelt über Silber im Skeleton © Getty Images | Tom Pennington
Die Rodler Tobias Wendl, Tobias Arlt, Nathalie Geisenberger und Johannes Ludwig (v. l. n. r.) jubeln über Gold in der Mixed-Teamstaffel
Die Rodler Tobias Wendl, Tobias Arlt, Nathalie Geisenberger und Johannes Ludwig (v. l. n. r.) jubeln über Gold in der Mixed-Teamstaffel © REUTERS | ARND WIEGMANN
Laura Dahlmeier gewann im Biathlon-Einzelrennen nach zweimal Gold ihre dritte Medaille in Pyeongchang: Bronze
Laura Dahlmeier gewann im Biathlon-Einzelrennen nach zweimal Gold ihre dritte Medaille in Pyeongchang: Bronze © REUTERS | TOBY MELVILLE
So sehen Sieger aus: Die Eiskunstläufer Aljona Savchenko und Bruno Massot bei ihrer goldenen Ehrenrunde. Das Paar lief nach einer starken Kür noch von Platz vier zu Gold
So sehen Sieger aus: Die Eiskunstläufer Aljona Savchenko und Bruno Massot bei ihrer goldenen Ehrenrunde. Das Paar lief nach einer starken Kür noch von Platz vier zu Gold © dpa
Die Rodler Tobias Wendl und Tobias Arlt holten Gold im Doppelsitzer
Die Rodler Tobias Wendl und Tobias Arlt holten Gold im Doppelsitzer © Getty Images
Für das Weltmeister-Duo Toni Eggert/Sascha Benecken (Ilsenburg/Suhl) blieb immerhin noch Bronze
Für das Weltmeister-Duo Toni Eggert/Sascha Benecken (Ilsenburg/Suhl) blieb immerhin noch Bronze © Reuters
Fantastisch: Eric Frenzel (M.) verteidigte in der nordischen Kombination seinen Titel. Österreichs Lukas Klapfer (l., Bronze) und der japanische Silbermedaillen-Gewinner Akito Watabe gratulierten dem deutschen Fahnenträger
Fantastisch: Eric Frenzel (M.) verteidigte in der nordischen Kombination seinen Titel. Österreichs Lukas Klapfer (l., Bronze) und der japanische Silbermedaillen-Gewinner Akito Watabe gratulierten dem deutschen Fahnenträger © Reuters
Natalie Geisenberger gewann als erste Rodlerin zum dritten Mal Gold
Natalie Geisenberger gewann als erste Rodlerin zum dritten Mal Gold © REUTERS | EDGAR SU
Dajana Eitberger machte mit Silber den deutschen Doppelsieg im Rodeln perfekt
Dajana Eitberger machte mit Silber den deutschen Doppelsieg im Rodeln perfekt © dpa | Tobias Hase
Skispringerin Katharina Althaus jubelte über Silber
Skispringerin Katharina Althaus jubelte über Silber © dpa
Benedikt Doll sorgte mit Bronze über 12,5 Kilometer Verfolgung für die zweite Medaille der deutschen Biathlon-Herren
Benedikt Doll sorgte mit Bronze über 12,5 Kilometer Verfolgung für die zweite Medaille der deutschen Biathlon-Herren © dpa
Biathletin Laura Dahlmeier triumphierte auch in der Verfolgung und holte damit ihre zweite Goldmedaille in Pyeongchang
Biathletin Laura Dahlmeier triumphierte auch in der Verfolgung und holte damit ihre zweite Goldmedaille in Pyeongchang © Reuters
Johannes Ludwig gewann völlig unerwartet die Bronzemedaille im Rodeln
Johannes Ludwig gewann völlig unerwartet die Bronzemedaille im Rodeln © Getty
Arnd Peiffer holte überraschend Gold im Biathlon-Sprint
Arnd Peiffer holte überraschend Gold im Biathlon-Sprint
Andreas Wellinger siegte von der Normalschanze und holte damit das erste deutsche Skisprung-Gold im Einzel seit Jens Weißflog 1994
Andreas Wellinger siegte von der Normalschanze und holte damit das erste deutsche Skisprung-Gold im Einzel seit Jens Weißflog 1994 © Getty Images
Laura Dahlmeier holte Gold im Biathlon über 7,5 Kilometer und eröffnete damit den erhofften deutschen Medaillenregen in Pyeongchang
Laura Dahlmeier holte Gold im Biathlon über 7,5 Kilometer und eröffnete damit den erhofften deutschen Medaillenregen in Pyeongchang © dpa
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Erinnerungen an die Weltmeisterschaft in Hochfilzen (Österreich) wurden wach. Vor einem Jahr hatte sie in Tirol zwar fünf Gold- und eine Silbermedaille abgeräumt, ihren Körper jedoch auch mehrfach an die Grenze des Belastbaren gebracht. Zwei Schwächeanfälle waren die Folge.

Dahlmeier sagt dem ZDF ab

Diese Erfahrungen haben die Verantwortlichen des Deutschen Ski-Verbandes (DSV) sensibel werden lassen. Die für Medaillengewinner obligatorische Party im Deutschen Haus wurde prophylaktisch abgesagt. Nachdem sie sich bei der Dopingkontrolle nicht wohlfühlte und sich erschöpft hinlegen musste, ließ Dahlmeier auch einen am späten Abend geplanten Auftritt im deutschen Fernsehen ausfallen.

„Die Kälte zehrt einfach an ihr. Sie hatte wirklich starke Schmerzen“, sagte DSV-Pressesprecher Stefan Schwarzbach. Der Verzicht auf den Gang ins TV-Studio sei eine Vorsichtsmaßnahme.

Dahlmeier verrät Schieß-Geheimnis

Umso erstaunlicher war es, wie sie zuvor einmal mehr am Schießstand brilliert hatte. Während die tückischen Böen, die ständig sowohl Richtung als auch Intensität änderten, den Gegnerinnen enorm zu schaffen machten, räumte Dahlmeier 19 von 20 Scheiben ab. Später verriet sie, sich ganz bewusst Zeit gelassen zu haben.

„Im Verfolger ist das Schießen der Schlüssel zum Erfolg. Da habe ich lieber die eine oder andere Sekunde mehr gebraucht, um zu treffen. Ist ja auch ganz gut gegangen.“ Und das gute Ergebnis war wohl auch nötig, weil sie auf der Strecke mächtig zu kämpfen hatte: „Es ging nicht so leicht wie noch im Sprint.“

Bundestrainer Gerald Hönig war dennoch wieder voll des Lobes für seine Überfliegerin, die aus seiner Sicht Biathlon in Perfektion demonstriere. „Sie ist unglaublich fokussiert; weiß, was sie kann und ruft es immer wieder ab, wenn es nötig ist. Wahnsinn!“ Auch Teamkollegin Denise Herrmann, die auf Rang sechs vorlief, meinte anerkennend: „Laura ist unglaublich und mental so stark. Sie steht verdient da oben.“

Doll holt Bronze – und sorgt für Lacher

Mit den Temperaturen hatte auch Benedikt Doll zu kämpfen. Obwohl er beide Handschuhe mit Wärmekissen präpariert hatte, musste der Breitnauer während des 12,5-km-Verfolgungswettkampfes mit Unterkühlungen an seiner linken Hand kämpfen. Glücklicherweise blieb die rechte, mit der er den Abzug seiner Waffe bedient, verschont. So verfehlte er wie Dahlmeier nur eines der 20 Ziele und stürmte zur Bronzemedaille.

Benedikt Doll bejubelt seine erste Olympiamedaille
Benedikt Doll bejubelt seine erste Olympiamedaille © TA | Sascha Fromm

Den Sieg sicherte sich der französische Topfavorit Martin Fourcade vor dem überraschend starken Schweden Sebastian Samuelsson, der Doll auf den letzten Metern noch überholt hatte. Doch das wurmte den Schwarzwälder überhaupt nicht. Er erfüllte sich mit dem olympischen Edelmetall einen Kindheitstraum und stellte diesen Erfolg noch über seinen WM-Titel im Sprint aus dem vergangenen Winter.

Doll spürte kurz nach dem Rennen ein Kratzen im Hals und trank schnell einen heißen Tee. Nichts wäre schlimmer, als im Medaillenglück krank zu werden. Auch der Besuch im Deutschen Haus fiel kurz aus. Dennoch sorgte der Bronzegewinner für den Lacher des Abends: „Ich hatte Arnd Peiffer gesagt, dass ich ihn am Dienstag zur Medaillenvergabe begleiten werde, weil ich mir das mal anschauen wollte. Jetzt lohnt es sich ja umso mehr.“