Rio de Janeiro. Absage der Ruderwettbewerbe am Sonntag – Hamburger Wichert und Johannesen am Montag im Einsatz.

Erwartungsfroh waren die Fans in das Lagunenstadion im Stadtteil Leblon gepilgert. Die Aussicht auf spannende Ruderrennen bei strahlendem Sonnenschein und rund 30 Grad Winterwärme ließ die Laune bei den in Nationaltrikots gekleideten und mit Landesfahnen umhüllten Menschen minütlich besser werden – bis um 10.35 Uhr eine Lautsprecherdurchsage zum Stimmungskiller avancierte. Wegen technischer Probleme aufgrund der starken Winde und wechselhafter Wetteraussichten für den Nachmittag wurden alle für den Sonntag geplanten Wettbewerbe abgesagt.

Betroffen von der Entscheidung der Rennleitung war auch Lars Wichert. Der 29-Jährige vom RC Allemannia hatte am Sonnabend mit dem deutschen Leichtgewichtsvierer ohne Steuermann – Leichtgewicht heißt, dass das Durchschnittsgewicht des Teams 72 Kilogramm sein muss und jeder einzelne Athlet 72,5 kg nicht überschreiten darf – den direkten Einzug ins Halbfinale verpasst.

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In ihrem Vorlauf waren Wichert, Jonathan Koch (Frankfurt am Main), Tobias Franzmann (Saarbrücken) und Schlagmann Lucas Schäfer (Marburg) in 6:14,87 Minuten hinter Dänemark, Großbritannien und Griechenland Letzter geworden und hätten am Sonntag zum Hoffnungslauf gegen Kanada, Frankreich und Tschechien antreten müssen. Nur der Letzte scheidet laut Reglement dort aus. Nun soll am Montag (16 Uhr MESZ) gerudert werden.

Die erzwungene Pause nahm Wichert gelassen hin: „Für uns ist das kein großes Problem.“ Schon am Sonnabend waren die Bedingungen auf der Lagune mit dem herrlichen Rundumblick auf Rios Nobelstadtviertel und die sie umgebenden Hausberge grenzwertig gewesen. Der starke Wind hatte dafür gesorgt, dass von beiden Seiten Wasser in die Boote eindrang, und den serbischen Männerzweier sogar zum Kentern gebracht. „Es war wirklich sehr schwierig, die Spur zu halten, weil man immer wieder von der Linie abdriftete“, sagte Wichert, „aber da die Bedingungen für alle Starter dieselben sind, muss man sich damit abfinden.“

Das sieht auch Mario Woldt, Sportdirektor des Deutschen Ruderverbands (DRV), ähnlich. „Glücklich sind wir über die Absagen nicht, aber damit müssen alle klarkommen. Es ist einfach schade, dass Olympische Spiele unter äußerlichen Einflüssen leiden. Schönes Rudern ist so nicht möglich“, sagte er. In Terminnöte dürfte die Komplettabsage die Veranstalter noch nicht bringen. Am Sonntagmittag war der Stand der Planungen der, dass die ausgefallenen Rennen in den Montagskalender integriert werden sollten.

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Angesichts der Wetterkapriolen rückt ein Thema in den Hintergrund, das die Schlagzeilen in den Wochen vor dem Start der Spiele beherrscht hatte: die Wasserqualität. Und tatsächlich hat sich diese in der Lagune gebessert. „Das Wasser sieht sehr klar aus. Auch wenn wir nicht wissen, was für Keime darin zu finden sind, kann ich nur sagen, dass wir alle im Team noch gesund sind, obwohl wir gestern fast baden gegangen sind“, sagte Wichert.

Der gebürtige Berliner, der 2007 nach der Auflösung seiner Charlottenburger Trainingsgruppe nach Hamburg kam, um sein Studium der Gesundheitsforschung aufzunehmen und der Sportkarriere neue Impulse zu geben, hatte vor den Spielen bewegte Wochen erlebt. Beim Weltcup Ende Mai in Luzern, wo die Qualifikation für Brasilien gelang, war Wichert noch Schlagmann gewesen, so wie es die gesamte Saison über Usus war. Nach dem Weltcupfinale im polnischen Posen Mitte Juni wurde er von Trainer Tim Schönberg aber ins Mittelschiff versetzt.

Was viele als Degradierung empfinden würden, buchte Wichert als Optimierung ab. „Wir haben uns gesagt, dass wir für Rio noch an einigen Stellschrauben drehen müssen, und meine Versetzung gehörte dazu“, sagte er. Anstatt nun derjenige zu sein, der den Rhythmus des Schlages vorgibt, ist es seine neue Aufgabe, dem Schlagmann zu folgen und ihm den Rücken freizuhalten. „Dafür gebe ich an Position zwei nun die Kommandos, was ich vorher nicht getan habe. Für mich zählt nur, dass jeder sich dort einbringt, wo er am meisten gebraucht wird.“

Während Lars Wichert immerhin sein erstes Rennen hinter sich hat, wird es für den zweiten Hamburger im deutschen Ruderteam heute erstmals ernst. Eric Johannesen vom RC Bergedorf wird mit dem Achter versuchen, den Goldtriumph von London 2012 zu wiederholen. Um 14.20 Uhr MESZ, so der Plan, muss sich das Paradeboot im Vorlauf gegen die USA und Polen behaupten. Nur der Sieger qualifiziert sich direkt für das Finale am Sonnabend, der Zweite und Dritte müssen am Mittwoch in den Hoffnungslauf.

„Wir wollen uns das auf jeden Fall ersparen, um nicht unnötig Kraft zu verschwenden“, sagte Johannesen, „und wir sind nach den bisherigen Eindrücken auch sicher, dass wir das Potenzial dazu haben, die USA und Polen hinter uns zu lassen.“ Auf die Teilnahme an der Eröffnungsfeier hatten die deutschen Ruderer geschlossen verzichtet. „Wir haben es stattdessen gemeinsam im Athletendorf geschaut. Seitdem ist die Olympiastimmung voll da“, sagte Johannesen, „entsprechend wird es Zeit, dass es losgeht!“ Dann kann der Achter endlich seinen ganz eigenen Sturm entfachen.