Rio de Janeiro. Abgesoffen in Rio: Wieder keine Medaille für Paul Biedermann. Deutsche Funktionäre jammern, Athleten nur im Twittern spitze.

Medaille hin oder her: Auf die große Karriere wollen Paul Biedermann und sein Trainer noch bei Olympia in Rio anstoßen. „Klar werden wir hier ein Bier zusammen trinken. Und ich gehe davon aus, dass wir vor Ort die Olympischen Spiele noch ein bisschen genießen können“, versicherte Trainer Frank Embacher in der Nacht des großen Olympia-Frusts. Auch im dritten und letzten Anlauf verpasste der Weltrekordler auf Rang sechs über 200 Meter Freistil die ersehnte Olympiamedaille. Irgendwie rang sich Biedermann am Tag nach seinem 30. Geburtstag trotzdem ein zerknirschtes Lächeln ab.

„Ich habe alles gegeben. Das war das Maximum und dann muss ich damit zufrieden sein“, versicherte Biedermann nach dem Olympiasieg des Chinesen Sun Yang. „Der große Traum, die Medaille, ist nicht in Erfüllung gegangen“, seufzte Embacher - um wie sein Schützling gleich auf die letzte Chance in der Staffel zu blicken. Mit reichlich Wut im Bauch ging der Doppel-Weltmeister von 2009 sein letztes Rennen an: die Freistil-Staffel über 4 x 200 Meter.

Aber schon vorher wurde er für seine Laufbahnleistungen gefeiert, ob vom Chefbundestrainer, dem deutschen Olympioniken-Chef oder von der Ex-Freundin. „Einer der größten deutschen Schwimmer verlässt die Bühne“, rühmte ihn Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen. „Aus dem Herzen gesprochen: Paul, du bist ein unerschrockener Krieger im Wasser, du hast gesunden Respekt vor Gegnern, bist dabei stets fair, höflich und in deiner Leistung immer da, wenn's gilt.“

Britta Steffen muntert Ex-Freund Paul Biedermann auf

Dass das wie in Rio nicht immer eine Medaille garantiert, musste der Schwimmer aus Halle/Saale schmerzlich erfahren. „Ob mit oder ohne olympische Medaille, du bist ein großer Sportler, ein großes Vorbild“, schrieb Steffen der dpa.

Biedermanns Verdienste für den deutschen Schwimmsport schmälert auch das fehlende olympische Glück nicht. Bei der WM 2009 stieg er zu den Großen seiner Sparte auf: Zwei WM-Titel feierte er in Rom in Weltrekordzeit - und im Hightech-Anzug wurde sogar US-Megastar Michael Phelps mit mehr als einer Sekunde Vorsprung düpiert.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Insgesamt gewann der „Sportler des Jahres 2009“, dessen internationale Laufbahn so richtig mit dem EM-Titel 2008 begonnen hatte, bei Weltmeisterschaften auf der Langbahn neben den beiden Goldmedaillen noch dreimal Bronze und einmal Silber. Nur bei Olympia ging er eben dreimal leer aus.

„Er war einer der ganz großen Athleten im Schwimmsport des vergangenen Jahrzehnts oder auch länger. Und damit tut es immer weh, wenn solche Athleten für sich entscheiden: Jetzt reicht's“, erklärte DOSB-Präsident Alfons Hörmann.

Die Twitter-Liste der Deutschen in Rio

Biedermann freut sich schon lange auf die Zeit nach der Karriere. Der Heavy-Metal-Fan will spontaner sein, Konzerte besuchen, nicht mehr penibel auf alles achten müssen, auch mal einen Schnupfen ohne Trainingspause riskieren können. Dass er sofort nach dem missglückten Einzelrennen die Staffel ins Visier nahm, statt sich öffentlich groß zu grämen, spricht für den bemerkenswerten Sportsgeist.

„Er hat direkt die richtige Reaktion gezeigt“, lobte Henning Lambertz. Der Chefbundestrainer muss sein Team auf die Zeit ohne „eine Ikone des deutschen Schwimmsports“ einstellen. Und das wird schwer: Denn als einziger deutscher Schwimmer schaffte Biedermann an den ersten drei Wettkampftagen in Rio eine Finalteilnahme. Selbst beim Olympia-Desaster von London waren es zu diesem Zeitpunkt schon drei.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Noch siezt Biedermann seinen Trainer Embacher, der ihn seit Januar 2002 betreut. Ob das nach dem Bierchen in Brasilien anders ist? Abwarten! Eines aber steht von Donnerstag an nicht nur für Britta Steffen fest: „Die Schwimmhose wird durch Badeshorts ersetzt.“

Biedermanns bisherige Medaillen-Flaue ist ein Symbol für das deutsche Rio-Team. Es gab einen neuen "Rekord" zu vermelden. Noch nie zuvor blieb die Mannschaft des wiedervereinigten Deutschlands bei Sommerspielen an den ersten drei Wettkampftagen ohne Edelmetall.

Deutsches Haus: Kurze Trauer, dann wieder Partymusik

Für einen weiteren Tiefpunkt sorgte Fahnenträger Timo Boll mit seinem Achtelfinal-Aus im Tischtennisturnier gegen den Nigerianer Quadri Aruna. „Da müssen wir klar sagen, der Start ist nicht so wie wir uns das gewünscht haben, alles andere wäre schöngeredet“, konstatierte Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds.

Um kurz vor halb elf Ortszeit verfolgte der DOSB-Chef mit den Gästen im Deutschen Haus das 200-Meter-Freistilrennen von Biedermann - nur kurz nach dem Anschlag startete wieder die Partymusik. Zu großen Feiern geben die Olympia-Leistungen der deutschen Athleten allerdings noch keinen Anlass. Um „Geduld“ warb Hörmann eindringlich, sieht sich aber in seiner vorolympischen Zurückhaltung bestätigt: „Es wird verdammt schwer“, sagte der 55-Jährige. „Im Sinne der selbstkritischen Analyse muss man feststellen: Wir haben im Weltsport ein Niveau, das wir in zahlreichen Verbänden nicht mehr vollumfänglich mitgehen können.“

Als Chef de Mission richtet Michael Vesper naturgemäß den Blick auf die kommenden Entscheidungen. „Wir wussten von Anfang an, dass wir gerade an den ersten Tagen nur wenige ernsthafte Chancen haben“, sagte er. „Deshalb lassen wir uns jetzt nicht verrückt machen. Noch haben wir 13 Wettkampftage. Jeden Tag geht die Sonne wieder auf.“