St. Paulis Teamarzt Johannes Holz spricht im Interview mit dem Hamburger Abendblatt über Verletzungen und mögliche Versäumnisse.

Die Personallage in der Abwehr des FC St. Pauli ist angespannt. Mit Markus Thorandt kehrt zwar ein zuletzt gesperrter Profi zurück, vier Verteidiger fehlen aber weiter verletzt. Neben der Anzahl der Ausfälle sorgt auch die Tatsache, dass sich mit Fabio Morena und Bastian Oczipka zwei Spieler nach Vorverletzungen wieder schwer verletzten, für Gesprächsstoff. Teamarzt Johannes Holz stellte sich zum Interview.

Abendblatt: Herr Holz, warum hat St. Pauli so große Verletzungsprobleme?

Johannes Holz: Grundsätzlich ist es so, dass wir in den vier Jahren, seit Holger Stanislawski Trainer ist, die Verletzungshäufigkeit nahezu halbiert haben. Wenn es allerdings so weitergeht wie jetzt, wird das zugegeben statistisch diesmal eine schlechtere Saison. Auffällig ist, dass es im Moment eine bestimmte Gruppe von Spielern betrifft, nämlich die Viererkette in der Abwehr. Wenn sich die Verletzungen auf die Mannschaftsteile verteilen würden, wäre auch die öffentliche Wahrnehmung der Problematik wahrscheinlich eine andere. Über nur vier Verletzte würde sich manches Bundesligateam freuen.

Dennoch wird in diesen Tagen auch in der Mannschaft über die Ursachen diskutiert. Genannt wurden zum Beispiel schlechte Platzverhältnisse.

Holz: Schwierige Bedingungen hatten wir in den vergangenen Wintern auch. Ich halte deshalb nichts davon, über die Trainingsplätze zu diskutieren. Die Verletzungen, über die wir sprechen, sind fast alle traumatischer Natur, das heißt durch Tritte oder Ähnliches ausgelöst worden. Muskuläre Verletzungen sind bei uns stark zurückgegangen. Bei unserer aktuellen Serie muss man einfach sagen, dass das auch Pech ist.

Inwieweit kann man von Pech sprechen, wenn sich mit Fabio Morena und Bastian Oczipka zwei Spieler nach Vorverletzungen direkt wieder schwer verletzen?

Holz: Es gibt eine Studie, aus der hervorgeht, dass jeder Topklub in Europa etwa 50 Verletzungen pro Saison verzeichnet. Wenn die Spieler wieder loslegen, kommt es in zwölf Prozent der Fälle zu erneuten Verletzungen. Das sind also nicht gerade wenig. Wir können das Schicksal auch nicht beeinflussen.

Es gab also keine Versäumnisse seitens des Vereins.

Holz: Das waren völlig normale Abläufe. Ein zuvor verletzter Spieler trainiert wieder mit der Mannschaft, er tut dies beschwerdefrei. Nach der Genesung entscheidet der Trainer, dass er wieder nominiert wird. Aber natürlich nur, wenn der Spieler vollen Belastungen im Training standgehalten hat und nicht, wenn er sich schlecht fühlt. Das werden Ihnen auch Morena und Oczipka bestätigen. Die Verletzungen sind, auch wenn sie an der gleichen Stelle auftraten, neue Ereignisse. Bei Oczipka ist es auch noch ein völlig anderes Verletzungsmuster. Er muss einfach extrem unglücklich aufgekommen sein.

Inwieweit sind Sie als praktizierender Arzt eigentlich in die Abläufe beim FC St. Pauli eingebunden?

Holz: Unter Stanislawski, Andre Trulsen und Klaus-Peter Nemet hat sich das wirklich enorm geformt. Das Team um das Team hat uns die letzten Jahre ausgezeichnet. Wir haben beispielsweise neben den normalen Behandlungen regelmäßige Meetings, an denen die Trainer, Physiotherapeuten, Sportwissenschaftler und wir Ärzte teilnehmen. Zweimal in der Saison gehen wir jeden einzelnen Spieler durch, diskutieren Problemfelder wie Muskelverkürzungen oder Schwächungen von Bändern und sprechen Maßnahmen zur Prophylaxe ab, um den Spieler gesund durch die Saison zu bekommen. Aber noch mal: Wir können nicht alle Schicksalsschläge abwenden, egal wie gut wir zusammenarbeiten.

Wann ist ein Spieler nach einer Verletzung wieder medizinisch gesund?

Holz: Es werden Kontrolluntersuchungen gemacht. Bei Brüchen ist das in der Regel Röntgen oder Computertomografie, bei nicht knöchernen Verletzungen Kernspintomografie. Wenn da ein guter und regelhafter Verlauf zu erkennen ist, erteilen wir die Freigabe für das Rehatraining. Von da an erfolgt eine graduelle Belastungssteigerung. Gegebenenfalls werden noch weitere Kontrollen gemacht. Sobald der Spieler die Freigabe fürs Mannschaftstraining hat, ist er auch rein rechtlich wieder gesund.

Irren ist aber ja bekanntlich menschlich. Gilt das auch für Ärzte?

Holz: Unfehlbar ist niemand, aber wir versuchen mit allem verfügbaren, hochqualifizierten Know-how die bestmögliche Versorgung zu bieten. Es bleibt immer ein gewisses Restrisiko, auch für Folgeverletzungen. Das zeigt ja die Statistik. Die Herausforderung im Hochleistungssport ist, dass wir die Rekonvaleszenz so kurz wie möglich halten wollen. Ein Nicht-Profi kann sich natürlich einen längeren Zeitraum gewähren als ein Fußballer, der seinen Beruf wieder ausüben will. Bei all dem, was wir tun, gehen wir aber definitiv kein zusätzliches Risiko auf Kosten des Spielers ein.