Der FC St. Pauli offenbart beim 1:1 zum Saisonstart gegen den FC Ingolstadt die bekannten spielerischen Schwächen

Hamburg. Am Morgen nach dem 1:1 (0:1) gegen den FC Ingolstadt 04 zum Auftakt der neuen Zweitliga-Saison fehlte Cheftrainer Roland Vrabec beim obligatorischen Auslaufen der Stammspieler und der Übungseinheit der Reservisten des FC St. Pauli. Dies hatte allerdings nicht den Grund, den sich manche Hardliner unter den Anhängern des Kiezklubs gewünscht hätten. In den einschlägigen Fanforen war nach dem insgesamt wenig zufriedenstellenden Spiel gegen die Süddeutschen nicht nur Kritik an der St.-Pauli-Mannschaft und an einzelnen Spielern laut geworden, sondern auch die Forderung nach einem neuen Trainer und damit verbunden einem neuen Spielkonzept.

Tatsächlich aber war Vrabec am Sonntag in dienstlicher Mission unterwegs. „Ich schaue mir einen anderes Spiel an“, ließ er am Sonnabend wissen, ohne zu verraten, wohin ihn sein Weg führen würde. „Das wäre zu offensichtlich“, sagte er weiter und ließ durchblicken, dass er nicht etwa einen kommenden Gegner beobachten, sondern noch einmal einen Stürmer unter die Lupe nehmen wolle, um diesen möglichst alsbald zu verpflichten. Einen Geldkoffer werde er allerdings nicht mitnehmen, beteuerte Vrabec, griff in die rechte Hosentasche, zog einen Zwanzig- und einen Fünf-Euro-Schein heraus und sagte: „Das ist alles, was ich habe.“

Seinen Humor hatte St. Paulis Cheftrainer nach der durchwachsenen Darbietung seines Teams im ersten Pflichtspiel der Saison also nicht verloren, doch die Suche nach einer neuen Offensivkraft muss nun doch energischer als bisher betrieben werden. Wenn es noch eines letzten Beweises bedurft hätte, dass der FC St. Pauli in vorderster Reihe eine Verstärkung dringend benötigt, dann lieferte das Spiel gegen Ingolstadt genau diesen. Sowohl Christopher Nöthe als auch John Verhoek, die, wie von ihnen selbst ausdrücklich gewünscht, gemeinsam auflaufen und 85 Minuten als Sturmduo wirken durften, blieben den Nachweis schuldig, überdurchschnittliche Zweitliga-Angreifer mit Torinstinkt zu sein.

Ihre hohe Trefferquote in den Testspielen hat eben doch für die Zweite Liga praktisch keine Aussagekraft. Insgesamt zu statisch und uninspiriert agierten die beiden gegen Ingolstadt. Und als sie dann doch jeweils ihre große Chance zu einem Tor bekamen, musste Ingolstadts Torwart Ramazan Özcan kaum mehr tun, als stehen zu bleiben, um den Schuss Verhoeks (44. Minute) und den Kopfball Nöthes (77.) nach einer Flanke Sebastian Schachtens abzuwehren.

Es wäre zu einfach, die sportlichen Probleme allein am Fehlen eines echten Torjägers festzumachen. Weder aus dem zentralen Mittelfeld noch von den Außenbahnen bekamen die beiden Stürmer ausreichend gute Zuspiele, um sich öfter in Szene setzen zu können. Erst nach der Einwechslung von Lennart Thy als zusätzlichem Offensivspieler entstand insgesamt mehr Torgefahr. So war es am Ende auch kein Zufall, dass der insgesamt erlösende Ausgleich zum 1:1 (78.) durch den bis in den gegnerischen Strafraum aufgerückten Sören Gonther auf Vorlage von Thy fiel.

Die gesamte Kombination, die zu diesem Treffer führte und an der auch Sebastian Maier und Christopher Nöthe jeweils mit schnellen Pässen beteiligt waren, ließ kurzfristig aufblitzen, zu was die St. Paulianer auch spielerisch in der Lage sind. Es war allerdings auch eine eher intuitive und von Kampfeswillen befeuerte Handlung des Innenverteidigers Gonther und hatte im Grunde nichts mit dem von Trainer Vrabec propagierten Spielsystem und den im Training immer wieder einstudierten Spielzügen zu tun. Insgesamt offenbarte die Mannschaft dieselben Probleme, die sie schon in der vergangenen Saison hatte. Der bisher letzte Heimsieg datiert vom 3. März gegen Union Berlin (2:1).

Nach dem Spiel räumte auch Trainer Vrabec Defizite ein. „Wir wollten in der Anfangsphase gegen das Pressing der Ingolstädter mit langen Bällen arbeiten. Im Verlauf des Spiels wollten wir aber Plan B umsetzen und selbst mehr Fußball spielen. Dieser Switch ist uns nicht gelungen. Aber die Truppe hat eine gute Mentalität gezeigt“, sagte er.

Torschütze Gonther zog ein versöhnliches Fazit. „Es war heute ein Punkt der Moral und ein Spiel, auf das sich aufbauen lässt“, sagte er. Sein Mannschaftsratskollege Jan-Philipp Kalla ergänzte: „Wir haben nie aufgegeben und immer an uns geglaubt.“ Das allerdings sollte für ein Team mit spielerischen Problemen eine Selbstverständlichkeit sein – beim FC St. Pauli allemal.