Dem FC St. Pauli droht eine empfindliche Strafe nach dem Abbruch der Partie gegen Schalke 04. Auch ein Geisterspiel ist möglich.

Hamburg. Die strahlende Sonne konnte auf dem Trainingsgelände des FC St. Pauli an der Kollaustraße nicht darüber hinwegtäuschen, dass über dem Klub dunkle Wolken aufgezogen sind. Die 0:2-Abbruchniederlage gegen den FC Schalke 04 vom Freitag bedeutete die sechste Pleite in Folge und einen weiteren Rückschlag im Kampf um den Klassenverbleib in der Fußball-Bundesliga. Zu allem Überfluss verloren die Braun-Weißen durch Platzverweise auch noch zwei weitere Verteidiger.

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Die sportliche Situation bot also genug Gesprächsstoff, und dennoch gab es rund um die Regenerationseinheit am Sonnabend eigentlich nur ein Thema: die Umstände und Konsequenzen des Skandals vom Vorabend. Schiedsrichter Deniz Aytekin hatte die Partie zwei Minuten vor Spielende abgebrochen, nachdem sein Assistent Thorsten Schiffner von einem vollen Bierbecher getroffen zu Boden gegangen war. "Das war ein bitterer Tag für den FC St. Pauli", erklärte Sportchef Helmut Schulte mit dem Abstand einer unruhigen Nacht. Wie Trainer Holger Stanislawski und einige Spieler hatte er sich bereits nach Spielschluss bei den Unparteiischen für den Vorfall entschuldigt. "Ich möchte aber darauf hinweisen, dass 25 000 Menschen im Stadion waren und zehn, 20, 30 nicht in der Lage waren, ihre Emotionen zu kanalisieren", meinte Schulte. "Die Fehlgeleiteten hat man überall. Mir ist es wichtig, dass man die Menschen in unserem Stadion nicht in Sippenhaft nimmt."

In der Tat ist das Werfen von Gegenständen auf das Spielfeld kein Hamburger Phänomen, keines des Fußballs, keines einer bestimmten Gesellschaftsschicht. Der "Vollhonk" vom Millerntor - wie Stanislawski ihn bezeichnete - saß auf der Haupttribüne des Stadions, auf den besseren Plätzen. Auch von den anderen Tribünen waren zuvor Becher, Münzen und Feuerzeuge geflogen. Gleiches passiert im Eishockey, im Handball, überall, wo Fans ihre Sportler und Mannschaften schlecht behandelt sehen können. Besser macht dies das Geschehene natürlich nicht. "Das sind Sachen, die im Stadion nichts zu suchen haben", erklärte Stanislawski. "Es muss mir bewusst sein, dass ich, wenn ich etwas werfe, jemanden treffen und verletzen kann. Solche Leute sollen besser vor dem Fernseher bleiben. Den können sie mit Bierbechern bewerfen." Schulte kündigte an, dass der Täter mit Schadenersatzforderungen rechnen muss.

+++ Berühmte Spielabbrüche +++

Ein Verdächtiger wurde noch im Stadion vorübergehend festgenommen. Es handelt sich um den 43-jährigen Stefan H., der aus Nord-Niedersachsen stammt und bis dato nicht polizeibekannt war. Er verweigerte die Aussage zu den Vorwürfen und wurde wieder auf freien Fuß gesetzt. "Er ist von Ordnern festgehalten und an andere Ordner übergeben worden, die ihn dann wiederum zu unseren Kollegen gebracht haben", erklärte Polizeisprecherin Karina Sadowsky. Nach Vereinsangaben habe er nach dem Wurf versucht zu fliehen und einen verwirrten Eindruck gemacht. Ermittelt wird wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung. Die Polizei sucht Augenzeugen. Sadowsky: "Wer etwas gesehen hat, sollte sich unter 040 428 656 789 melden." Auch der Verein bittet um Hinweise.

Kein Wunder, schließlich erwartet St. Pauli nach dem zweiten Spielabbruch wegen einer Wurfattacke in der gesamten Bundesliga-Historie eine empfindliche Strafe. "Die Spanne ist recht groß: Es geht von einer Geldstrafe über ein Geisterspiel bis hin zu einer möglichen Platzsperre", sagte DFB-Mediendirektor Ralf Köttker am Sonntag in der TV-Sendung "Doppelpass" auf Sport1. Der Vorfall sei "alles andere als ein Kavaliersdelikt", ergänzte Köttker. Positiv dürfte gewertet werden, dass sich St. Paulis Verantwortliche reumütig zeigten. "Wenn es für St. Pauli richtig gut läuft, wird das Sportgericht eine hohe Geldstrafe und eine Teilsperrung im Stadion verhängen. Betroffen wäre dann die Tribüne, wo das Delikt passiert ist", meint der renommierte Sportrechtler Christoph Schickhardt. Eine Platzsperre gelte grundsätzlich für das nächste Heimspiel. Sollte das DFB-Sportgericht in den kommenden Tagen ein "Geisterspiel" verhängen, würde also ausgerechnet das Derby gegen Werder Bremen vor leeren Tribünen stattfinden. St. Paulis Sportchef mochte lieber noch keine Prognose abgeben. "Wir alle wissen, dass man auf hoher See und vor Gericht in Gottes Hand ist. Da kann alles passieren." St. Pauli kann nur warten und auf Gnade hoffen.