Die HSV-Handballer besiegen den TV Großwallstadt im ersten Heimspiel mit 29:19, bangen aber um ihre wirtschaftliche Zukunft.

Hamburg. Das Spiel war nicht einmal eine halbe Stunde entfernt, Martin Schwalb noch in unmittelbarer Nähe des Geschehens, als der Trainer der HSV-Handballer mit seinen Gedanken plötzlich weit abdriftete. Er habe früher sonntags unheimlich gern Frauen-Volleyball in der "Sportschau" gesehen. Begeisternder Sport sei das gewesen mit tollen Mannschaften: USC Münster, SV Lohhof, Schwalb kann sie auch nach fast 30 Jahren noch herunterbeten. Neulich bei den Olympischen Spielen sei ihm wieder aufgefallen, was für großartige Sportler diese Volleyballer doch seien. Und wie wenig man sonst von ihnen mitbekomme.

All das hatte zunächst einmal wenig damit zu tun, dass die Hamburger gerade gegen den TV Großwallstadt nach anfänglichen Schwierigkeiten noch souverän mit 29:19 (12:10) gewonnen hatten. Was zum ersten Bundesliga-Heimspiel der Saison sonst zu sagen war, hatte Schwalb gesagt: Der 8:10-Rückstand nach 24 Minuten war entstanden, weil im Angriff beim letzten Pass oft die Präzision gefehlt hatte. Gegen Ende der ersten Halbzeit sei es seiner Mannschaft aber gelungen, das Tempo zu erhöhen und mit einem 10:2-Lauf entscheidend davonzuziehen. Dass der neue Torhüter Enid Tahirovic ein starkes Spiel machen würde, habe Schwalb vorher im Gefühl gehabt. Aber man dürfe sich auch nicht blenden lassen: "In Magdeburg erwartet uns am Dienstag eine ganz heiße Kiste."

+++ HSV-Handballer auf Konsolidierungskurs +++

Es sind richtungweisende Zeiten für den HSV: Morgen in Magdeburg und am 12. September gegen Flensburg-Handewitt dürfte sich entscheiden, ob der letztjährige Meister noch in den Titelkampf eingreifen kann (jeweils 20.15 Uhr/Sport1). Dazwischen steht am kommenden Wochenende beim Turnier in Saint-Raphaël (Frankreich) die Qualifikation für die Champions League auf dem Spiel.

"Es sind so brutal wichtige Wochen", sagte Kapitän Pascal Hens, "dass wir uns auf das Sportliche konzentrieren müssen." Aber er müsste lügen, wenn er behaupten würde, dass ihn die Diskussion um den von Präsident Matthias Rudolph geforderten 20-prozentigen Gehaltsverzicht kaltlassen würde: "Man kann das nicht total verdrängen."

+++ Gehaltskürzungen beim HSV: Rudolph hofft auf Verständnis +++

Auch Schwalb kann das nicht. Er sei genauso von dem Sparplan betroffen, er zuallererst, obwohl er doch schon so viel für den Verein tue, aber nur für eine Aufgabe bezahlt werde. Man dürfe nun einmal nicht vergessen, dass der HSV ein Wirtschaftsbetrieb sei und sich die Zeiten ändern könnten: "Jeder von uns weiß, dass wir in einer Konsolidierungsphase sind. Wir wollen, dass es den HSV auch in 20 Jahren noch gibt." Dem Handball solle eben nicht passieren, was dem Volleyball einst passiert ist: dass er aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwindet.

Knapp acht Jahre nach dem Eingreifen des Mäzens Andreas Rudolph scheint es, als hätten die Existenzsorgen wieder vom HSV Besitz ergriffen. Saison um Saison hatte der Bruder des jetzigen Präsidenten Millionenbeträge in den Verein gepumpt, ihn so erst vor der Insolvenz gerettet und dann zu einem der stärksten der Welt getrimmt. Nun hat der schwerreiche Medizinunternehmer sein Engagement auf das eines Hauptsponsors reduziert, weil er jeden Euro darüber hinaus neuerdings voll versteuern müsste.

Schwalb kann ihm das nicht verdenken: "Wir können doch froh sein, dass Andreas Rudolph so viel für den Sport getan hat." Er würde sich wünschen, dass auch die Politik, ja die Gesellschaft die Bedeutung eines Vereins wie des HSV anerkenne: "Wir sind ein Aushängeschild der Stadt. Und wir haben eine gesellschaftliche Verantwortung. Wenn man Jugendliche für Bewegung begeistern will, braucht es Vorbilder." Und die kosteten nun einmal Geld, das der Verein derzeit nicht hat.

Schon einmal war die Stadt dem HSV beigesprungen: 2004 gab sie den Anstoß für einen Sponsoring-Vertrag mit der Hamburger Sparkasse. Damals allerdings drohte dem Klub die Zahlungsunfähigkeit. Dieses Wort nimmt beim HSV niemand in den Mund, zumal Andreas Rudolph weiter als Hauptgesellschafter in der Verantwortung steht.

Auf 8,1 Millionen Euro beläuft sich der HSV-Etat offiziell. "Damit können wir gut auskommen", versichert Schwalb. Die Kürzungen müssten nicht zulasten der Qualität gehen: "Wenn wir es mit Herzblut machen, werden wir immer konkurrenzfähig sein."

Tore, HSV: Lindberg 12 (6 Siebenmeter), Duvnjak 5, Vori 4, Lijewski 3, Kraus 2, Petersen 2, Hens 1; Großwallstadt: Thiede 5, Graubner 5, Köhrmann 4, Spatz 3 (2), Larsson 1, Maas 1. Schiedsrichter: Blümel/Loppaschewski (Berlin). Zuschauer: 8068. Zeitstrafen: 0; 3.