Der Hamburger Handballprofi spricht über die Probleme des alten Meisters HSV und den Erfolg des neuen Meisters THW Kiel.

Hamburg. Torsten Jansen ist genügsam. Nach dem Krafttraining im Fitnessklub Aspria bestellt der 35-Jährige eine Apfelschorle. Was den Handball betrifft, hat sich "Toto", wie sie den Linksaußen beim HSV rufen, darauf verlegt, "von Jahr zu Jahr zu denken". Vergangene Woche erneuerte der frühere Nationalspieler seinen Vertrag bis 2013. Für diese Saison sind nach dem Pokalaus gegen Kiel zwei Ziele verblieben: einen Champions-League-Platz erreichen - und am Sonntag (13.10 Uhr; Sport1) den Durchmarsch des verlustpunktfreien THW verhindern.

Hamburger Abendblatt: Herr Jansen, für die nächste Saison muss der HSV einen Trainer und neue Spieler verpflichten. Mehrheitseigner Andreas Rudolph scheint darüber nachzudenken, sich aus dem Verein zurückzuziehen. Beschäftigt Sie das?

Torsten Jansen: Nein. Seitens des Vereins wurde uns gesagt, der Spielbetrieb sei gesichert. Es ist nicht meine Aufgabe, mich damit auseinanderzusetzen. Wir werden nächste Saison nicht mit einer Rumpftruppe auflaufen.

Ist die Unklarheit belastend für Sie?

Jansen: Die Situation insgesamt ist nicht einfach. Alles fing mit der Verletzung von Oscar Carlén an, und es mündete in einer gewissen Unsicherheit innerhalb der Mannschaft, die man nicht so einfach abstellen kann. Wir hatten im vergangenen Jahr einen Lauf. Dieses Jahr hingegen hoffen wir darauf, die Qualifikation für die Champions League zu schaffen und gegen Kiel bloß nicht mit zehn Toren zu verlieren. Unsere Haltung ist viel defensiver.

Haben Sie eine Erklärung dafür?

Jansen: Leider nicht. Aber der THW Kiel hat sich in der letzten Saison auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert und wird nun deutscher Meister. Zugegeben: Die Kieler haben eine andere Erfahrung innerhalb des Vereins. Wenn sie mal ein oder zwei schlechte Jahre haben, wird das von den Menschen vor Ort allgemein akzeptiert. Bei uns gehen die Menschen kritischer mit Leistungsschwankungen um. Aber unseren Verein gibt es erst seit zehn Jahren. In dieser Zeit haben wir vieles erreicht, auf das wir stolz sein können. In den Medien wird das leider meist nur eindimensional beleuchtet.

Wie meinen Sie das?

Jansen: Wenn es bei uns nicht gut läuft, hacken sämtliche Medien darauf herum. Teilweise ist das vielleicht berechtigt. Aber es kann nicht sein, dass sich in Krisenzeiten alle wie die Geier auf den Verein stürzen.

Haben Sie innerhalb der Mannschaft schon über einen Mentaltrainer nachgedacht?

Jansen: Eine Mannschaft ist ein komplexes Gebilde. Wenn darunter Leute sind, die sagen: Das brauche ich nicht - dann ist das Thema Mentaltrainer keine Option mehr. Ich selbst kann mir schwer vorstellen, dass jemand, der nicht selbst Handballprofi war, den Druck nachvollziehen kann.

Im Final Four konnten Sie mit dem Druck offenbar gut umgehen. Warum ist die Motivation gegen Kiel spürbar und bei Spielen gegen leichtere Gegner nicht?

Jansen: Ich glaube nicht, dass das etwas mit der Motivation zu tun hat. Gegen Mannschaften wie Kiel hat man keine Zeit, groß nachzudenken. Man weiß, es wird ein schnelles Spiel. Die Kommunikation auf dem Parkett ist wesentlich beschränkter als gegen Mannschaften, die es ruhiger angehen lassen. Da diskutiert man eher über Fehler. Und das ist häufig der Anfang vom Ende.

Sport1-Experte Stefan Kretzschmar kritisiert, der HSV würde nicht perspektivisch genug denken, während der THW bereits den Kader für die Saison 2014/15 plane. Können Sie das nachvollziehen?

Jansen: Ich glaube, dass die gesamte Entwicklung durchaus dafür spricht, dass hier sehr kontinuierlich gearbeitet wird. Man muss allerdings festhalten, dass Kiel Strukturen und einen finanziellen Spielraum besitzt, die es ermöglichen, vielleicht noch etwas langfristiger zu planen. Die Sparkassen-Arena allein ist schon ein Vorteil, weil sie viel preisgünstiger ist als unsere O2 World.

Ihre Mannschaft ist nach dem Titelgewinn 2011 nach Mallorca geflogen, um zu feiern, und musste zwei Wochen später im Final Four der Champions League antreten. Ist das professionell?

Jansen: Ich kann verstehen, dass so etwas in der Diskussion steht. Aber es hat keinen Sinn, sich darüber Gedanken zu machen. Anders formuliert: Wenn wir das Final Four gewonnen hätten, käme ja auch keiner auf die Idee, die Reise dafür verantwortlich zu machen.

Was sagen Sie eigentlich zu dem Vorwurf, die Mannschaft des HSV sei zu alt?

Jansen: Fakt ist, dass wir sowohl ältere als auch jüngere Spieler hatten, die verletzt waren oder sind. Ende der Saison werden uns jedoch einige ältere Spieler wie die Gilles verlassen. Und in dieser Situation muss man natürlich einen Umbruch einleiten. Es wäre aber falsch, in Aktionismus zu verfallen und zu sagen: Jetzt alle raus und alles von vorn! In der letzten Saison habe ich davon übrigens nichts gehört.

Sie selbst haben länger mit Verletzungen zu kämpfen, spielen aber trotzdem.

Jansen: Wenn wir keine Leute haben - was soll man da machen? Ich habe mich entschieden, das Team zu unterstützen. Die Leute hacken dann vielleicht auf mir herum und sagen, ich könne nicht mehr. Aber ich für mich weiß, dass ich der Mannschaft nur so gut helfen kann, wie es die Verletzungen zulassen.

Wie lange wird es den Profihandballer Torsten Jansen noch geben?

Jansen: Ich will mir kein Limit setzen. Solange ich mich gut fühle und die Leistung stimmt, spiele ich. Mit Handball habe ich längst nicht abgeschlossen.