Die Hamburger kassierten beim 2:2 in Wolfsburg wieder ein spätes Gegentor, versuchen sich aber an der ansehnlichen Leistung aufzurichten.

Wolfsburg/Hamburg. Es lief die 87. Spielminute, als St. Paulis Spieler noch einmal alle Kräfte mobilisierten. Wild mit den Armen rudernd, animierten Verteidiger Florian Lechner und Mittelfeldspieler Deniz Naki die mitgereisten Fans, forderten so die ultimative Unterstützung für die verbleibende Zeit bis zum Abpfiff ein. Schon vorher waren in der Volkswagen-Arena fast nur noch die Anhänger des Kiezklubs zu hören gewesen. Sie feierten ihre Mannschaft für eine couragierte Vorstellung im Kellerduell beim enttäuschenden VfL Wolfsburg, machten sich berechtigte Hoffnungen auf den ersten Sieg nach sieben verlorenen Spielen in Folge.

Keine fünf Minuten später schlich Naki über den Platz, stemmte immer wieder die Arme in die Hüften und schüttelte den Kopf. Der U-19-Europameister konnte nicht glauben, was soeben passiert war. Er hatte mit seinem ersten Bundesligatreffer den zwischenzeitlichen Ausgleich erzielt (61.), Matthias Lehmann anschließend für St. Paulis verdiente Führung gesorgt (77.), doch nun war von den erhofften drei Punkten wieder nur einer übrig geblieben. Im Anschluss an eine Ecke hatte Wolfsburgs Polak eine Minute vor Ende der regulären Spielzeit zum 2:2-Endstand getroffen - wieder einmal ein spätes Gegentor (siehe Infokasten rechts) und eine gefühlte Niederlage, wie nicht nur Naki später feststellen sollte.

Während St. Paulis Fans draußen "You'll never walk alone" anstimmten und Wolfsburgs Anhänger ihre Mannschaft gnadenlos auspfiffen, konnte sich Helmut Schulte in den Katakomben nicht mehr bremsen. Der sonst so beherrschte Sportchef St. Paulis trat eine Wasserkiste durch die Kabine, gestand später ein, im Wutrausch beinahe Sachbeschädigung begangen zu haben. "Ich musste mich erst mal beruhigen", sagte Schulte mit ein wenig Abstand, "aber es ist einfach auch schwer zu verstehen, dass wir es wieder nicht geschafft haben, nach einer guten Leistung mit einem ordentlichen Ergebnis dazustehen." Interimskapitän Gerald Asamaoh hatte ebenfalls kein Verständnis für die fehlende Zuordnung beim Ausgleich: "Es ist nicht das erste Mal, dass wir so ein Tor bekommen", sagte der ehemalige Nationalspieler. "Irgendwann macht es keinen Spaß mehr."

Holger Stanislawski hatte seinen Frust auch am Tag danach noch nicht verwunden. "Ohne die späten Gegentore würden wir uns Gedanken um die Europa League machen, so ist es der Relegationsplatz. Jedes Mal ist ein anderer beteiligt", sagte der Coach, der jedoch nicht nur Kritik am Defensivverhalten beim Gegentor übte. Seine Mannschaft habe es auch verpasst, ihre Chancen in Tore umzumünzen.

Für Verärgerung bei Stanislawski sorgte zudem der Führungstreffer der Wolfsburger, bei dem der Coach eine krasse Fehlentscheidung des Schiedsrichtergespanns ausgemacht hatte. In der Tat war Mandzukics Tor (39.) unglücklich für St. Pauli zustande gekommen, weil die Unparteiischen zuvor weder auf Foul von Diego an Eger noch auf Handspiel oder Abseits entschieden hatten - allesamt mögliche Auslegungen der strittigen Szene. "Das sieht ein Zwölfjähriger", schimpfte Stanislawski. "In Schulnoten ist das ,ungenügend'."

Der Coach weiß allerdings auch, dass alles Hadern die am Ende vergebenen Punkte nicht zurückbringt. Vier Zähler beträgt nun bereits der Abstand zu einem Nichtabstiegsplatz. Das Restprogramm mit den Heimspielen gegen Bremen (23.4.) und München (7.5.) sowie den Gastspielen in Kaiserslautern (29.4.) und Mainz (14.5.) hat es in sich. "Obwohl wir vier Punkte Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz haben, sind andere unruhiger als wir", meint Stanislawski. "Wir haben gegen Wolfsburg wieder richtig gut Fußball gespielt. Wenn wir so spielen, können wir auch in Lautern oder Mainz etwas holen. Gegen Werder und Bayern haben wir früher auch schon mal gewonnen."

Entscheidender Trumpf St. Paulis im Abstiegskampf kann nur der Teamgeist sein. Nachdem der Kiezklub schon in der Vorwoche in Leverkusen lange Zeit mitgehalten hatte, dominierte die nominell klar unterlegene Elf diesmal gegen das hoch bezahlte Ensemble der Wolfsburger. Deren Meistertrainer Felix Magath gestand nach der Partie ein, dass die Braun-Weißen genau das hatten, was seinen Stars fehlte: mannschaftliche Geschlossenheit. Auch gegen Bremen wird St. Pauli wieder alle Kräfte mobilisieren. So viel ist sicher. Nach dem Remis vom Sonnabend hilft dann allerdings nur ein Sieg.