Mit 48 Jahren ist der Curler John Jahr in Sotschi der älteste deutsche Olympionike. Für seinen großen Traum hat er sein Leben noch einmal umgekrempelt. Nach den Winterspielen soll dann aber Schluss sein.

Sotschi. Auf sein geliebtes Zigarettchen zwischendurch wollte John Jahr dann doch nicht verzichten. Für den Olympiatraum hat der Hamburger Curler in den vergangenen Monaten zwar noch einmal sein komplettes Leben umgekrempelt, Fitness- sowie Mentaltraining absolviert und sogar die Ernährung umgestellt. Dem blauen Dunst hat er den Kampf allerdings nicht angesagt. Noch nicht.

„Ich muss aufhören, bis ich 50 bin. Das habe ich meiner Frau und meinen Kindern versprochen“, sagte Jahr (48), der Enkel des gleichnamigen Verlegers. Geschworen hat er seiner Familie und sich zudem, dass nach dieser Saison mit der „total spannenden und interessanten Randsportart“ Schluss sein wird. Nach dem EM-Titel 1985, WM-Silber 1987 und der Olympiateilnahme 2014 scheint Jahr gesättigt: „Wat will man da dann noch?“, fragt er deshalb.

Das Wort des vielbeschäftigten Unternehmers hat Gewicht - neben und vor allem auf dem Eis. Der älteste Vertreter der deutschen Olympia-Auswahl ist Skip, im Curling also so etwas wie der Kapitän der fünfköpfigen Mannschaft aus der Hansestadt. Entscheidungen werden dennoch gemeinsam getroffen, denn „die Jungs haben sich weiterentwickelt. Das war auch der Grund, dass ich die Schuhe nochmal vom Nagel genommen habe“, sagt Jahr.

Denn eigentlich hatte er mit dem „Schrubben“ schon abgeschlossen. Der Betriebswirt besitzt eine Immobilienfirma, ist Gesellschafter der Casinos in Hamburg und Wiesbaden und hält selbstverständlich Anteile am Verlag Gruner+Jahr. Für die „Mission Sotschi“ musste er daher sogar erst überredet werden, hatte dann aber das deutsche Team im Eiltempo aus der B-Gruppe in die erste Liga des Curlings zurückgeführt und gerade noch rechtzeitig die Olympia-Qualifikation geschafft. Seitdem ist alles anders im Leben des John Jahr.

„Wir mussten das professionalisieren“, sagt er. Deshalb bringt er morgens erst die Kinder in die Schule, setzt sich dann an den Schreibtisch und schwimmt danach 1000 Meter. „Irgendwie“, erklärt Jahr, „finde ich dann täglich noch zwei Stunden für das Curlingtraining. Und am Wochenende ist es natürlich ein Full-Time-Job.“

Das harte Training zahlt sich angeblich aber aus. „Zu den fittesten Athleten“ zählen seine Teamkollegen, behauptet er. Und während Jahr daher entschieden bestreitet, dass Curling nur ein Altherrensport sei, gibt Bundestrainer Martin Beiser zumindest zu, dass es „nicht beleidigend ist, wenn man uns als Hobbysportler bezeichnet. Wir sind ja alle voll berufstätig. Die Familien und der ein oder andere Arbeitgeber mussten leiden.“

An eine Medaillenplatzierung wollen Jahr und Co. daher gar nicht denken. Kanada, Schottland oder Schweden, die Profiteams also, seien für den Skip die großen Favoriten. „Wir können zwar viele schlagen, aber auch gegen alle verlieren. Vom Papier her sind wir natürlich kein Medaillenaspirant“, sagt Jahr, für den daher auch ein bisschen das olympische Grundprinzip zählt. „Dass wir überhaupt dabei sind, ist ein Erfolg. Wir wollen auf dieser großen Bühne eine gute Figur machen.“ Sein Zigarettchen wird er alleine schon deshalb nur abseits der Eisfläche anzünden.