Die Handballer besiegen Eintracht Hildesheim mit 34:28. Den erhofften Befreiungsschlag bleibt der deutsche Meister jedoch schuldig.

Hamburg. Stefan Kretzschmar hatte seine Aufgabe für den gestrigen Tag souverän erledigt. Mit einer Auswahl früherer Handballstars hatte er den Polizei-SV Köln mit 42:18 schwindelig gespielt und dabei die Zuschauer in der Hamburger O2 World in Stimmung gebracht, kurzum, Kretzschmar hatte all das geleistet, was man von einem großen Favoriten erwarten darf, und nun konnte er sich also entspannt zurücklehnen und anschauen, was der andere große Favorit des Tages, der deutsche Meister HSV Hamburg, im Hauptspiel gegen Aufsteiger Eintracht Hildesheim so anstellen würde.

Doch was Kretzschmar, 38, dann zu sehen bekam, stimmte ihn nachdenklich: "Der HSV spielt behäbig, geht nicht athletisch in die Zweikämpfe, der Ball läuft nicht richtig", urteilte der 218-malige Nationalspieler, "das sah nicht gut aus. Mit einem Kader dieser Qualität muss man so einen Gegner schon deutlich beherrschen. Der THW Kiel hätte die Hildesheimer heute auseinandergenommen."

***Löwen reißen den HSV in die Krise***

***Carléns Mission droht zu scheitern***

Der HSV hatte sich mit einem 34:28-(15:13-)Sieg begnügt, einem Erfolg immerhin nach zwei Auswärtsniederlagen hintereinander, er hatte auch das zweite Heimspiel der Saison ohne Punktverlust überstanden. Und doch fanden sich nicht viele, die wie der neue Trainer Per Carlén "einen klaren Aufwärtstrend" ausgemacht hatten. "Wir haben ein paar Schritte nach vorn gemacht", befand der Schwede später, "und ein Zeichen gesetzt, dass wir auf dem richtigen Weg sind."

Carlén wird dabei am ehesten an jene vier Minuten gedacht haben, in denen seine Mannschaft ihre 22:21-Führung (42.) auf 27:21 ausbaute und "unsere leichten Fehler gnadenlos bestraft hat", wie Hildesheims Trainer Volker Mudrow anerkennend sagte.

In dieser, aber eben nur in dieser Phase erinnerte Carléns Mannschaft zumindest entfernt an den alten HSV, der den Ball durch die Reihen hüpfen ließ und seine Gegner überrannte, ohne nach links und rechts zu schauen, weil jeder auch so zu wissen schien, wo der freie Mann postiert war. Beim neuen HSV laufen nicht nur die blinden Pässe allzu oft ins Leere. Und dann diese Abschlussschwäche: 16 Würfe gingen gestern allein in der ersten Halbzeit daneben, einer mehr als ins Tor.

Dabei ist der neue HSV eigentlich der alte. Nur Torhüter Dan Beutler gehörte bisher nicht dazu, doch er war gestern noch der Beste. "Irgendetwas fehlt", rätselte Linksaußen Torsten Jansen, "ich weiß auch nicht, was."

Zu denen, die Carlén beisprangen, gehörte sein Vorgänger. HSV-Präsident Martin Schwalb, zeigte sich "zufrieden, dass wir den Ausfall Marcin Lijewskis gut gelöst haben". Lijewski hatte wegen eines geschwollenen Sprunggelenks kurzfristig auf seinen Einsatz verzichtet, weshalb der HSV im Rückraum plötzlich ohne Linkshänder dastand. "Das ist im Handballsport schwer zu kompensieren", weiß Schwalb.

Er wird sich an diesen Worten messen lassen müssen, sollte die Kernspintomografie heute eine schwerere Verletzung Lijewskis ergeben. Carléns Forderung nach Verstärkung, bisher nur zwischen den Zeilen vorgetragen, dürfte dann deutlich vernehmbar werden.

Für das Pokalspiel am Mittwoch beim Oberligisten Gütersloh kann er auf hauseigene Nachwuchskräfte wie Marcel Schliedermann, Martin Stumps und Johann D. Starck zurückgreifen. "Das Spiel kommt uns gelegen, um uns weiter aufzubauen", glaubt Carlén. Am kommenden Sonnabend steht sein taktisches Konzept beim VfL Gummersbach vor dem nächsten Bundesliga-Stresstest. "Mein Rucksack wird immer schwerer", sagte der Trainer, "aber ich kämpfe jeden Tag."

Tore, Hamburg: Lackovic 7, Hens 6, Lindberg 5 (3 Siebenmeter), Flohr 4, Schröder 3, Duvnjak 3, B. Gille 3, Vori 2, Jansen 1; Hildesheim: Tzimourtos 5, Jahns 5 (3), Slundt 4, Qvist 4, Hoffmann 3, Hribar 2, Nikolow 2, Ivakno 2, Flödl 1. Schiedsrichter: Baumgart/Wild (Neuried/Offenburg). Zuschauer: 8645. Zeitstrafen: 1; 2.