Der FC St. Pauli unterliegt trotz 1:0-Führung mit 1:2 beim Tabellenzweiten Leverkusen und kassiert damit bereits die siebte Niederlage in Folge.

Leverkusen. Andre Trulsen sprintete auf das Feld und klatschte seine Spieler kraftvoll mit der rechten Hand ab, der Co-Trainer verteilte Getränke und lobende Worte, putschte auf und heizte bei sommerlichen 22 Grad Außentemperatur weiter ein, ehe die Spieler zur Halbzeitansprache von Chefcoach Holger Stanislawski in den Katakomben verschwanden. Die torlosen ersten 45 Minuten genossen aufseiten der Hamburger Siegcharakter. Nach sechs Niederlagen in Folge, dem erstmaligen Absturz auf Tabellenplatz 17 und der schier unlösbaren Aufgabe beim Tabellenzweiten Bayer Leverkusen eine nachvollziehbare Einordnung.

Die aktuelle Bundesliga-Tabelle

60 Minuten später bewegte sich Trulsen erneut in Richtung Platz. Ohne jenen Schwung, jene Aggressivität und ohne aufmunternde Worte. Seine Spieler machten auch nicht den Eindruck, aufnahmefähig zu sein. Die zweite Halbzeit schien ihnen die zuvor schier unerschöpfliche Kraft entzogen zu haben. Wer noch konnte, stützte sich müde auf seine Knie, der Rest war nach dem 1:2 zu Boden gesunken.

Sie hatten sich etwas vorgenommen, hatten gekämpft, mehr noch als sonst. Angeführt von Matthias Lehmann und Fabian Boll wurden die spielstarken Leverkusener attackiert. Mit Körpereinsatz geschwächt, hohem Laufpensum zermürbt und permanenten kleinen Fouls genervt. In der Defensive warfen sich vornehmlich Markus Thorandt und Marcel Eger mutig in die Schussbahnen. Man unterstützte sich, man half sich, schuf Überzahlsituationen, bügelte Fehler der Kollegen selbstlos aus. Ein funktionierendes Gebilde, das Ballgewinne forcierte und im Verbund mit Leverkusener Fahrlässigkeiten vor dem erneut von Benedikt Pliquett gehüteten Tor dafür sorgte, dass der erste Treffer auf der Gegenseite fiel. Charles Takyi verwandelte eine Hereingabe von Florian Bruns nach einer Stunde zum etwas glücklichen 1:0.

"Wir hatten angeblich keine Chance, und die hätten wir fast genutzt", resümierte Sportchef Helmut Schulte zähneknirschend. Fast. Denn den Willen der Leverkusener brach St. Pauli mit dem Tor nicht. Die Rheinländer erhöhten den Druck noch einmal deutlich, nach 90 Minuten standen 71 Prozent Ballbesitz in der Statistik. Ein eindrucksvoller Wert und ebenso aussagekräftig wie die Tatsache, dass Pliquett in den Reihen der Hamburger die meisten Ballkontakte hatte (56). Die Elf von Trainer Jupp Heynckes drehte die Partie durch Tore von Stefan Kießling (66.) und Lars Bender (77.). "Wir werden jetzt wieder viele Komplimente bekommen, aber stehen ohne Punkte da", orakelte Schulte nach dem leidenschaftlichen Auftritt und wurde schon kurz darauf zum Propheten. Mit süffisantem Lächeln eröffnete Leverkusens Medienchef Meinolf Sprink die Pressekonferenz: "Vielen Dank für diesen spannenden Nachmittag, Herr Stanislawski."

Der Coach wirkte etwas angeschlagen, gab sich aber gewohnt kämpferisch: "Riesen Kompliment an die Jungs. Man muss auch bedenken, welche Klasse dieser Gegner hat und dass bei uns mit Fabian Boll ein Spieler mit einem Bänderriss auf dem Platz stand und andere, die seit Wochen nicht mehr gespielt hatten." Eger kam zu seinem Premieren-Startelfeinsatz in der Bundesliga, Deniz Naki stand erstmals seit drei Monaten wieder in der Anfangsformation, Bruns zum zweiten Mal innerhalb der vergangenen fünf Monate, und Florian Lechner durfte nach seinem Einsatz am 30. Oktober 2010 wieder Bundesliga-Atmosphäre genießen. Vier Rückkehrer, die beinahe das Comeback des FC St. Pauli miterlebten. Doch das Pünktchen Hoffnung blieb aus.

Mit der nunmehr siebten Niederlage ist der 14 Jahre alte Negativrekord der Klubhistorie eingestellt. Damals stieg St. Pauli am Ende ab. Und 2011? Auch wenn sich die Mannschaft aufgrund der kämpferisch beeindruckenden Vorstellung nichts vorzuwerfen hat, spricht vieles für die Zweite Liga. Leverkusen hat den Abstand verkürzt - auf Borussia Dortmund, aber auch für St. Pauli zum Abstieg. "Unsere Leistung war ein Lebenszeichen an alle, die uns totgesagt hatten", meinte Lehmann dennoch. "Jetzt müssen wir in Wolfsburg noch eine Schippe drauflegen."