Nach der zweiten Niederlage für den HSV äußert sich Meistertrainer Martin Schwalb besorgt und geht auf Distanz zu Nachfolger Per Carlén.

Hamburg. Sogar der Start in den handballfreien Tag fiel für Per Carlén gestern Vormittag ziemlich holprig aus. Die Batterie seines Fahrzeugs, das er an der Volksbank-Arena geparkt hatte, war über Nacht leer gelaufen. Erst mit den vereinten Kräften der HSV-Geschäftsstelle und einem Überbrückungskabel kam Carlén schließlich in die Gänge.

Es hätte eigentlich nicht noch dieses kleinen Zwischenfalls bedurft, um dem neuen Trainer des deutschen Meisters die missliche Ausgangslage vor Augen zu führen. Mit der 29:33-Niederlage des Vorabends bei den Rhein-Neckar Löwen hat seine Mannschaft in der Bundesliga schon jetzt so oft verloren wie in der gesamten Vorsaison. Nach nur drei Spielen beläuft sich das Defizit gegenüber dem stärksten Mitbewerber THW Kiel auf vier Punkte. Und so wie der HSV in Mannheim und zuvor am Sonntag bei der 25:26-Niederlage in Berlin aufgetreten ist, sollte niemand erwarten, dass es in den verbleibenden 31 Partien abgebaut werden kann.

"Die Saison ist erledigt", sagte der Berliner Manager und frühere HSV-Trainer Bob Hanning der Deutschen Presse-Agentur und legte sich auf Kiel als Meister fest. Nicht einmal Martin Schwalb scheint der Mannschaft ernsthaft zuzutrauen, dass sie noch einmal in den Titelkampf eingreifen kann: "Die breite Brust der Vorsaison ist weg", hat der Meistertrainer erkannt. Schwalb, 48, kann das Geschehen inzwischen aus der Distanz eines Präsidenten und Geschäftsführers betrachten. Sein Befund ist eindeutig: "Die Abwehr steht nicht so, wie sie sollte, bei vielen Aktionen und Bewegungen fehlt die letzte Überzeugung." Wo die Ursachen zu suchen sind, weiß auch Schwalb nicht genau, und wenn doch, dann will er die Öffentlichkeit nicht daran teilhaben lassen.

+++ Löwen reißen den HSV in die Krise +++

+++ Rückschlag für Meister HSV - 25:26 bei Füchsen Berlin +++

+++ HSV quält sich gegen Lübbecke zum ersten Saisonsieg +++

Wichtig sei jetzt, dass sich die Mannschaft wieder aufrichtet, beginnend mit dem Heimspiel gegen Aufsteiger Eintracht Hildesheim am Sonntag (15 Uhr, O2 World). Was man eben so sagt, wenn der Realitätssinn die Hoffnung aus dem Feld geschlagen hat. Er werde mit Carlén reden, sagte Schwalb, das Gespräch mit der Mannschaft müsse sein Nachfolger selbst suchen. Ansonsten gebe es nicht viel, was die Vereinsführung zur Besserung der Situation beitragen könne.

Carlén, 50, schien das am Mittwochabend ein wenig anders zu sehen. Um bei Mannschaften wie Berlin und Rhein-Neckar zu bestehen, so gab der Schwede zu bedenken, "braucht man einen vollständigen Kader". In Mannheim standen ihm allein für den Rückraum vier Arbeitskräfte aufgrund von Verletzungen nicht zur Verfügung: Guillaume Gille schmerzt die Achillessehne, Pascal Hens der Rücken, bei Carléns Sohn Oscar und dem ebenfalls am Knie verletzten Michael Kraus ist eine Rückkehr nicht absehbar.

Man kann Carléns Aussage wohl dahingehend interpretieren, dass er nach Kraus' Autounfall Anfang August vergeblich auf eine Verstärkung gedrungen hat. "Wir haben gemeinsam den Markt sondiert", räumt Schwalb ein, "Spieler der Qualität, die wir bräuchten, sind schwer zu bekommen." Darin sei man sich einig gewesen. Was die Problemanalyse betrifft, geht Schwalb allerdings vorsichtig auf Distanz zu seinem Nachfolger. Die Mannschaft habe ähnlich dezimiert schon in der vergangenen Saison dem Druck widerstanden: "Wir haben genug Spieler, die in die Bresche springen können."

In Mannheim gelang das nicht. "Letztes Jahr sah das beim HSV noch viel leichter aus", wunderte sich Löwen-Nationalspieler Michael Müller. Wie schon in Berlin fahndete Carlén vergeblich nach einer Taktik gegen die offensive Fünf-eins-Deckung. Als er seine eigenen Abwehrspieler eingangs der zweiten Halbzeit weiter nach vorn beorderte, war der Effekt bereits nach wenigen Minuten verpufft. Auch dass der Trainer so lange an Johannes Bitter im Tor festhielt, obwohl der noch nach der meisterlichen Form der Vorsaison sucht, sorgte bei den Fans für Kopfschütteln. Bitter wechselte sich schließlich nach 47 Minuten selbst aus.

Das Gute an der Situation, sagte Carlén am Mittwoch zum Abschied, sei, dass jetzt die nicht ganz so guten Gegner kämen: "Wir müssen jetzt einen Schnitt machen und nach vorn schauen. Wir können die Meisterschaft noch gewinnen." Auch sein Kieler Kollege mochte den HSV noch nicht abschreiben: "Auch wir müssen noch nach Berlin und zu den Löwen reisen", sagte Alfred Gislason, "dort zu verlieren kann jeder Mannschaft passieren."