Johannes Bitter, Sieggarant der HSV Handballer, spricht im Interview über den Erfolg gegen Kiel und seine wechselhaften Leistungen.

Hamburg. Gegen ein Uhr, als viele Kollegen noch feierten, war Johannes Bitter am Mittwochmorgen nach dem 26:25-Sieg über den THW Kiel im heimischen Bett angekommen. Mit einer traumhaften Leistung hatte der Nationaltorhüter die HSV Handballer zum Tabellenführer gemacht. Das Einschlafen aber sei ihm schwergefallen: "Nach so einem Spiel ist man noch lange vollgepumpt mit Adrenalin."

Abendblatt:

Herr Bitter, hat der HSV gegen den THW Kiel am Dienstag einen Sieg für den deutschen Handball erzielt?

Johannes Bitter:

Für viele ist es sicher schön zu sehen, dass der THW Kiel einmal geschlagen wird, und zwar nicht durch einen Ausrutscher, sondern trotz einer Leistung auf hohem Niveau. Für die Spannung in der Meisterschaft ist dieses Ergebnis vermutlich besser, als wenn Kiel gewonnen hätte. Aber wir sollten das alles nicht überbewerten.

Einige reden schon von einer Wachablösung im deutschen Handball.

Bitter:

Danach sah es in diesem Spiel für mich nicht aus. Kiel war über weite Strecken vorn, Ende der ersten Halbzeit haben sie unsere Fehler gnadenlos ausgenutzt, das hat sie immer ausgezeichnet. Hinzu kommt, dass sie aufgrund von Verletzungen keinen Halbrechten zur Verfügung hatten, was ohne Frage ein herber Verlust war. Der Unterschied zu früheren Duellen war, dass wir es endlich geschafft haben, in einer schwierigen Phase an uns zu glauben.

Beim 12:16-Rückstand zur Halbzeit haben das sicher nicht mehr viele. War dieser Rückstand im Nachhinein betrachtet ein Segen, weil die Kieler vielleicht zurückgeschaltet haben und Sie nichts mehr zu verlieren hatten?

Bitter:

Darüber könnte man spekulieren. Aber die Kieler sind gerade bekannt dafür, ihr Ding mit ruhiger Hand durchzuspielen. In der zweiten Halbzeit waren sie, meinem Eindruck nach, schlichtweg am Rande ihrer Möglichkeiten. Und wir waren es, die sie dahin gebracht haben.

In der zweiten Halbzeit hat der THW ganze neun Tore gemacht. Das war ihnen zuletzt im Februar passiert.

Bitter:

Der Schlüssel war, dass wir die Abwehr auf offensiv umgestellt haben. Es hat sich ausgezahlt, dass wir uns auf diese Variante vorbereitet hatten, nachdem wir zuletzt auf die defensivere Sechs-Null-Deckung gesetzt haben.

Sie haben Ihre eigene Leistung vergessen: 43 Prozent gehaltene Bälle, darunter drei Siebenmeter. Es fällt auf, dass Sie gegen Montpellier und Kiel Ihre besten Spiele gemacht haben. Zufall? Oder brauchen Sie einen Topgegner für Topleistung?

Bitter:

Natürlich ist man in so einem Spiel noch fokussierter. Der emotionale Schub ist ja gerade für einen Torhüter besonders wichtig. Aber glauben Sie mir: Ich hätte gern in jedem Spiel hervorragend gespielt. Inzwischen habe ich aber das Gefühl, dass ich meine Leistung stabilisieren konnte. Gute und schlechte Phasen gibt es immer mal, nicht immer kann man es sich erklären.

Sie haben gerade Ihren Vertrag bis 2015 verlängert. Haben Sie die Wochen der Unsicherheit zuvor vielleicht belastet?

Bitter:

Würde ich nicht sagen. Ich hatte seit Längerem die Gewissheit, dass die Gespräche in die richtige Richtung gehen. Dass sie sich einmal in die Länge ziehen, ist nicht ungewöhnlich.

Haben Sie nie einen Wechsel erwogen?

Bitter:

Nein. Meine Familie und ich fühlen uns in Hamburg sehr wohl. Und der HSV hat mir nie signalisiert, dass er nicht mehr mit mir plane.

Ist der HSV reif für den Titel?

Bitter:

Mit den Jahren lernt man, vorsichtiger zu sein und in kürzeren Abschnitten zu denken. Das ist uns bisher gelungen. Wir haben nicht den Fehler gemacht, vor den Spielen gegen Flensburg und Großwallstadt bereits Kiel im Hinterkopf zu haben. Deshalb werden wir jetzt auch nicht über die Meisterschaft reden. Was ich gern zugestehe: dass wir aus diesem Sieg viel Selbstbewusstsein ziehen können. Kiel geht mit den vielen Meisterschaften im Rücken mit einer unglaublichen Ruhe in solche Spiele, für den HSV ist der Druck immer größer. Diesmal haben wir auch diese Lockerheit, den Spaß ins Spiel gebracht.

Wie ist Ihnen das gelungen?

Bitter:

Indem wir besprochen haben, was uns in der Vergangenheit gefehlt hat. Wir sind zum Schluss gekommen, dass es die gewisse Kompromisslosigkeit war: nicht mit bangem Blick auf die Anzeigetafel zu schauen, sondern so ein Ding durchzuziehen. Wenn das gelingt, trifft man Entscheidungen anders.

Sie sind jetzt Tabellenführer der Bundesliga. In der vergangenen Saison ist der HSV am Ende an dieser Bürde gescheitert. Ist diese Gefahr jetzt gebannt?

Bitter:

Ich habe schon das Gefühl, dass wir ein bisschen anders auftreten. Wir haben Kiel besiegt, gegen Flensburg überzeugt und gegen Großwallstadt einen Vorsprung souverän verwaltet.

Am Sonnabend kommt Tatran Presov in die Sporthalle Hamburg. Fällt es schwer, die Konzentration nach so einem Höhepunkt hoch zu halten?

Bitter:

Wenn man erfolgreich spielt, ist die Euphorie da und auch die Lust groß. Wir müssen den Weg, den wir bisher gegangen sind, konsequent weitergehen. Dann habe ich keine Bedenken, dass wir dieses Spiel gewinnen.