Der Ex-Meister plant die Zukunft. Das Team wird zur nächsten Saison weiter verjüngt. Verträge mit Vori und Kraus sollen aufgelöst werden.

Hamburg. Oliver Dierk und Lars Witthöft sind die Mannschaftsärzte des Handball-Sport-Vereins Hamburg. Gewöhnlich praktizieren die beiden Mediziner im Hintergrund, in dieser Saison kommt ihnen jedoch eine Hauptrolle im Spielbetrieb zu. Ständig neue Verletzte gilt es zu kurieren, am Montag meldete sich mit Pascal Hens ein alter Patient in der Praxis zurück. Den Mannschaftskapitän plagten erneut Schmerzen in der Fußsohle. Ein Muskelfaserriss schien ausgeheilt, vor dem Champions-League-Spiel am Sonntag in Flensburg (26:29) kehrten die Probleme zurück. Dierks Diagnose: Sehnenreizung im Fuß infolge der jüngsten Überbelastungen. Hens' Einsatz im Champions-League-Gruppenspiel am Donnerstag gegen den spanischen Spitzenklub Ademar León (20 Uhr, Sporthalle Hamburg) entscheidet sich deshalb erst nach dem Einwerfen.

Der deutsche Handballmeister des Jahres 2011 hat inzwischen auf den ständigen Ausfall seiner Leistungsträger reagiert. Die notwendige Verjüngung der ältesten Bundesliga-Mannschaft wird von Gesellschafter Andreas Rudolph, Präsident Matthias Rudolph und Trainer Martin Schwalb mit Nachdruck betrieben. Und inzwischen hat das Team auch ein Gesicht, mit dem der HSV von der nächsten Spielzeit an wieder um Meisterschaft und Pokale kämpfen will. "Wir sind, wenn alles klappt, für die kommenden Jahre sehr gut aufgestellt", sagt Matthias Rudolph. Die Blutauffrischung hat auch den erhofften finanziellen Nebeneffekt. Kostete die Meistermannschaft der Saison 2010/2011 noch rund 7,5 Millionen Euro an Gehältern und Versicherungen, müssten für das sportliche Personal des neuen HSV nur noch etwa 5,5 bis 6,0 Millionen Euro aufgewendet werden.

Mehrere Neuverpflichtungen stehen bereits fest. Der Gummersbacher Linkshänder Adrian Pfahl wird vom nächsten Sommer an den zuletzt halb verwaisten rechten Rückraum verstärken. Zwar wird Pfahl im nächsten Juli bereits 31, doch weil er spät zum Leistungssport und erst mit 28 in die Nationalmannschaft kam, sollte er körperlich mehr Reserven haben als seine gleichaltrigen Kollegen. Neben ihm setzt Trainer Schwalb (Vertrag bis 2015) auf die Genesung des Schweden Oscar Carlén und die Entwicklung des serbischen Talents Stefan Terzic. Verlassen wird den HSV auf dieser Position Marcin Lijewski, 35. Der Pole kehrt wahrscheinlich in seine Heimat zurück.

Für den Kreis ist sich der HSV mit Henrik Toft Hansen einig. Der Däne würde sich mit dem Schweden Andreas Nilsson ergänzen. Dafür soll Igor Vori, 32, gehen. Der Kroate (Vertrag bis 2014) ist dem HSV zu teuer und nicht mehr konstant genug in seinen Leistungen. Vori soll mehrere Angebote aus dem Ausland haben, der ungarische Meister MKB Veszprém bietet ihm angeblich einen Dreijahresvertrag plus Option.

Als Spielmacher ist Domagoj Duvnjak (Vertrag bis 2014) gesetzt. Der Kroate ist momentan der mit Abstand stärkste und zuverlässigste Spieler im HSV-Kader. Kentin Mahé könnte sein Nachfolger oder Partner werden. Der Gummersbacher war sich mit dem HSV über einen Wechsel spätestens zum Sommer 2014 einig, jetzt soll der französische Nationalspieler jedoch Bedenken haben, ob er die richtige Entscheidung getroffen hat. Von Michael Kraus (Vertrag bis 2014) will sich der HSV dennoch vorzeitig trennen. Der Weltmeister von 2007 hat in Hamburg nicht die erhofften Leistungen gebracht und fehlte zudem oft verletzt oder krank. Sein Stammklub Frisch Auf Göppingen zeigt Interesse an Kraus' baldiger Rückkehr und bietet dem 29-Jährigen eine Perspektive nach der Karriere.

Auf Halblinks steht der HSV vor einer Einigung mit Petar Djordjic von der SG Flensburg-Handewitt. Der gebürtige Serbe, der die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt hat, kuriert im Moment ebenfalls einen Kreuzbandriss aus. Mit Pascal Hens (Vertrag bis 2015) und Blazenko Lackovic (bis 2014), dessen erneuter Fingerbruch gestern erfolgreich operiert wurde, sind die Hamburger auf dieser Position noch doppelt besetzt, in dieser Saison war jedoch meist nur einer der beiden einsatzbereit. Für Djordjic sprechen trotz der hohen Gehaltsforderungen seines Beraters Alter und sportliches Potenzial.

Im Tor, daraus macht Präsident Matthias Rudolph keinen Hehl, hätte er sich von Dan Beutler, 35, mehr Konstanz erhofft. Der Schwede (Vertrag bis 2014) kann wie die anderen Streichkandidaten im nächsten Sommer ablösefrei gehen. Mit Max-Henri Herrmann hat sich der HSV eines der größten Torwarttalente gesichert, eine Unwägbarkeit bleibt die Verfassung von Johannes Bitter. Der ehemalige Nationalspieler will nach seinem Kreuzbandriss Anfang Februar ins Team zurückkehren. Auf den Außenpositionen sieht der HSV derzeit keinen Handlungsbedarf. Der Einjahresvertrag mit Fredrik Petersen dürfte bald verlängert werden, Hans Lindberg hat ohnehin bis 2017 unterschrieben. Matthias Flohr und Stefan Schröder bleiben solide Alternativen.

Ein Problem im neuen HSV-Kader ist jedoch nicht gelöst. Der Mannschaft fehlen weiter Hierarchie und Führung.