Die finanziell angeschlagenen Hamburger gewinnen beim VfL Gummersbach mit 31:25. Bundesliga kritisiert Geschäftsgebaren des Vereins.

Hamburg. Am späten Mittwochnachmittag machte sich Matthias Rudolph auf den Weg nach Gummersbach. Handballspiele des VfL gegen den HSV hat sich das Aufsichtsratsmitglied der Hamburger noch nie entgehen lassen, zumal er es nicht weit hat bis zu seiner Geburtsstadt, von seinem Wohnort Bochum sind es nicht einmal 100 Kilometer. Dieses Bundesligaspiel war indes eine Premiere: sein erster Auftritt als Geschäftsführer des HSV Hamburg.

Das Amt war Rudolph, 55, am Vorabend zugefallen, nachdem sein Bruder Andreas, 58, der Präsident und Financier des Champions-League-Siegers, Geschäftsführer Christoph Wendt fristlos entlassen hatte. Solange es keinen Nachfolger gibt, ist nun Matthias Rudolph als Hauptgesellschafter der Spielbetriebs-GmbH in der Verantwortung. In der Praxis aber werde man ihn nicht in dieser Funktion erleben: „Ich wohne 400 Kilometer entfernt und habe mit meinen Apotheken genug zu tun.“

Was die Rudolphs, auch Bruder Andreas war zugegen, in der Schwalbe-Arena zu sehen bekamen, wird ihnen gut gefallen haben. Der HSV zeigte von Beginn an eine konzentrierte Leistung und gewann beim VfL Gummersbach mit 31:25 (16:12). Der Sieg hätte noch höher ausfallen können, doch sechs freie Würfe, zwei Siebenmeter (Joan Cañellas) und eine Zehntoreführung (28:18/49. Minute) wurden vergeben.

Neben dem Feld bleibt der HSV im Tagesgeschäft führungslos. Wendt verabschiedete sich am Mittwoch von den Mitarbeitern der Geschäftsstelle. Sieben Angestellte mit unbefristeten Verträgen hatten von Andreas Rudolph eine fristgerechte Kündigung erhalten. Je nach Betriebszugehörigkeit endet damit für einige ihre Zeit beim HSV bereits in wenigen Wochen, die meisten aber werden wohl weiterbeschäftigt.

Das Team war vergleichsweise verschont geblieben. Wie immer. Die Verträge der sechs Profis, deren Kontrakte am 30. Juni auslaufen und die bisher keinen neuen Verein haben, werden vorerst nicht verlängert. Allerdings dürfen die Linksaußen Matthias Flohr und Torsten Jansen – eventuell auch als Trainer – auf neue Vereinbarungen mit dem HSV hoffen. Rechtsaußen Stefan Schröder steigt in die Vermarktung ein. Für Davor Dominikovic, Blazenko Lackovic und Zarko Markovic scheint dagegen kein Platz mehr im Kader zu sein.

Er würde dann auf die branchenübliche Größe von 14 schrumpfen. Der Luxus von 17 Topspielern ist, neben rückläufigen Zuschauerzahlen und Sponsorenzahlungen, der Hauptgrund für die bedrohliche finanzielle Lage, die Andreas Rudolph Dienstag skizziert hatte. Bis zum Saisonende fehlen etwa zwei Millionen Euro, die der Präsident einmal mehr selbst begleichen muss – wie er es in den vergangenen neun Jahren stets getan hat. Anders war das Team nie zu finanzieren. Zuletzt hatte Rudolph aber wiederholt in den Gremien gedroht, seine Zahlungen einzustellen.

Praktisch alle Spielerverträge und Verpflichtungen hatte er freilich selbst ausgehandelt, zumindest aber abgesegnet. Den Profis will der Chef jedoch weiter nicht ans Portemonnaie, nachdem Ende 2012 ein freiwilliger Gehaltsverzicht um 20 Prozent nicht zustande gekommen war. Entsprechend wenig Verständnis brachte Bundesliga-Geschäftsführer Frank Bohmann für die Situation auf: „Wer so ein Defizit erwirtschaftet, hat über seine Verhältnisse gelebt. Das ist eine Milchmädchenrechnung.“ Frank Steffel, Präsident der Füchse Berlin, mahnte eine „seriöse betriebswirtschaftliche Refinanzierung“ des Spielbetriebs in Hamburg an.

Es gab jedoch auch Unterstützung. Thorsten Storm, Manager der Rhein-Neckar Löwen, bemängelte, der unrhythmische Spielplan und die Schwäche der anderen europäischen Ligen stelle eine Bedrohung der hiesigen Spitzenklubs dar: „Spieler und Vereine sind Premium, die Rahmenbedingungen verhindern den Fortschritt.“ Klaus Elwardt, Geschäftsführer des THW Kiel, fand sogar lobende Worte für Rudolph („Ich kann nur den Hut vor ihm ziehen, dass er weitermacht“) und zeigte sich erleichtert darüber, dass der HSV die Mannschaft nicht abgemeldet hat.

Laut Rudolph ist auch die Lizenz für 2014/15 nicht in Gefahr. Seine Zusagen zum geplanten Acht-Millionen-Etat muss er diesmal schon zum 1. März schriftlich abgeben, so will es das neue Zulassungsverfahren. Dazu ist er bereit. Rudolph will die nächste Zeit nutzen, um sich einen Überblick über die Finanzen zu machen. HSV-Buchhalter Sven Fahrenkrug zieht deshalb von der Geschäftsstelle am Volkspark in Rudolphs Medizinfirmensitz nach Ahrensburg. Matthias Rudolph sieht auch die Öffentlichkeit in der Pflicht: „Hamburg soll nicht glauben, dass die Familie Rudolph immer alles bezahlt. Die Stadt muss entscheiden, ob sie Spitzenhandball will.“ Allerdings sei auch die sportliche Ausbeute enttäuschend: „Wir sind in Meisterschaft und Pokal aus dem Rennen, obwohl wir neben Barcelona den besten Kader haben.“

Die Statistik

Tore, VfL Gummersbach: Andreas Schröder 11, Bult 5 (3 Siebenmeter), von Gruchalla 2, Putics 2, Kopco 2, Schindler 1, Larsson 1, Santos 1

HSV Hamburg: Duvnjak 6, Stefan Schröder 5, Hens 4, Cañellas 4 (2), Pfahl 3, Nilsson 3, Mahé 2 (1), Jansen 2, Lackovic 1, Dominikovic 1

Schiedsrichter: Blümel/Loppaschewski (Berlin)

Zuschauer: 4000

Zeitstrafen: 2; 4

Rote Karte: Putics (Gummersbach) wegen groben Foulspiels an Stefan Schröder (55.)

Siebenmeter: 3 (3 verwandelt); 5 (3). Torhüter: Lichtlein 5 Paraden/33 Würfe, Puhle 1/4; Bitter: 6/22, Cleverly 5/14.