Der FC St. Pauli vergibt mit der 0:1-Niederlage beim FSV Frankfurt die Chance auf den zweiten Tabellenplatz

Frankfurt am Main. Einen Moment lang blickte Roland Vrabec auf den Statistikbogen, der auf dem Podium im Pressekonferenzraum vor ihm lag. Ein kurzes Kopfschütteln, ein leichtes In-sich-Zusammensacken – der Trainer des FC St. Pauli wusste, welche Chance seine Mannschaft in den vorangegangenen 90 Minuten beim FSV Frankfurt wieder einmal verpasst hatte. Mit einem Sieg wären die Hamburger zumindest bis Montagabend auf den direkten Aufstiegsplatz zwei gesprungen, doch am Ende stand auf der Anzeigetafel im Volksbank-Stadion eine verdiente 0:1-Niederlage, verbunden mit dem Fall auf Platz fünf.

„Die erste Hälfte haben wir völlig verschlafen. Wir waren sehr lethargisch, behäbig, haben den Fight nicht angenommen und waren nur Zuschauer“, fasste Vrabec das Geschehen kurz und prägnant zusammen. Zum ersten Mal erfuhr der Coach als Hauptverantwortlicher, wie es sich anfühlt, ein Auswärtsspiel zu verlieren. Die letzte Pleite in der Fremde datierte vom 2. November 2013. Beim 1:4 in Kaiserslautern saß Michael Frontzeck zum letzten Mal auf der Trainerbank. Durch die gerissene Auswärtsserie von fünf Partien ohne Pleite bleibt St. Pauli konstant unkonstant. Nach zwei Siegen in Serie folgt stets eine Niederlage.

Der gebürtige Frankfurter Vrabec, der von 2001 bis 2007 in der Nachwuchsabteilung des FSV tätig war, hatte bei seinem „Heimspiel“ erneut für Überraschungen gesorgt. Stürmer Christopher Nöthe war aus dem Aufgebot gestrichen worden und in Hamburg geblieben. Fin Bartels bildete gemeinsam mit dem früheren Frankfurter John Verhoek das Sturmduo, Lennart Thy musste erstmals nach der Winterpause auf die Bank. Ebenfalls nur Ersatz war Sören Gonther, der nach abgesessener Gelbsperre wieder spielberechtigt gewesen wäre. Für ihn blieb Florian Mohr in der Startelf. Jungprofi Philipp Ziereis hatte Roland Vrabec durch Jan-Philipp Kalla ersetzt, der zuvor zweimal ohne Einsatzminute geblieben war.

Die bessere Taktik an diesem sonnigen Sonntagmittag hatte vom Start weg jedoch Frankfurts Trainer Benno Möhlmann gewählt, der seine Elf im Stile einer Auswärtsmannschaft tief stehend spielen ließ. Vor einer Heimkulisse – rund 5000 St. Paulianer waren unter den 11.103 Zuschauern – fanden die Hamburger im ersten Durchgang nie ein Mittel, um gefährlich vor das Tor zu kommen. Probleme, die St. Pauli bislang besonders am Millerntor hemmten, kamen so auch in der Fremde zum Tragen. Es war die schlechteste Auswärts-Halbzeit unter Vrabec.

Vorwiegend mit langen Bällen, zumeist von Kapitän Markus Thorandt geschlagen, operierte St. Pauli im Aufbauspiel. Einmal mehr wurde deutlich, wie abhängig das Team vom verletzten Spielorganisator Christopher Buchtmann (Muskelfaserriss) ist. Tom Trybull gelang es als Buchtmann-Vertreter nur selten, die Außenbahnen einzusetzen oder die Stürmer Verhoek und Bartels zu bedienen. In der kommenden Woche in Düsseldorf wird neben Buchtmann auch Trybull fehlen, der sich in der Schlussphase die Gelb-Rote Karte abholte (84.). Markus Thorandt und Marc Rzatkowski sahen zudem die fünfte Gelbe Karte und fehlen ebenfalls.

Der FSV hatte gegen diese Hamburger Elf bereits nach neun Minuten das Siegrezept gefunden. Stürmer Matthew Leckie hatte zunächst Außenverteidiger Sebastian Schachten und dann Kalla im Strafraum aussteigen lassen und unter Mithilfe von Mohr, der den Ball abfälschte, zum frühen Führungstreffer abgeschlossen.

Nach nur 15 Minuten diskutierten Vrabec und Co-Trainer Timo Schultz die Ideenlosigkeit, weitere fünf Minuten später schickten sie Kreativspieler Sebastian Maier zum Aufwärmen, der jedoch zunächst wieder auf der Bank Platz nahm und erst im zweiten Durchgang in die Partie kam – wie Stürmer Michael Gregoritsch. „Wir haben vor dem Spiel angesprochen, dass niemand aufgrund unserer Auswärtsbilanz denken muss, wir ziehen das Trikot an, und dann läuft das hier“, erklärte ein sichtlich verärgerter Vrabec. Denn genauso war sein Team 45 Minuten lang aufgetreten – ohne Kampf und Leidenschaft.

Nach einer lauten Kabinenansprache („Ich musste einige Spieler wecken“) zeigte St. Pauli im zweiten Durchgang zwar eine gänzlich andere Körpersprache, zählbare Erfolge sprangen dabei jedoch nicht mehr heraus. Die Umstellungen – Rzatkowski rückte für Kringe in die Zentrale, Maier auf Kallas Halbposition – beflügelten das deutlich flüssigere Offensivspiel. Doch Tormöglichkeiten von Maier (48.), Gregoritsch (59./64.) und Verhoek (90+3.) blieben ungenutzt. „Eine gute Halbzeit reicht eben nicht, um Punkte zu holen“, wusste Geburtstagskind Tom Trybull, 21. „Wir beginnen die Rückrunde ordentlich, bereiten es gut vor und schaffen dann den Sprung nach oben nicht. So reißen wir uns mit dem Hintern wieder ein, was wir zuvor aufgebaut haben.“ Er meinte: St. Pauli hat in Frankfurt wieder einmal eine große Chance vergeben.