Außenseiter Didier Defago schlug die Favoriten und holte Gold. Silber ging an Aksel Lund Svindal (Norwegen), Bode Miller (USA) holte Bronze.

Whistler/Vancouver. Wenn man so will, ist die Abfahrt der Männer bei Olympischen Spielen wie eine Tüte Haribo Colorado: Man weiß nie so genau, was alles drin ist, und ob man das bekommt, was man sich erhofft. Wer hätte vor vier Jahren in Turin schon auf Antoine Dénériaz als Sieger getippt, einen mit gerade mal drei mehr als zwei Jahre alten Weltcupsiegen dekorierter Franzosen? Oder 1998 in Nagano auf dessen Landsmann Jean-Luc Crétier, der in seiner Karriere überhaupt kein Weltcuprennen gewann?

Da war es fast ein bisschen enttäuschend, dass Dénériaz für das olympische Rennen gestern in Whistler Creekside sehr konventionelle Tipps abgab: „Didier Cuche, Michael Walchhofer, Bode Miller.“ Am Ende wurde der 33 Jahre alte Ruheständler vom Namen seines Nachfolgers wenn auch nicht völlig überrascht, so doch wenigstens ein bisschen: Neuer Olympiasieger in der prestigeträchtigsten alpinen Disziplin ist Didier Defago.

32 Jahre hat der Schweizer schon auf dem Buckel, und auf der Dave-Murray-Piste wurde er seinem Ruf als Mann für große Rennen gerecht – in der Saison 2008/2009 etwa hatte er die Streif in Kitzbühel und die Lauberhornabfahrt in und Wengen gewonnen, gewissermaßen Grand Slams des Skisports. Mit sieben Hundertstelsekunden Rückstand wurde Aksel Lund Svindal aus Norwegen gestern Zweiter, Platz drei belegte der unverwüstliche Amerikaner Bode Miller (+0,09 Sekunden). „Das ist einer der schönsten Tage in meinem Leben“, jubelte Defago. „Ich fühl’ mich super.“ Warum es nicht der schönste Tag gewesen ist, erklärte Defago später: „In meinen Privatleben habe ich auch sehr, sehr schöne Dinge erlebt. Die Geburten meiner beiden Kinder etwa.“

Dass sich der Hobbyfischer aus Morgins den begehrtesten Titel in seinem Sport angelte, hatte er nicht zuletzt auch den Schwächen seiner höher gewetteten Teamkollegen zu verdanken. Der Weltcupführende in der Abfahrt, Didier Cuche, landete nur auf Rang sechs, der Disziplinzweite Carlo Janka wurde gar Elfter.

Nach zwei Tagen voller Renn- und Trainingsverschiebungen wegen miserablen Wetters hatten die kanadischen Fans auf einen Triumph eines Landsmanns gehofft, doch mehr als Rang fünf für Erik Guay sprang nicht heraus. Robbie Dixon, so etwas wie ein Geheimfavorit in Whistler, schmiss es gar rüde. „Ich hab’ Sch… gefressen, das ist passiert“, fluchte der Kanadier.

Manuel Osborne-Paradis, der an seinem Hausberg mit einem überkühnen Ritt das erste Gold für sein Land in der Abfahrt holen wollte, verpokerte sich als 17. „Ich bin definitiv enttäuscht“, sagte der Mann aus Whistler, „es gibt nur drei Orte, die mich heute glücklich gemacht hätten.“ Allein, das Siegerpodest war an diesem Tag mit deutlich fixeren Leuten belegt.

Mit Bode Miller zum Beispiel. An der famosen Darbietung des Haudegens aus den USA nahmen die 6700 Zuschauer besonders regen Anteil. „Er hat Raketen an den Füßen!“, raunte der Stadionsprecher, nachdem Miller eine Bestzeit nach der anderen aufstellte, und die Menge johlte. Lange Zeit hielt Millers Führung, bis Svindal kam, der am Ende noch von Defago getoppt wurde. Sei’s drum, sagte sich Miller: „Es ist so eine große Erleichterung, eine Medaille erreicht zu haben. Die Tatsache, dass die anderen mich um Hundertstelsekunden geschlagen haben, stört mich überhaupt nicht.“

Millers nächste Chance wartet gleich heute in der Super-Kombination (Super-G plus Slalom). Dem Allrounder, der noch vorigen Sommer mit dem Gedanken an ein vorzeitiges Karriereende mangels Motivation schwanger ging, ist ebenso wie Svindal und auch Defago erneut eine Platz auf dem Treppchen zuzutrauen.

Dort wird der einzige deutsche Starter erneut nichts zu finden sein: Stephan Keppler belegte gestern im Feld der 64 Platz 24.