HSV-Handball-Trainer Martin Schwalb über das Champions-League-Halbfinale in Köln und den Konkurrenten THW Kiel.

Hamburg. Martin Schwalb lächelt. Nur wenige Anlässe scheinen seine permanent gute Laune noch trüben zu können. Vor zwei Jahren, als er als Trainer mit den HSV-Handballern deutscher Meister wurde, sei ein riesiger Druck von ihm abgefallen, erzählt der 50-Jährige. Auch dem Champions-League-Halbfinale am Sonnabend (18 Uhr, Eurosport) in Köln gegen Titelverteidiger und Rekordmeister THW Kiel sieht er optimistisch entgegen: "Wir sind gut vorbereitet, die Jungs werden alles geben. Dann werden wir sehen, ob das reicht." Im ersten Halbfinale (15.15 Uhr) trifft der polnische Meister KS Kielce auf den FC Barcelona. Das Endspiel findet am Sonntag um 18 Uhr statt, das Spiel um Platz drei um 15.15 Uhr.

Hamburger Abendblatt: Herr Schwalb, 14 Männer spielen Handball, und egal wie hoch der HSV auch führt, am Ende gewinnt immer der THW Kiel.

Martin Schwalb: Das ist allein schon faktisch falsch. Wir haben gegen den THW bereits zahlreiche Spiele gewonnen.

Zuletzt haben Sie sieben in Folge verloren.

Schwalb: Die Kieler sind die größtmögliche Aufgabe, die sich uns im Halbfinale in den Weg stellt. Wir sind jedoch weit davon entfernt, uns über irgendwelche Statistiken Gedanken zu machen. Wir beschäftigen uns damit, wie wir am Sonnabend unsere bestmögliche Leistung aufs Parkett bringen. Schaffen wir das, wird es für jede Mannschaft der Welt schwer, gegen uns zu gewinnen.

Sie befürchten keinen psychologischen Nachteil?

Schwalb: Im Gegenteil. Die beiden Bundesligaspiele in dieser Saison haben uns gezeigt, dass wir auf höchstem Niveau mit den Kielern mithalten können. Richtig ist: Wir müssen noch einen Zacken zulegen, um Ende als Sieger vom Feld zu gehen. Diese Qualität haben wir.

Was unterscheidet den HSV vom THW?

Schwalb: Wir haben eine andere Art Handball zu spielen. Wir kommen im Angriff mehr über gemeinsame Aktionen, mehr über Spielzüge. Auch in der Abwehr treten wir taktisch anders auf als die Kieler, obwohl wir ähnliche Deckungssysteme spielen. Entscheidend wird sein, ob wir körperlich über 60 Minuten dagegenhalten können. Da sind die Kieler leicht im Vorteil.

Was unterscheidet die beiden Vereine?

Schwalb: Die Kieler haben uns ein Vierteljahrhundert Erfahrung im Spitzenhandball voraus. In den vergangenen neun Spielzeiten sind sie achtmal deutscher Meister geworden, nur der HSV hat 2011 diese Erfolgsserie unterbrechen können. In Kiel sind viele Abläufe selbstverständlicher, unaufgeregter als bei uns. Wir sind noch Lernende, wenn es darum geht, um Titel zu spielen und sie dann auch zu gewinnen. Das sind Prozesse, in denen Mannschaft und Verein reifen. Mancher bei uns hat diese Schwierigkeiten in der Vergangenheit unterschätzt. Inzwischen ist der HSV in seinen Strukturen ähnlich professionell aufgestellt wie die Kieler.

Nach dem Teilrückzug Ihres ehemaligen Präsidenten Andreas Rudolph fehlen Ihnen jetzt nur die finanziellen Mittel, um den THW herausfordern zu können.

Schwalb: Dem THW ist es stets gelungen, die Abgänge guter Spieler durch die Zugänge besserer zu kompensieren. Das setzt eine über Jahre hohe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit voraus, die uns in dieser Konstanz noch fehlt. Wir müssen über größtmögliche Erfolge darum kämpfen, damit uns Sponsoren und Zuschauer treu bleiben. Dieser Kampf ist in Kiel leichter zu führen als in Hamburg, wo der zu verteilende Kuchen zwar weitaus voluminöser ist, aber es um ihn auch unzählig mehr Mitbewerber aus dem Sport, der Kultur und anderen Bereichen gibt. Da hat der THW einen klaren Standortvorteil.

Hat Handball in einer Großstadt auf Dauer überhaupt eine Chance, um sich gegen die Masse der konkurrierenden Angebote zu behaupten?

Schwalb: In einer Großstadt musst du die Zuschauer immer wieder locken. Auch wenn die Hamburger ungewöhnlich sportbegeistert sind, so ist es doch keine Selbstverständlichkeit, dass sie regelmäßig zum Handball kommen. In Kiel ist es dagegen fast ein Ritual, zum THW zu gehen. Diese Position in der Stadt hat sich der Club über Jahre erarbeitet. Ich bin davon überzeugt, dass auch Hamburg eine Handballstadt ist. Dafür muss man sich nur die Begeisterung anschauen, die wir in den vergangenen Jahren hervorgerufen haben. Wir haben, obwohl wir keine berauschende Saison gespielt haben, einen Zuschauerschnitt von 9200. Das ist nach dem THW Kiel der zweitbeste der Liga. Es gibt in Deutschland nur ganz wenige Clubs außerhalb des Fußballs, die solch einen Zuspruch schaffen.

Sie machen in Ihrer zweiten Vereinsfunktion als Geschäftsführer des HSV Hamburg auch Ihre Erfahrungen mit Sponsoren. Wie schwierig ist es, Unternehmen für den Handball zu begeistern?

Schwalb: Wer einmal bei uns in der Halle war, der ist von der Dynamik unseres Sports fasziniert und kann sich grundsätzlich vorstellen, sich bei uns zu engagieren. Meine Erfahrungen mit Sponsoren sind ausschließlich positiv.

Zu Abschlüssen ist es dennoch nie gekommen. Warum nicht?

Schwalb: Auch das ist ein Prozess. Der Zeitpunkt muss für das Unternehmen stimmen. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten wollen Entscheidungen noch sorgfältiger überlegt sein. Es gibt jedoch keinen Grund zum Klagen. Wir haben eine Vielzahl renommierter Sponsoren. Natürlich könnten wir zwei, drei mehr gebrauchen. Aber welcher Verein außer dem FC Bayern ist in Deutschland nicht auf der Suche nach weiteren Partnern. Wir haben einen guten Etat, keinen überragenden, und wenn uns noch ein bisschen mehr Geld zur Verfügung stünde, würde uns das auch sportlich helfen. Wir müssen deshalb als Verein in der Sponsorenakquise personell aufrüsten. Früher haben sich bei uns fünf Leute darum gekümmert, zuletzt waren es mit unserem Geschäftsführer Christoph Wendt und mir als Trainer im Hauptberuf gerade noch anderthalb.

Inwieweit macht der Fußball Ihnen das Geschäft kaputt?

Schwalb: Jeder anderen Sportart gräbt der Fußball Sponsoren ab. Das muss man akzeptieren. Fußball ist Volkssportart Nummer eins, da steckt eine ganz andere Wucht hinter. Ein Unternehmen kann sich aber auch über den Handball ausgezeichnet positionieren - und das bei einem hervorragenden Preis-Leistungs-Verhältnis. Ich bin überzeugt dass der HSV Handball seinen Stellenwert in Hamburg hat, weil wir das Neue, das Frische, das Dynamische repräsentieren. Das hat Charme.

Aufgefrischt wird erst einmal die Mannschaft für die nächste Saison. Hat der HSV seinen sportlichen Umbruch nicht zu spät eingeleitet?

Schwalb: Nein. Wir hatten Verträge mit Spielern, die wir einzuhalten hatten. Das waren Spieler, mit denen wir große Erfolge gefeiert haben und feiern werden. Unser Problem in der vergangenen wie in dieser Saison war das unglaubliche Verletzungspech. Das hat zu einer noch stärkeren Belastung der gesunden Spieler geführt. In diesem Teufelskreis befinden wir uns seit zwei Jahren.

Bei einer Mannschaft mit vielen älteren Spielern sind häufige Verletzungen nicht ungewöhnlich.

Schwalb: Dass sich ein Blazenko Lackovic den Zeigefinger seiner Wurfhand gleich zweimal bricht, hat nichts mit dem Alter zu tun. Allein bei Torsten Jansen sind die Verletzungen wohl auf Verschleiß zurückzuführen.

Sie sind jetzt im achten Jahr beim HSV und, wie ihr Flensburger Trainerkollege Ljubomir Vranjes sagt, die "Seele des Vereins". Wie wichtig ist Kontinuität für den Erfolg eines Clubs?

Schwalb: Kontinuität ist der alles entscheidende Faktor. Man muss sich dafür nur den FC Bayern ansehen. Der Club hat es immer wieder verstanden, verdiente Spieler in die Arbeit einzubinden. Das erhöht nach innen und außen die Identifikation mit dem Verein, was dazu führt, dass jeder noch ein bisschen mehr leistet. Ich plädiere deshalb dafür, dass beim HSV Handball Leute wie Matthias Flohr oder Pascal Hens nach ihrem Karriereende den Club weiter repräsentieren. Matti könnte als Mathe- und Sportlehrer die Kontakte zu den Schulen intensivieren, Pascal wäre ein Trumpf in der Jugendarbeit.

Wie sieht Ihre künftige Rolle aus?

Schwalb: Ich freue mich riesig darauf, in der nächsten Saison mit unserer "New Generation" einen Angriff auf weitere Titel zu starten. Wir wollen in den nächsten zwei, drei Jahre eine Mannschaft entwickeln, die wieder deutscher Meister werden kann und die Champions League gewinnt. Das ist ambitioniert, aber unser Club lebt damit sehr gut, dass er große Ambitionen pflegt.

Die Champions League hätten Sie schon 2011 gewinnen können, wenn Sie nicht zuvor die deutsche Meisterschaft auf Mallorca ausgiebig gefeiert hätten.

Schwalb: Das ist dummes Zeug, da wurden reflexartig Klischees bedient. Natürlich gab es einen gewissen Spannungsabfall, weil in jener Saison die Meisterschaft das alles dominierende Ziel war. Im Halbfinale der Champions League kann man aber gegen eine Weltklassemannschaft wie Ciudad Real verlieren. Dass der Wille in der Mannschaft vorhanden war, zeigt doch, dass wir trotz dieser Enttäuschung am nächsten Tag im Spiel um Platz drei die Rhein-Neckar Löwen besiegt haben.