Vor dem Spiel heute gegen den MSV Duisburg spricht St. Paulis Max Kruse über Jugendsünden und seinen Wandel auf und neben dem Platz.

Hamburg. Der Oberkörper ist nicht nur aufgrund des nahezu perfekten Starts etwas breiter geworden, die Hüften schmaler. Max Kruse wirkt athletischer, vor allem aber ernsthafter als früher. Der 23-Jährige hat einen Reifeprozess vollzogen und mit drei Toren und einer Vorlage entscheidenden Anteil am Höhenflug seines FC St. Pauli. Vor dem heutigen Heimspiel gegen den MSV Duisburg (20.15 Uhr im Liveticker auf abendblatt.de) spricht er im Abendblatt.

Hamburger Abendblatt: Was haben Sie mit Ihrer Aufstiegsprämie 2010 gemacht?

Max Kruse: Ich habe in Teilen damit meine Wohnung finanziert.

Wissen Sie schon, wie Sie mit der Aufstiegsprämie 2012 verfahren werden?

Kruse: Nein. Es geht darum, sich den fußballerischen Herausforderungen zu stellen und nicht um eine Prämie.

Bislang gelang das ja sehr gut. Überrascht Sie dieser Blitzstart?

Kruse: Man hat in der vergangenen Saison gesehen, dass wir grundsätzlich über das fußballerische Potenzial verfügen, um in der Bundesliga zu spielen. Und wir haben Qualität dazubekommen, deshalb überrascht es mich nicht.

Wie schnell hat sich der neue Trainer akklimatisiert?

Kruse: Natürlich ist das nach dem Trainerwechsel auch eine Gewöhnungssache für uns. Er hängt die Disziplin sehr hoch und führt uns da auf den richtigen Weg. Wir sind froh, dass wir mit Herrn Schubert arbeiten können.

Hätte der Max Kruse von 2009 Probleme mit André Schubert bekommen können?

Kruse: Weshalb?

Weil der Max Kruse von damals ein junger, mitunter naiver Luftikus war, der mit wenig Ernsthaftigkeit seinem Beruf nachgegangen ist.

Kruse: Okay, es sind damals vielleicht ein paar Dinge unglücklich gelaufen. So etwas passiert jungen Spielern. Ich denke aber, dass ich daraus die richtigen Schlüsse gezogen habe.

Das heißt, den auf Facebook rappenden MC Max wird es nicht mehr geben?

Kruse: Ein gutes Beispiel. Ich war damals vielleicht tatsächlich etwas naiv, ja. Ich würde das heute nicht mehr machen. Oder auch unter der Woche feiern zu gehen, selbst wenn es vier, fünf Tage vor dem Spiel ist. Wenn es gut läuft, sagt zwar keiner etwas, aber das wird dann irgendwann wieder hochgeholt, wie ich gemerkt habe. Nach einem guten Spiel kann man sicher auch mal abends weggehen. Mittlerweile stimmt das Maß.

War es Ihre Idee, dass Sie jetzt im Zentrum spielen?

Kruse: Während der Vorbereitung gab es Einzelgespräche zwischen Spielern und Trainer. Da habe ich ihm gesagt, dass ich lieber zentral spielen würde und durfte dort dann gleich in den Tests auflaufen. Anscheinend hat es ihm so gut gefallen, dass ich das in der Liga fortsetzen durfte. Ich bin viel mehr im Spiel, habe deutlich mehr Kontakte. Es ist schöner, den Ball selbst zu haben ...

... und ihn ins Tor zu befördern. Sie sind drittbester Scorer der Liga. Sehen wir den besten Max Kruse aller Zeiten?

Kruse: Zu Saisonbeginn taucht man mit drei Toren schnell oben auf. Ich gebe da nichts drauf.

Dennoch wird die Messlatte dadurch automatisch höher gelegt .

Kruse: Druck hat jeder Spieler, vor allem in unserem ausgeglichenen Kader. Wer nicht Vollgas gibt, hat ein Problem.

Beim Top-Favoriten in Frankfurt verdient einen Punkt geholt, in Bochum gewonnen, Spitzenreiter. Mit dieser Mannschaft ist doch mehr möglich als Platz sechs oder sieben .

Kruse: Ja, aber diese Möglichkeit haben viele andere Teams auch. Einige sind noch nicht so eingespielt, haben aber wahnsinniges Potenzial. Es wird noch einiges zusammengekommen in dieser Serie, seien Sie sich dessen sicher.

Sie haben Ihr Ziel mit der Bundesliga dagegen immer klar formuliert.

Kruse: Ich bin da missverstanden worden. Am liebsten hätte ich mit St. Pauli Bundesliga gespielt, habe mich dann aber entschieden, hierzubleiben und einen neuen Versuch zu wagen. Und da sind wir auf einem guten Weg.

Hätten Sie wechseln können?

Kruse: Das ist Geschichte.

Sie hatten im Sommer angekündigt, dass Sie auch abseits des Platzes mehr Verantwortung übernehmen wollen.

Kruse: Das geht nicht von heute auf morgen. Ich bin dabei, meine Lebensweise zu ändern, und denke, dass das dann im Laufe der Zeit in der Mannschaft akzeptiert wird.

Gab es einen bestimmten Moment, der Sie zum Umdenken bewogen hat?

Kruse: Es sind viele Kleinigkeiten. Zum Beispiel haben wir jetzt acht oder neun jüngere Spieler im Team. Als ich einen Blick auf unseren Kader geworfen habe, ist mir klar geworden, dass ich langsam mal aus den Puschen kommen und das Beste aus mir herausholen muss. Denn ich glaube, dass ich das noch nicht getan habe. Ich bin es mir selbst schuldig.

Welche Rolle spielt die Familiensituation bei Ihrem Reifeprozess? Ihr Sohn ist am Freitag ein Jahr alt geworden.

Kruse: Dadurch verändert sich vieles.

Wechselt Max Kruse die Windeln?

Kruse: Natürlich.

Flasche geben?

Kruse: Ja.

Nachts aufstehen?

Kruse: Lauro Maxim schläft mittlerweile durch. Also, das Meiste bleibt an seiner Mutter hängen, aber ich versuche eben auch da, meinen Teil beizutragen.

Wann gibt es die nächste Familienfeier? Sie sind noch nicht verheiratet.

Kruse: Lassen wir uns mal überraschen.

Aber die Fans können für Montag mit einer Feier planen, oder?

Kruse: Hoffentlich. Es wird allerdings schwer. Duisburg blieb bislang hinter den Erwartungen zurück, steht total unter Druck und will den ersten Sieg.

Wie Aachen vor zwei Wochen?

Kruse: Die Konstellation ist ähnlich, ja. Aber wir sollten versuchen mal nicht wieder in Rückstand zu geraten.

Wenn Sie das Spiel mit zwei Toren drehen, sind doch alle zufrieden.

Kruse: Mir wäre es lieber, wir gehen diesmal gleich in Führung.