Rio de Janeiro. Das olympische Komitee duldet keine politischen Proteste auf „seinem“ Boden. Ein brasilianisches Gericht hat die Regel jetzt gekippt.

In Brasilien gibt es Streit um politische Meinungsäußerungen bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro. Ein Gericht hat „friedliche politische Meinungsäußerungen“ auf olympischen Tribünen am Montag für rechtens erklärt und den Veranstaltern verboten, gegen solche Demonstrationen vorzugehen. Das Urteil nennt als Beispiele T-Shirts und Pappschilder mit politischen Botschaften, wie die Zeitung „O Globo“ in berichtet.

Seit Beginn der Spiele am 5. August haben viele Besucher auf den Tribünen ihren Unmut über Übergangspräsident Michel Temer Luft gemacht. Meist ist der Spruch „Fora Temer“, „Temer raus“, zu lesen. Stets unterbinden Sicherheitskräfte solche Meinungsäußerungen, mehrere Menschen wurden kurzzeitig festgenommen. Das olympische Komitee der Rio-2016-Spiele und die Stadtregierung rechtfertigen dieses Vorgehen mit dem sogenannte Olympia-Gesetz, das politische Äußerungen auf olympischem Gelände untersagt.

Verstoß gegen Recht auf freie Meinungsäußerung

Die Unmutsäußerungen in Rio richten sich vor allem gegen den rechtsliberalen Übergangspräsidenten Michel Temer.
Die Unmutsäußerungen in Rio richten sich vor allem gegen den rechtsliberalen Übergangspräsidenten Michel Temer. © dpa | Leonardo Muñoz

Das Urteil geht auf einen Antrag der Bundesstaatsanwaltschaft zurück. Zur Begründung erklärte der Richter, dass das Vorgehen der Veranstalter das Recht auf freie Meinungsäußerung einschränke. Gegen das erstinstanzliche Urteil ist Berufung möglich.

Übergangspräsident Temer wurde bereits bei der Eröffnung der Spiele ausgepfiffen. Seit Mitte Mai führt er eine rechtsliberale Übergangsregierung, nachdem Präsidentin Dilma Rousseff aufgrund eines Amtsenthebungsverfahrens für bis zu 180 Tagen suspendiert wurde. Der Mitte-Links-Politikerin wird eine illegalen Schönung von Haushaltszahlen vorgeworfen. Rousseff bezeichnet das Verfahren als Staatsstreich gegen sie. Temer und viele seiner Parteifreunde und auch Minister stehen im Verdacht, in den Korruptionsskandal verwickelt zu sein, der schon Rousseff Umfragewerte in den Keller sacken ließ.

Bis zum 21. August werden bei den ersten Olympischen Spielen auf südamerikanischen Boden mehr als 11.000 Sportler um 306 Goldmedaillen wetteifern. Mannschaften aus mehr als 200 Ländern, darunter ein multinationales Team von Flüchtlingen, sind in Rio am Start. (epd)