Meistertrainer Martin Schwalb zieht im Interview eine Zwischenbilanz der HSV-Saison und seiner Arbeit als Präsident und Geschäftsführer.

Hamburg. In seinem früheren Leben hätte Martin Schwalb jetzt ein bisschen Zeit für sich gehabt. Bei den HSV-Handballern ruht der Spielbetrieb für 19 Tage. Doch nachdem der Meistertrainer vor 123 Tagen ins Amt des Präsidenten und Geschäftsführers gewechselt ist, gibt es auch in diesen Tagen für ihn "unheimlich viel zu tun". Im Interview zieht der 48-Jährige eine Zwischenbilanz seiner Arbeit und des ersten Saisondrittels.

Hamburger Abendblatt: Herr Schwalb, dem HSV ist am Sonnabend gegen Balingen-Weilstetten der - wettbewerbsübergreifend - 13. Sieg hintereinander gelungen. Kommt die Pause zur Unzeit?

Martin Schwalb: Darüber darf man sich keine Gedanken machen. Wir können es uns ohnehin nicht aussuchen. Natürlich ist die Mannschaft gut drauf. Andererseits gibt die Pause Michael Kraus und Marcin Lijewski auch Gelegenheit, ihre Verletzungen auszukurieren. Da helfen die knapp drei Wochen schon.

Ist der HSV schon wieder in der Meisterform des Vorjahrs?

Schwalb: Das einzuschätzen wäre verfrüht. Die Abwehr und das Zusammenspiel mit dem Torhüter funktionieren sehr gut. Im Angriffsspiel haben wir in den vergangenen Wochen wieder mehr Schnelligkeit und Dynamik entwickelt, was ganz wichtig für unser Spiel ist. Aber man muss auch realistisch sein: Bei den 13 Siegen waren auch Gegner dabei, die wir schlagen müssen. Und ein paarmal hatten wir Glück.

Wie würden Sie das Niveau also einordnen im Vergleich zur Vorsaison?

Schwalb: Ich glaube nicht, dass man das vergleichen kann. Jede Saison ist neu. Wir werden nach der Pause Gelegenheit bekommen, unter Beweis zu stellen, dass wir auf einem Topniveau sind. Im Januar wissen wir mehr.

Die bisherigen Vergleiche mit den Topgegnern liefen schlecht, von den ersten vier Pflichtspielen der Saison gingen drei verloren. Warum ist der HSV so schwer in die Gänge gekommen?

Schwalb: Da kam einiges zusammen. Die Verletztensituation war schwierig. Und die Niederlagen in Berlin und bei den Rhein-Neckar Löwen haben uns Selbstvertrauen geraubt. Das mussten wir uns erst wieder erarbeiten.

Bei den angesprochenen Niederlagen stand dem HSV kein gesunder Linkshänder für den Rückraum zur Verfügung. Hätten Sie nicht früher auf dem Transfermarkt aktiv werden müssen?

Schwalb: Das ist doch nicht richtig! Marcin Lijewski hat sich erst nach dem Berlin-Spiel verletzt. Und nachdem das passiert war, haben wir innerhalb weniger Tage Renato Vugrinec als Ersatz verpflichtet.

Sie machen derzeit einen ausgesprochen entspannten Eindruck. Hat Ihnen der Jobwechsel gutgetan?

Schwalb: Das hat er zweifelsohne. Die Arbeit macht mir sehr viel Spaß, aber natürlich gibt es genug zu tun. Ich versuche mit dem gleichen Ehrgeiz meine Arbeit zu erledigen wie als Trainer. Natürlich bin ich noch ein Lernender, trotzdem glaube ich, viele Dinge vorangebracht zu haben.

Wann werden Sie erstmals einen neuen Sponsor präsentieren?

Schwalb: Wir hoffen, dass es in den nächsten Tagen, vielleicht Wochen so weit ist. Aber darauf reduziert sich die Arbeit eines Geschäftsführers ja nicht. Mein Kollege Christoph Wendt und ich sind auch im Bereich des Fanwesens und der Kommunikation mit den Gremien sehr aktiv.

Sind die Einnahmequellen für den HSV ausgereizt, oder sehen Sie Steigerungsmöglichkeiten bei der Vermarktung?

Schwalb: Ich glaube schon, dass die Marke HSV noch Spielraum lässt. Richtig ist, dass wir in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht haben. Jetzt geht es darum, diesen Erfolg zu stabilisieren. Unser Bestreben ist, gerade auch für die kleinen Sponsoren ein guter Partner zu sein. Denn wir wollen den Verein insgesamt auf eine breitere Basis stellen. Das gilt im Übrigen auch für den sportlichen Bereich. Wir entwickeln unser Jugendkonzept kontinuierlich weiter. Dafür brauchen wir Partner.

Wann wird die Profimannschaft die Früchte dieses Jugendkonzepts ernten?

Schwalb: Einen Zeitrahmen gibt es da nicht. Wir haben zwei, drei, vier Talente, denen wir eine entsprechende Entwicklung zutrauen. Vorerst liegt unser Augenmerk darauf, dass wir uns in der A-Jugend-Bundesliga etablieren. Im nächsten Jahr wollen wir dort dann eine gewichtige Rolle spielen.

Wie schwer fällt es Ihnen, sich aus der Trainerarbeit herauszuhalten?

Schwalb: Kein bisschen. In Absprache mit Per Carlén bin ich immer gern bereit, ein paar Worte zu sagen. Per und ich tauschen uns regelmäßig aus, so wie das sein muss. Aber grundsätzlich ist die Arbeit mit der Mannschaft sein Terrain, auf dem ich nichts verloren habe.

Ist er der richtige Trainer für den HSV?

Schwalb: Darüber gibt es keine zwei Meinungen. Die Entwicklung der Mannschaft spricht für sich.

Wie groß ist der Einfluss Ihres Vorgängers Andreas Rudolph, des Hauptgesellschafters des HSV? In der "Bild"-Zeitung war zu lesen, er habe am Sonnabend Kraus' Einwechslung unterbunden.

Schwalb: Diese Frage stellt sich für uns gar nicht. Wir arbeiten sehr gut zusammen und stehen in engem Kontakt, darauf kommt es an. Wir haben in den letzten Jahren alles gemeinsam erarbeitet und waren damit relativ erfolgreich. Einen anderen Ansatz gab es nie. Andreas Rudolph ist der wichtigste Mann im Verein, er trägt ihn im Herzen.

Sein Ziel war, bis zum Ende seiner Amtszeit den Verein von sich unabhängig zu machen. Das ist nicht gelungen. Hat sich der HSV von diesem Ziel verabschiedet?

Schwalb: Unser Ansatz bleibt, so viele Sponsoren und Partner wie möglich zu bekommen. Wir haben auch ein attraktives Produkt anzubieten.

Die Mannschaft hat mit 28 Jahren mit den höchsten Altersschnitt der Liga, viele Spieler wurden langfristig vertraglich gebunden. Machen Sie sich Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit des HSV?

Schwalb: Nein, denn diese Spieler sind unsere Leistungsträger. Natürlich haben auch wir die Zeichen der Zeit erkannt und mit Oscar Carlén und Domagoj Duvnjak zwei junge Spieler verpflichtet, die unsere Zukunft mitgestalten sollen. Wir werden nach und nach junge Spieler einbauen.

Oscar Carlén fällt nach einem erneuten Kreuzbandriss voraussichtlich für die gesamte Saison aus. War es nicht ein zu großes Risiko, ihn wieder mit dem Training beginnen zu lassen, nachdem schon die erste Operation offenbar nicht erfolgreich war?

Schwalb: Nein. Der Zeitplan war mit der medizinischen Abteilung genau abgestimmt, auch Oscars Gefühl war gut. Im Nachhinein wissen wir, dass es früher oder später sowieso passiert wäre.