Nach achtwöchiger Verletzungspause führt der Joker St. Pauli mit Vorlage und Tor zum 3:1 gegen Dresden und in die Spitzengruppe.

Hamburg. Mannschaft, Trainer- und Betreuerstab klatschten sich ab und machten ihrer Erleichterung mit beherzten Schulterklopfern Luft. Man beglückwünschte sich gegenseitig zum 3:1-Sieg gegen Dynamo Dresden, mit dem der FC St. Pauli die Gunst der Stunde nutzte und nach der ersten Saisonniederlage von Aufstiegskonkurrent Eintracht Frankfurt nach Punkten zur Tabellenspitze aufschloss. Allein der Hauptverantwortliche für den lange fraglichen Erfolg blieb der Feiergesellschaft fern. Während die Kollegen in Richtung Platzmitte geströmt waren, hatte Marius Ebbers den entgegengesetzten Weg zur Trainerbank gewählt und sich unter Mithilfe von Physiotherapeut Peter Ott seiner Armschiene entledigt. Wie in den 90 Minuten zuvor, als er nach seiner Einwechslung beim Stand von 0:1 mit einer Vorlage und einem Tor die Partie gedreht hatte, machte der 33-Jährige auch nach dem Abpfiff den Unterschied aus.

Acht Wochen hatte der erfahrene Angreifer gefehlt. Zunächst wegen eines Muskelfaserrisses in der Wade, dann wegen eines blockierten Nervs im Rücken. Und hätte Charles Takyi nicht wegen Knieproblemen passen müssen, Ebbers wäre frühestens in der kommenden Woche wieder im Kader dabei gewesen. "Ich hatte mir gewünscht, dass ich gar nicht mitspielen muss", berichtete Ebbers von seiner Hoffnung auf einen positiveren Spielverlauf. Doch die Kollegen zwangen sich und den Blondschopf zu ihrem Glück.

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Fehlendes Spieltempo, falsch interpretierte Positionstreue und Ideenmangel sorgten für statisches Quergeschiebe. Zugegeben, die beiden engmaschigen Dresdner Viererreihen boten den Hamburgern nur selten die Chance für ihr schnelles Kombinationsspiel, doch selbst die wenigen Situationen schwarz-gelber Unsortiertheit blieben unerkannt und wurden durch verkomplizierten Spielaufbau nicht genutzt. Einzig Max Kruse konnte einige wenige Akzente auf der linken Außenbahn setzen, ansonsten lag St. Paulis großes Spielpotenzial brach. "Mir hat das Spiel lange Zeit Kopfschmerzen bereitet", berichtete Sportchef Helmut Schulte, dessen Unwohlsein sich in der 66. Minute verstärkte, als Dedic die zweite Dresdner Torchance zur Führung nutzte. Trainer André Schubert hatte zu diesem Zeitpunkt bereits Deniz Naki als Ersatz für den erneut enttäuschenden Petar Sliskovic gebracht, doch erst der folgende Personaltausch sollte die entscheidende Wendung bringen.

Als Dynamo noch jubelte, stand ein Spieler im braun-weiß gestreiften Trikot an der Seitenlinie. Bereit, seinem FC St. Pauli in der bis dahin dürftigen Vorstellung zum Comeback zu verhelfen. Die Tafel des Schiedsrichter-Assistenten zeigte eine rote 19 und die grüne Neun: Mahir Saglik raus, Ebbers rein. So wie am siebten Spieltag, dem letzten Comeback von Ebbers, als er nach seiner komplizierten Ellbogenverletzung beim Stand von 0:2 mit einer Vorlage und einem Treffer eine furiose Rückkehr gefeiert hatte. "Ich dachte: Jetzt müssen wir es wie damals beim 4:2 gegen 1860 München machen", sagte Ebbers und ließ seinen Gedanken Taten folgen: Zwei Minuten nach Fabian Bolls Ausgleich (71.) bediente der Blondschopf Naki per Absatzkick zum 2:1, ehe er fünf Minuten vor dem Abpfiff aus kurzer Distanz zur Entscheidung vollstreckte. "Wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her - und das war heute Ebbers", sinnierte Schulte, während Boll sich eines ehemaligen Stürmers von Bayern München erinnerte und Torjägerqualitäten und Rückenleiden seines Mannschaftskollegen wortakrobatisch in einem Satz vereinte: "Ebbe hat sich nicht viel bewegt, stand aber da, wo man stehen muss - unser Rheuma-Kai."

22 Minuten mit Ebbers genügten St. Pauli, um im 16. Spiel den elften Saisonsieg einzufahren. 35 Punkte stehen als weitere Rekordmarke und bedeuten zwei Zähler mehr als in der Aufstiegssaison 2009/2010. Schuberts Mannschaft ist seit fünf Partien ungeschlagen und damit das Team der Stunde. "Dieser Sieg war Gold wert", weiß Boll, "die anderen haben Punkte gelassen." Und werden dies auch heute tun, wenn Düsseldorf und Fürth im Top-Spiel aufeinandertreffen. Die Ausgangslage vor dem Auswärtsspiel beim Tabellenfünften SC Paderborn ist positiv. "Ergebnis gut, Spiel steigerbar", resümierte Schulte. Was nicht schwerfallen dürfte. Marius Ebbers ist zurück und bereit für weitere 22 Minuten - mindestens.