Nach dem 1:1 beim ersten Aufstiegskandidaten Eintracht Frankfurt versucht der FC St. Pauli, sich nicht in eine neue Rolle drängen zu lassen.

Hamburg. Das Urteil nach einer kurzen Nacht, einem frühen Rückflug nach Hamburg und einem direkt anschließenden Waldlauf fiel eindeutig aus. Die Spieler des FC St. Pauli ärgerten sich über den Ausgleichstreffer in der 78. Minute und die dadurch vergebenen zwei Punkte bei Eintracht Frankfurt - dem selbst ernannten und von einem Großteil der Zweitligatrainer bestätigten ersten Kandidaten auf den Bundesligaaufstieg.

Insbesondere die erste Halbzeit, in der St. Pauli den Gegner kontrollierte, ihm kaum Gelegenheit bot, Gefahr zu entwickeln, und selbst Chancen kreierte, lassen die Erwartungen steigen. "Wir hatten in der ersten Halbzeit ein gutes Defensivverhalten, waren dominant und haben den Rhythmus bestimmt", sagte Trainer André Schubert am Tag danach. "Wir müssen aus dem Spiel lernen, dass wir weniger daran denken, das 1:0 über die Bühne zu bringen, als vielmehr ein zweites Tor zu erzielen. Wir müssen das Selbstverständnis entwickeln, das Spiel so lange zu dominieren, bis es entschieden ist."

Die Sätze klingen ein bisschen so, als hätte seine Mannschaft gerade mit Ach und Krach einen Punkt gegen einen Abstiegskandidaten eingefahren statt auswärts den Topfavoriten auf den Aufstieg an den Rand einer Niederlage gebracht zu haben. Die Sätze spiegeln aber auch das Selbstverständnis von André Schubert wider. Er arbeitet akribisch und findet stets Dinge, die es besser zu machen gilt, unabhängig vom Gegner. So auch nach dem Spiel gegen Frankfurt, das besonders in der zweiten Halbzeit einige Möglichkeiten offenbarte, den Schraubschlüssel anzusetzen und zu justieren. "Wir dürfen in den letzten 20 Minuten nicht so passiv werden. Wir haben es nicht mehr geschafft, Druck auf den Ball auszuüben."

Schubert geht stets davon aus, dass seine Mannschaft noch mehr kann als bisher gezeigt und im Verlauf der Saison noch besser wird. Die beachtliche Frühform und über weite Strecken gezeigte eigene Stärke lassen ihn dennoch nicht in Euphorie ausbrechen. Er hält an dem vor der Saison ausgegebenen Ziel, oben mitzuspielen, fest. Die Meinung Außenstehender, die St. Pauli nach dem 2:0-Auftaktsieg gegen Ingolstadt und dem 1:1 vom Montag in Frankfurt jetzt in einem Kreis von Favoriten mit der Eintracht sehen, interessiert ihn nicht. "Wir machen unser Ding und versuchen uns zu verbessern."

Die Spieler haben ebenfalls verinnerlicht, dass es vorerst nicht um den Aufstieg geht, sondern immer nur um das nächste Spiel. Der Ärger und die Enttäuschung über das Unentschieden gegen Frankfurt weisen jedoch darauf hin, dass in der Mannschaft durchaus Ansprüche da sind, ganz oben anzugreifen. "Am Ende war der Ärger größer als die Freude", sagte Florian Bruns. "Aber wenn wir so weitermachen, dann spielen wir eine gute Saison. Wir nehmen die Favoritenrolle, die uns andere zuschreiben, mit einem Lächeln hin. Wir werden das oft zu hören bekommen, es stört uns aber nicht. Wir haben uns lediglich vorgenommen, guten Fußball zu spielen. Und mit unserem Kader müssen wir vor niemandem Angst haben."

Das sah auch Marius Ebbers so, der nach seinem Muskelfaserriss ein ansprechendes Comeback abgeliefert hatte. "Wir haben nicht nur gezeigt, dass wir gegen ein Team wie Frankfurt mitspielen, sondern dass wir sie dominieren können. Das 1:1 war für Frankfurt unverdient, aber für uns ist es ein Ergebnis, auf dem wir aufbauen können."

Seine eigene Leistung beurteilte St. Paulis einstiger Toptorjäger durchaus kritisch. Er sehe noch Steigerungspotenzial, erklärte Ebbers, vor allem müsse er sich selbst noch mehr Chancen erarbeiten. Vom Trainer gab es dennoch lobende Worte für den 33-Jährigen. "Er hat in der Vorbereitung schon einen sehr starken Eindruck gemacht, gerade was die Fitness- und Ausdauerwerte anging", sagte Schubert. "In der zweiten Halbzeit hatte er einen schweren Stand da vorne."

Vorerst ein wenig hintendran scheint dagegen Neuzugang Mahir Saglik zu sein. Der vom VfL Bochum gekommene Angreifer, den Schubert noch aus seiner Zeit beim SC Paderborn kennt, blieb gegen Frankfurt 90 Minuten auf der Bank. Gegen Ingolstadt war er eine Viertelstunde vor Schluss für Deniz Naki eingewechselt worden: "Er ist später zur Mannschaft gestoßen und seine Zeit wird jetzt kommen", erklärte Schubert die Ausgangsposition des Türken. "Er wird noch beweisen können, dass er ein Torjäger ist. Was nicht heißt, dass Ebbers dann rausmuss." Gut möglich, dass Saglik bereits im Pokalspiel am Sonnabend bei Eintracht Trier erstmals von Beginn an in einem Pflichtspiel für St. Pauli auflaufen darf.