Sportpsychologe Lothar Linz hat schon das Beachvolleyball-Duo Brink/Reckermann zum Olympiasieg geführt. Jetzt rät der Experte St. Paulis erfolglosem Angriff zum Umdenken.

Hamburg. Christopher Nöthe ließ den Kopf hängen. Wie schon gegen Karlsruhe hatte er beim Pokal-Aus in Münster (0:1) eine gute Torgelegenheit vergeben, wie in den beiden vorangegangenen Partien musste er das Feld vorzeitig verlassen und wurde durch einen Kollegen ersetzt. „Nachdem Nöthe seine große Chance nicht genutzt hatte, wusste ich, dass es in seinem Kopf arbeitet“, hatte Trainer Michael Frontzeck die Auswechslung begründet.

In diesem krampfhaften Willen, ein Tor schießen zu müssen, sieht Diplom-Psychologe Lothar Linz die Ursache für die Abschlussschwäche des Angreifers. „Je mehr ich auf dieses Ereignis fokussiert bin, umso schwieriger wird es“, erklärt der 48-Jährige, der das Beachvolleyball-Duo Julius Brink/Jonas Reckermann auf dem Weg zu Olympia-Gold 2012 betreute. Deshalb rät er Profis wie Nöthe, die lange Zeit auf ein Erfolgserlebnis warten, zum Umdenken. „Er muss ganz bewusst von der Frage ‚Erfolg oder Misserfolg?‘ weggehen“, sagt Linz: „Zunächst einmal sollte man sich andere Ziele setzen. Ein Tor entsteht erst dann, wenn ich vorher Dinge richtig mache. Deshalb setze ich mir Handlungsziele: Eindringen in den Strafraum, Ballbesitz im Strafraum und entscheidende Zweikämpfe gewinnen.“

Diesen Weg, den Stürmer nicht nur auf Tore zu reduzieren, geht auch Frontzeck. „Chris hat meine volle Unterstützung“, sagte der Coach, weshalb er wohl auch gegen Arminia Bielefeld am Sonntag (13 Uhr) seine Chance erhält. „Stürmer und Torhüter brauchen mehr Zuwendung, weil sie vom Einzelereignis stärker abhängig sind“, sagt Linz. Häufig sei ein einziger Treffer brustlösend für den Profi. Ein Stürmer des Eishockey-Clubs Kölner Haie, die Linz betreut, habe 17 Spiele lang nicht getroffen. Ein abgefälschter Schuss beendete die Flaute, anschließend erzielte der Spieler so viele Tore wie nie zuvor, erzählt Linz.

Um die Last auf mehrere Schultern zu verteilen, hatte Frontzeck erklärt, jeder Spieler sei eingeladen, aufs Tor zu schießen. Nur ein Treffer in drei Spielen – es krankt wieder einmal in St. Paulis Offensive. Zu häufig trafen die Akteure in Tornähe die falsche Entscheidung. „In dem Moment fehlt der Mut, die Verantwortung zu übernehmen“, glaubt Linz. Das soll sich nun ändern. Wenn St. Pauli an diesem Mittwoch das Training wieder aufnimmt, steht der Torabschluss im Vordergrund.

Mittelfeldspieler Dennis Daube wird St. Pauli noch einige Wochen nicht zur Verfügung stehen. Nach erneuten Knieproblemen diagnostizierten die Ärzte, dass der 24-Jährige derzeit nicht belastungsfähig ist.