Christian Gaudin, neuer Coach der HSV-Handballer, fordert beim Trainingsauftakt Verstärkung für den Rückraum. Pascal Hens bleibt Kapitän und begrüßt die Weiterverpflichtung von Torsten Jansen.

Hamburg. „Die Stimmung ist super, das Wetter auch. Das soll ja in Hamburg nicht immer so schön sein. Habe ich mal gehört.“ Christian Gaudin lacht entspannt, als er nach der ersten Übungseinheit seine Eindrücke zusammenfassen soll. Der neue Cheftrainer der HSV-Handballer hat zuvor seine Mannschaft 25 Minuten zum Warmlaufen in den Stadtpark geschickt, um anschließend auf dem Rasen der Jahnkampfbahn Rumpf und Rücken zu stabilisieren. Gaudin, 47 Jahre alt, macht alle Übungen selbst vor, später ergänzt Physiotherapeutin Jenny Köster das lockere Gymnastikprogramm. Gaudins erster Endruck von seinem Team: „Die Spieler sind sehr professionell. Sie scheinen sich im Urlaub alle an die Trainingspläne gehalten zu haben, die der Verein ihnen mitgegeben hatte.“

Als letzter Club der Handball-Bundesliga startete der HSV am Montagmorgen in eine Saison voller Ungewissheit und Unabwägbarkeiten, vielleicht die schwierigste seiner bisherigen Geschichte. Erst vor 21 Tagen hat der Champions-League-Sieger des Vorjahres die Lizenz für die neue Spielzeit erhalten, und es sind nach dem letztinstanzlichen Urteil des Schiedsgerichts nicht immer die freundlichsten Kommentare, die die Hamburger aus der Liga zu hören bekommen. Vereinssprecher Michael Freitag schwört das Team bei seiner Begrüßungsansprache deshalb auf die besonderen Herausforderungen ein: „Wir werden in fremden Hallen vielleicht noch heftiger ausgepfiffen als früher, auch wenn wir hinterher wieder stundenlang Autogramme schreiben dürfen. Das heißt für uns vor allem eins: Wir müssen als Mannschaft noch enger zusammenrücken und nach außen geschlossen auftreten. Nur so können wir bestehen!“

Das finanzielle Überleben sichert einmal mehr der ehemalige Präsident Andreas Rudolph, und nach der Verpflichtung Torsten Jansens, 37, am späten Sonntagabend stehen schon wieder 17 Profis unter Vertrag. Einer aber fehlt beim Aufgalopp: Kreisläufer Andreas Nilsson, 24. Der bullige Schwede rangiert beim ungarischen Meister MKB Veszprém ganz oben auf der Wunschliste, und wenn Nilsson zuletzt auch wiederholt beteuerte, gern in Hamburg bleiben und seinen Vertrag bis zum 30. Juni 2016 erfüllen zu wollen, es gibt für Handballspieler eben Angebote, die man kaum ablehnen kann. Denn in Veszprém gelten inzwischen jene Grundsätze, die auch den HSV jahrelang prägten: Geld spielt keine Rolle. Geht Nilsson, darf sich der HSV wenigstens auf eine Ablösesumme freuen, die nicht unter 250.000 Euro liegen sollte.

Nicht nur angesichts dieser Personalie mahnt nun Gaudin: „Wir brauchen noch ein paar gute Spieler, aber der Verein weiß das.“ Der Rückraum ist mit Kapitän Pascal Hens, 34, Spielmacher Kentin Mahé, 23 und dem Halbrechten Adrian Pfahl, 31, zwar qualitativ gut, quantitativ aber massiv unterbesetzt, sollte Nilsson den Verein verlassen, bis Mittwoch muss die Entscheidung fallen, auch der Kreis mit Henrik Toft Hansen, 27. An Angeboten mangelt es dem Verein nicht. Spieleragenten, die um die Not der Hamburger wissen, werden nicht müde, ihre Klienten anzupreisen. Mehr als 40 Angebote stapeln sich inzwischen auf der Geschäftsstelle. „Die, die wir suchen, sind im Moment nicht darunter, jedenfalls nicht zu akzeptablen Preisen“, sagt Jens Häusler, der auch in der neuen Saison als Co- und U23-Trainer arbeiten wird. Vor Oktober werde der Markt wenig Interessantes zu bieten haben. Geduld sei gefragt, empfiehlt Häusler.

Die Mannschaft ficht diese Problematik derzeit nicht an. „Wir Spieler tragen nach den Turbulenzen der vergangenen Wochen und Monate alle wieder ein Lächeln im Gesicht. Wir sind froh, dass wir alle hier sein und im schönen Stadtpark unseren Trainingsauftakt abhalten dürfen“, sagt Rechtsaußen Stefan Schröder, 33. Torhüter Johannes Bitter denkt ähnlich: „Wir sind alle froh, dass es weitergeht. Die ganze schwere Zeit schweißt auch stark zusammen. Das kann uns in der nächsten Saison auszeichnen, dass wir jetzt ein sehr, sehr enger Kreis von Leuten sind, der auch unbedingt hierbleiben wollte und dem der HSV am Herzen liegt. Wir werden sicher nicht in der ersten Saison deutscher Meister, aber wer mich kennt, weiß, dass ich nicht im hinteren Mittelfeld mitspielen will.“

Das Urteil über den neuen Coach fällt bei allen wohlwollend aus. „Ich kenne ihn erst einen Tag, aber der erste Eindruck ist gut“, sagt Schröder. „Er kommt positiv rüber“, empfindet Hens, „ein sehr netter Mensch.“ Und Bitter erkennt schon erste Verdienste des Franzosen: „Der Trainer hat das Wetter von der Côte d’Azur mitgebracht.“ Seine Ehefrau, eine Lehrerin, die drei Handball spielenden Kinder und die zwei Hunde aber noch nicht. „Die kommen nach“, sagt Gaudin, „aber dafür muss ich hier erst mal Erfolg haben und länger bleiben dürfen.“ Gaudins Vertrag endet bislang am 30. Juni 2015.