Aue. Trainerdebatte nach 1:3 von Aue? St. Paulis alarmierende Situation hat viele Gründe. Veerman freut sich kaum über sein Comeback-Tor.

Wenn ein Stürmer genau elf Monate nach einem Kreuzbandriss sein Comeback in der Startelf feiert und dann auch noch ein Tor erzielt, hat er allen Grund zu großer Freude. Ganz anders aber war dies am Wochenende bei Henk Veerman.

Der Niederländer in Diensten des FC St. Pauli stand auch zwei Tage nach dem 1:3 seines Teams beim FC Erzgebirge Aue noch unter dem Eindruck dieser verdienten Niederlage, nach der sein Team nur noch einen Punkt vom Abstiegsrelegationsplatz 16 entfernt ist. „Für uns alle ist das ein schlechtes Gefühl. Wir müssen alles besser machen“, sagte der 28 Jahre alte Mittelstürmer. „Wir müssen besser vertei­digen und bessere Angriffe machen.“

Schonungslose Anaylse

Dies war eine ebenso kurze, aber auch prägnante und vor allem schonungslose Analyse. Die Niederlage in Aue war der vorläufige Tiefpunkt einer Entwicklung, die seit dem 2:0-Heimsieg gegen den SV Sandhausen am 29. September anhält und zu nunmehr sechs sieglosen Punktspielen geführt hat.

Dazu kam noch das 1:2 im DFB-Pokal gegen Eintracht Frankfurt. Hatten sich Trainer Jos Luhukay und die Spieler lange Zeit damit beruhigt, dass das Team ja einen ansehnlicheren Fußball als in der vergangenen Saison spielt und es ja „nur“ bei der Chancenverwertung und der Verteidigung von gegnerischen Ecken und Freistößen vorwiegend in der Schlussphase etwas hapert, gilt dies inzwischen auch nicht mehr. In Aue und auch schon zuvor beim 1:1 gegen den VfL Bochum musste St. Pauli jeweils einen frühen Gegentreffer aus dem Spiel heraus hinnehmen. Dazu gab es nur wenige Möglichkeiten, mehr als ein Tor zu erzielen.

Nicht genug, um Spiele zu gewinnen

„Wir nehmen Niederlagen hin. Uns fehlt das Feuer“, hatte Mittelfeldspieler Marvin Knoll am Freitagabend gesagt und damit den Eindruck bestätigt, den von außen auch die Betrachter des Spiels bekamen, allen voran die mehr als 1700 St.-Pauli-Anhänger. „Wir müssen jetzt aufwachen und dürfen uns so nicht vor unseren Fans präsentieren“, hatte auch Mittelfeldspieler Mats Möller Daehli gesagt, der sonst zwar immer auskunftsbereit, aber dann doch eher zurückhaltend ist. „Wir müssen ehrlich zu uns sein. So reicht es nicht, um Spiele zu gewinnen. Jeder muss verstanden haben, dass es nicht reicht, einen ordentlichen Ball zu spielen. Man muss im Mittelfeld und vor dem Strafraum knallhart verteidigen“, stellte Torwart Robin Himmelmann fest.

Ähnlich sah es auch der in Aue als Kapitän agierende Jan-Philipp Kalla. „Es sah phasenweise gar nicht schlecht aus. Aber das reicht nicht, um in der Zweiten Liga zu bestehen. Wenn man fast jeden 50:50-Zweikampf auf dem Platz verliert, ist es schwierig, am Ende auch etwas zu holen“, sagte er.

Keine innige Identifikation

Es könnte ein erster Schritt zur Besserung sein, dass diese Führungsspieler die Defizite erkannt haben. Doch kann sich das Team jetzt wieder einmal so zusammenraufen, wie es dies in den vergangenen Jahren mehrmals getan hat, als der Abstieg drohte? Als Manko könnte sich bei diesem Versuch erweisen, dass sich die für ein Jahr ausgeliehenen Spieler James Lawrence, Leo Östigard, Matt Penney, Youba Diarra und Viktor Gyökeres schwertun, eine innige Identifikation mit ihrem Interims-Arbeitgeber aufzubauen. So könnte sich die lange zögerlich und in der Endphase hektisch und aktionistisch anmutende Transferpolitik im vergangenen Sommer als fatal erweisen.

Zweifel, ob Luhukay Idealbesetzung ist

Bei einer Bilanz von vier Siegen und nur 20 Punkten aus den inzwischen schon 20 Spielen, in denen Jos Luhukay St. Paulis Cheftrainer ist, zweifeln immer mehr Anhänger daran, ob der Niederländer wirklich die Idealbesetzung ist, als die er von Präsident Oke Göttlich gepriesen wurde.

Richtig ist, dass ihn die zahlreichen Verletzungen, zuletzt auffällig viele muskulärer Art, daran gehindert haben, eine stabile Stammformation aufzubauen. Andererseits aber nahm er auch einige unerzwungene personelle Änderungen vor, die nur selten wirklich fruchteten. Zudem führten die zwischenzeitlichen Degradierungen von Führungsspielern wie Robin Himmelmann und Marvin Knoll zu Reservisten, ohne ihnen dies vorab zu erklären, zu unnötigem Wirbel.

Hoffnungsschimmer Veerman

Zumindest für die letzten vier Spiele dieses Kalenderjahres wird Luhukay sein Team auf eine kampfbetonte, der Tabellensituation angemessene Spielweise einstellen müssen, auch um die eigenen Anhänger wieder zu mobilisieren. Hierbei könnte auch Henk Veerman eine wichtige Rolle spielen. Wie er in Aue gezeigt hat, ist er ein Mann, der Standard­situationen zu Toren verwerten kann – immerhin ein Hoffnungsschimmer.