Es war eine Frage der Kraft: Der HSV Hamburg gewinnt Viertelfinalhinspiel der Handball-Champions-League 32:26 bei der SG Flensburg-Handewitt.

Flensburg. Der Schock nach der ersten Heimniederlage in dieser Saison saß tief. 20 Minuten lang traute sich kein Flensburger aus der Kabine. Nach dem 26:32 (14:15) im Viertelfinalhinspiel der Champions League gegen den HSV bestand bei der Mannschaft von Ljubomir Vranjes großer Gesprächsbedarf. "Wir haben vieles falsch gemacht", sagte der Trainer später, "aber vor allem hat uns die Kraft gefehlt. Die Ausgangslage für das Rückspiel am nächsten Sonntag in Hamburg ist jetzt nicht gerade optimal." Was Vranjes besonders ärgerte: In der zweiten Halbzeit führte Flensburg 21:17, bevor sein Team einbrach. HSV-Trainer Martin Schwalb war dann auch gewohnt zurückhaltend bei der Bewertung der Chancen: "Uns steht noch ein harter Weg bevor, um das Final Four in Köln zu erreichen. Flensburg hat uns zu Beginn beider Halbzeit erhebliche Probleme bereitet."

Die Hamburger ließen gleich zu Beginn gar nicht erst trübe Gedanken an die guten Torwartleistungen des Flensburgers Mattias Andersson im verlorenen Pokalhalbfinale (25:26 nach Verlängerung) aufkommen. Die ersten drei Würfe des starken Pascal Hens, zweimal, und von Torsten Jansen, fanden den Weg am Schweden vorbei ins Netz, weil aber die HSV-Abwehr ihre Gegenspieler anfangs nicht in den Griff bekam, konnten die Flensburger sofort Kapital aus den ersten Fehlwürfen der Hamburger schlagen. 10:6 führte der deutsche Vizemeister nach 15 Minuten. HSV-Torhüter Johannes Bitter hatte zu diesem Zeitpunkt erst zwei Bälle parieren können, insgesamt sollte er jedoch mehr Würfe halten als Andersson. Kurz darauf kassierte Kreisläufer Igor Vori seine zweite Zweiminutenstrafe, was fortan die Deckungsarbeit erschwerte. Der überragende Blazenko Lackovic musste jetzt verstärkt im Mittelblock aushelfen. Vori hat zurzeit unter den Schiedsrichtern kaum Freunde. Aber es wirkt nun mal wenig filigran, wenn der 2,03 Meter große Kroate seine 110 Kilogramm Gewicht ins Spiel bringt.

Trotz der Rückschläge kehrte der HSV zurück, ließ sich von der zwischenzeitlichen Ergebniskrise nicht aus dem Konzept bringen. Und das hieß: nur keine Hektik ins Spiel bringen, Vertrauen in die eigenen Stärken zeigen. Erst hielt Bitter einen Siebenmeter von Anders Eggert, dann hämmerte Domagoj Duvnjak den Ball aus elf Metern zum 13:13 (28.) ins Tor. Im nächsten Angriff gelang Matthias Flohr vom Kreis das 14:13. "Wir haben die Konzentration immer hochgehalten", sagte Lackovic. Zur Pause lag der HSV mit 15:14 vorn.

Das änderte sich nach dem Seitenwechsel schnell. Den Flensburgern gelangen vier Treffer zum 18:15 in Folge, ehe Lackovic in der 36. Minute für den HSV erstmals wieder Andersson aus dem Rückraum überwand. Zum Signal zur Aufholjagd wurde dieser Treffer zunächst nicht. Vielmehr nutzten die Flensburger ihre Chancen konsequent, während den Hamburgern vermehrt technische Fehler unterliefen. In der 42. Minuten erhöhte Petar Djordjic gegen seinen künftigen Club auf 21:17.

Handballduelle zwischen Flensburg und Hamburg sind in dieser Saison aber immer eine spannende Angelegenheit, sodass selbst ein höherer Vorsprung auf der einen oder anderen Seite oft nur eine kurze Halbwertszeit hat. Die nächste Wende sollte daher nicht lange auf sich warten lassen - und sie wurde die entscheidende. Der HSV schaffte nach einer Auszeit von Trainer Schwalb mit 10:1 Treffern binnen acht Minuten (43.-51.) erneut das Comeback, der nimmermüde Duvnjak glich in der 46. Minute zum 21:21 aus, und Vori zeigte danach, was er noch alles kann: Mit zwei Treffern warf er den HSV mit 25:22 in Front (49.). Und Torwarttalent Max-Henri Herrmann hielt im Gegenzug den Dreitorevorsprung fest, als er Eggerts Siebenmeter parierte.

Die Moral der Flensburger war gebrochen, die Hamburger hatten in den letzten zehn Minuten ungewohnt leichtes Spiel, was sie dazu nutzten, noch einen komfortablen Vorsprung fürs Rückspiel herauszuwerfen. "Sechs Tore klingen viel, doch im Handball ist eine solche Führung manchmal in Nullkommanichts dahin. Wir sind gut beraten, weiterhin seriös zu bleiben. Am nächsten Sonntag müssen wir wieder viel Leidenschaft zeigen", mahnte Schwalb.

Tore, Flensburg: Djordjic 6, Mogensen 5, Weinhold 5, Eggert 5 (3 Siebenmeter), Heinl 2, Glandorf 1, Svan Hansen 1, Knudsen 1; Hamburg: Duvnjak 6, Hens 6, Lackovic 6, Vori 4, Lijewski 3, Jansen 2, Lindberg 2 (1), Flohr 1, Petersen 1, Nilsson 1. Schiedsrichter: Mazeika/Gatelis (Litauen). Zuschauer: 5000. Zeitstrafen: 4; 5. Viertelfinale, Hinspiele: Atlético Madrid - FC Barcelona 25:20, Skopje - Kielce 25:27, THW Kiel - Veszprem 32:31