Explodierende Mitgliedszahlen bescheren der AFM trotz zweiter Liga einen Rekordumsatz und einen neuen Stellenwert im FC St. Pauli.

Hamburg. Am Anfang stand die Opposition. Aus Protest über Vereinsführung und sportliche Leitung begann sich beim FC St. Pauli im Jahr 1996 die Arbeitsgemeinschaft interessierter Mitglieder (AGiM) zu formieren. Ein Instrument, das die Fans fortan vermehrt Einfluss nehmen ließ. Die AGiM prangerte Missstände und Fehlverhalten an, polarisierte und gestaltete so den Klub sowie dessen Streitkultur maßgeblich mit - und nahm auch organisch Einfluss: Ein Aufsichtsrat wurde installiert und am 10. November 1999 eine neue Sparte gegründet, die zwölf Jahre später nicht nur zur größten, sondern auch einflussreichsten Abteilung innerhalb der braun-weißen Familie geworden ist: die Abteilung Fördernde Mitglieder (AFM).

An deren Herangehensweise und Selbstverständnis hat sich bis heute nichts geändert. "Wir sehen unsere Aufgabe darin, die Arbeit der Verantwortlichen kritisch zu begleiten und an den richtigen Stellen beratend tätig zu werden", heißt es in einem der Leitmotive. Allerdings beschränkt sich die Tätigkeit längst nicht mehr auf die Beratung. Die AFM ist mit ihren stetig steigenden Investitionen in Nachwuchs- und Jugendarbeit im großen Stil operativ tätig und liefert immer neue Rekordzahlen. Erstmals in ihrer Geschichte verwaltet die Abteilung, in der sich viele nicht Sport treibende Mitglieder des Vereins organisieren, einen Millionenetat. Der Etat ist das Resultat der seit Jahren stetig steigenden Mitgliederzahlen und lässt einen weiteren Superlativ erahnen.

Der Stolz, mit dem der erste AFM-Vorsitzende Tonny Burggraf im Februar 2000 von den ersten 150 neu geworbenen Förderern berichtete, wirkt angesichts der folgenden Entwicklung geradezu belustigend. Die Beitrittszahlen stiegen von Jahr zu Jahr, bis sie schließlich explodierten. "Vor zwei Jahren waren es etwas mehr als 4000", erinnert sich Alexander Gunkel, seit 2006 Vorsitzender, dem einige Mitglieder im August 2010 Größenwahn unterstellten, als der 41-Jährige das Durchbrechen einer Schallmauer ankündigte: "10.000 AFM-Mitglieder sind nicht unrealistisch. Diese Marke wollen wir mittelfristig erreichen." Gunkel irrte. Die Zahl wird bereits in dieser Saison, möglicherweise schon in diesem Jahr erreicht. Aktuell können etwas mehr als 9200 Mitglieder verzeichnet werden. Selbst nach dem Bundsliga-Abstieg finden immer mehr Menschen den Weg in die AFM. 10.000 Mitglieder, eine Million Euro Etat. "Eine beachtliche Entwicklung", wie nicht nur Gunkel findet. "Erfreulich, sehr erfreulich", sagt Sportchef Helmut Schulte, dem die Philosophie der Abteilung zusagt: "Die AFM sorgt dafür, dass die Beiträge zweckgebunden im Bereich der Nachwuchsförderung eingesetzt werden. Das ist eine hervorragende Konstruktion. Wir brauchen die Gelder dort."

Mindestens 75 Prozent der jährlichen Ausgaben wandern in den Nachwuchsbereich, der vom Wachsen der AFM so direkt partizipiert. 822.500 Euro fließen in dieser Saison in die Jugendförderung des FC, allein 775.500 davon in die Fußballabteilung. Vor drei Jahren war es nicht mal die Hälfte. Wer wissen will, was aus den Mitgliedsbeiträgen der vergangenen Jahre geworden ist, muss sich am Brummerskamp in Schnelsen, dort wo die leistungsorientierten Jugendmannschaften des FC St. Pauli trainieren, ein Bild machen. Die AFM unterhält das Jugendtalenthaus, in dem sechs Bewohner und zwei Tagesgäste leben, samt außersportlicher Betreuung. Sie renoviert die Duschen, organisiert und bezahlt den Fahrdienst, Weiterbildungen für Trainer, kümmert sich um die Instandhaltung des Geländes.

"Uns geht es in erster Linie um nachhaltige Investitionen. In diesem Jahr werden wir uns auch schwerpunktmäßig der G- und F-Jugend widmen", sagt Gunkel. Viele der Fünf- bis Achtjährigen kommen direkt aus dem Viertel, die meisten aus einnahmeschwächeren Elternhäusern. 35.000 Euro stehen bereit. Alles in Absprache mit der Vereinsführung. "Der Präsident ist AFM-Mitglied, die meisten im Aufsichtsrat auch. In vereinspolitischen Zusammenhängen werden wir ernster genommen. Insbesondere die Kommunikation mit Helmut Schulte ist sehr positiv", sagt Gunkel, der allerdings auch weiß, das noch längst nicht alle die ehrenamtliche Arbeit in seiner Abteilung wertschätzen. Dass einige im Klub die Gelder lieber anders einsetzen würden, ist angesichts der Summen klar.

Doch für Probleme sorgt das nicht. Vielmehr bestimmt die mittelfristige Zukunft der Abteilung die Überlegungen des Vorstands. "Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir den wachsenden Aufgaben begegnen wollen", sagt Gunkel. Die Erweiterung der vierköpfigen Abteilungsleitung ist eine Variante, die Installierung eines hauptamtlichen Geschäftsführers eine andere. Die AFM, von vielen einst als Ansammlung von Chaoten und Querulanten belächelt, hat an Seriosität gewonnen. Hält die Entwicklung an, müssen weitere Investitionssektoren definiert werden. Die ersten Bewerber auf die zweite Million warten schon. Ganz sicher.