Im heutigen Verfolgerduell zwischen Berlin und dem HSV wird ein Problem des Handballs offenkundig: Er fordert zu viele Verletzte.

Hamburg. Da war Domagoj Duvnjak gerade so schön im Rhythmus, und dann das: Innenbanddehnung im Knie. In der Nacht nach dem Spiel gegen León am Donnerstag hatte das Gelenk zu schmerzen begonnen, und weil es nicht damit aufhörte, erlebte der Spielmacher den 32:19-Sieg der HSV-Handballer am Sonntag gegen Balingen als Zuschauer. Heute im Verfolgerduell bei den Füchsen Berlin (19 Uhr/Sport1) will Duvnjak wieder mitmischen. Eine Schmerz stillende Spritze soll es möglich machen. Ob ihm die Pause gut getan habe, nach all den Strapazen der letzten Wochen? "Ich hätte lieber gespielt."

Duvnjak, 24, gilt nicht umsonst als Ausnahmehandballer. Mit der Beständigkeit einer Maschine arbeitete der Kroate ein in der Tat unmenschliches Pensum ab, immer mitten im Geschehen, immer am Anschlag. Es gibt wenige Handballer auf seinem Niveau und offenbar noch weniger, denen eine solche Belastung zuzumuten ist. Das wird sich heute auch hinter den beiden Mannschaftsbänken erkennen lassen. Mindestens sechs Topspieler können aufgrund von Verletzungen nur zuschauen: den Berlinern fehlen die Nationalspieler Sven-Sören Christophersen und Markus Richwien, den Hamburgern Johannes Bitter, Blazenko Lackovic, Oscar Carlén und Torsten Jansen. Zudem drohen Berlins Kapitän Torsten Laen und Ivan Nincevic auszufallen.

Derzeit vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendwo auf der Handballwelt ein prominenter Verletzter vermeldet wird. Dass die Zuspitzung Zufall ist, glaubt niemand: Die Beanspruchung für die Profis ist seit Jahren zu hoch, erst recht in olympischen wie diesem. Ein Nationalspieler kommt auf etwa 80 Partien in einer Saison, so hat es die "Handball-Woche" kürzlich vorgerechnet. Zu viel, darin sind sich alle einig. Und auch darin, wo der Rotstift angesetzt werden soll: bei den anderen. Bundestrainer Martin Heuberger plädiert für eine Reduzierung der Bundesliga auf 16 Vereine. Die Bundesliga setzt auf die Streichung mindestens eines der im jährlichen Wechsel stattfindenden Turniere. Und Europa- und Weltverband würden gern alles so lassen, wie es ist.

Berlins Manager Bob Hanning ist bereit, über eine Reduzierung der Liga zu reden. "Allerdings müssten dann die Gehälter proportional zu den Einnahmen sinken." Es ist zu bezweifeln, dass der Vorschlag viele Anhänger findet. Die Spielergewerkschaft Goal, deren Vorstand und Mitgründer Hamburgs Torwart Bitter ist, hat die Verringerung der Turniere zu einer ihrer Hauptaufgaben erklärt. Doch sie vertritt bislang nicht genügend Topprofis, um wirksamen Widerstand, etwa in Form eines Boykotts, zu organisieren.

Dabei werden gerade sie "ausgequetscht wie Zitronen", wie es HSV-Trainer Martin Schwalb formuliert hat. Er hat einigen seiner Spieler nahegelegt, auf die WM im Januar in Spanien zu verzichten. Bei Igor Vori rannte er mit seinem Vorstoß offene Türen ein: Der kroatische Kreisläufer hat seine Teilnahme freiwillig abgesagt. Die SG Flensburg-Handewitt ging einen Schritt weiter und hat den Vertrag mit Michael Knudsen nur unter der Bedingung verlängert, dass der dänische Kreisläufer von einer WM-Teilnahme absieht. Bei seinem Landsmann Thomas Mogensen bedurfte es keiner Erpressung, der Spielmacher hat sich für das Turnier selbst abgemeldet.