Der HSV Hamburg trotzt beim 30:25 gegen Frisch Auf Göppingen dem Kräfteverschleiß und geht als Tabellenführer in die Weltmeisterschaftspause.

Hamburg. Einmal werden wir noch wach, dann will Martin Schwalb auspacken. Nur das Spiel morgen bei der HSG Ahlen-Hamm in der Dortmunder Westfalenhalle (19 Uhr/Sport1), das letzte, bevor die meisten HSV-Handballer mit Beginn des neuen Jahres zu den diversen Nationalmannschaften ausschwärmen, dieses Spiel also müsse man schon noch abwarten, damit der Trainer sich über den körperlichen Zustand seiner Mannschaft detailliert auslässt. Der Aufsteiger solle ja nicht dahin gehen, wo es dem Bundesliga-Tabellenführer wehtut.

Dass die bisherigen 29 Partien dieser Saison Spuren hinterlassen haben, kann jeder ein wenig mitempfinden, der die Hamburger Spieler nach getaner Arbeit aus der Halle schlurfen sieht. Schwalb hat noch genauere Einblicke: "Die Jungs sind alle auf der Rille. Wenn du sie vor dem Spiel in der Kabine siehst, denkst du, das wird nichts." Bei Bertrand Gille etwa ließen sich die Pferdeküsse kaum noch zählen. Aber glücklicherweise sei der Mensch kopfgesteuert, wofür der 30:25-(14:12-)Heimsieg am ersten Weihnachtstag gegen Frisch Auf Göppingen der jüngste Beweis war.

Um dieses Spiel zu verstehen, muss man wohl die Vorgeschichte kennen. Der HSV hatte am Eröffnungsspieltag der Saison bei ebenjenen Göppingern mit 30:32 verloren, und es schien, als hätten sich die alljährlichen Meisterschaftsambitionen früher denn je erledigt. Dann aber wurden alle 16 folgenden Bundesligapartien gewonnen, und zu Beginn der Rückrunde standen die Hamburger am Weihnachtswochenende als souveräner Herbst- oder, kalendarisch genauer, Wintermeister da.

Zur Vorgeschichte gehört auch, dass neben dem an der Schulter operierten Krzysztof Lijewski auch Kapitän Guillaume Gille wegen Problemen mit dem linken Sprunggelenk derzeit nicht zur Verfügung steht, die Hamburger Verteidigung mithin ohne den zuständigen Minister auskommen muss. Aber dieser Ausfall fiel am Sonnabend nicht weiter auf, weil ihn die verbliebenen Spieler in der Sechs-null-Abwehr und namentlich Domagoj Duvnjak durch Mehreinsatz bravourös auffingen. "Mehrere Fleißkärtchen" habe sich der Kroate im Mittelblock verdient, sagte Handballlehrer Schwalb, lobte aber auch Duvnjaks Lösungswege: "Es macht Spaß zuzuschauen, wie durchdacht er bei seinen Aktionen vorgeht."

So kam es, dass auch der hoch gelobte Göppinger Rückraum nicht weiter auffiel. "Wir wollten hier guten Handball spielen, aber das war nicht möglich", haderte Frisch-Auf-Coach Velimir Petkovic mit der Niederlage "beim wahrscheinlich künftigen deutschen Meister". Dessen Trainer will zwar weiter nicht über das nächste Spiel hinausdenken. Nach dem letzten Eindruck aber kann Schwalb die von ihm so bezeichnete "schwerste Rückrunde aller Zeiten" sehr zuversichtlich angehen, zumal die Formkurven von Marcin Lijewski und Torhüter Johannes Bitter im Dauerhoch verharren.

Am liebsten freilich wäre es Schwalb, man würde trotz der Wehwehchen einfach weiterspielen und nicht wegen der Weltmeisterschaft in Schweden (13. bis 30. Januar) eine Pause einlegen. Dem künftigen Geschäftsführer Schwalb, weil er weiß, dass dem Verein dadurch sechs einnahmeträchtige Wochen entgehen. Dem scheidenden Trainer Schwalb, weil er nun bangen muss, ob seine voraussichtlich zwölf WM-Teilnehmer gesund wiederkommen.

"Für eine Spitzenmannschaft ist so ein Turnier negativ", sagt Schwalb. Er sei sich zwar bewusst, dass auch der HSV von der Begeisterung lebe, die eine WM auslösen könne. Trotzdem empfiehlt er im Sinne des Sports, die Zahl der Turniere zu reduzieren: "Wenn EM und WM im jährlichen Wechsel stattfinden, verlieren die Titel auch an Wert. Es wäre schön, wenn man den Terminkalender entzerren könnte." Alle zwei Jahre ein Turnier, im Frühjahr nach Saisonende, so etwa könnte ein vertretbarer Kompromiss aussehen.

Doch weil ein solcher nicht in Sicht ist, wird sich der Kader im Januar voraussichtlich auf Stefan Schröder, Torhüter Per Sandström, Nachwuchsspieler Marcel Schliedermann und den verletzten Krzysztof Lijewski reduzieren. Wie die tägliche Arbeit dann aussieht, weiß Schwalb aus Erfahrung: "Wir werden uns anschauen und ein bisschen Krafttraining machen."

Tore, Hamburg: M. Lijewski 7, Lindberg 7 (5 Siebenmeter), Vori 6, Kraus 4, Jansen 3, Duvnjak 2, Lackovic 1; Göppingen: Horak 6, Kaufmann 6, Mrvaljevic 4 (3), Schubert 3 (1), Späth 2, Schöne 1, Thiede 1, Oprea 1, Häfner 1. Schiedsrichter: Immel/Klein (Tönisvorst/Ratingen). Zuschauer: 10 946. Zeitstrafen: 3; 5.