Der FC St. Pauli verschenkt beim 2:2 gegen den SC Freiburg erneut zwei Punkte, Tausende Fans protestieren gegen die Vereinsführung.

Hamburg. Die Ränge im Stadion hatten sich längst geleert, als hoch oben in einer Loge der Haupttribüne noch ein Gesang ertönte. "Wie schön, dass du geboren bist ...", wurde von den Anwesenden für Bernd-Georg Spies dargebracht. Eine nette Geste zum 56. Geburtstag, über die sich St. Paulis Vizepräsident am späten Sonnabend jedoch nicht so recht zu freuen vermochte. Zum einen hatte der Kiezklub beim 2:2 gegen den SC Freiburg kurz zuvor zwei wichtige Punkte im Kampf um den Klassenerhalt in der Fußball-Bundesliga verschenkt, zum anderen formierten sich unten vor der Südtribüne zur gleichen Zeit trotz aufkommenden Regens 1500 St.-Pauli-Fans zu einer Demonstration, die sich im Wesentlichen gegen die Geschäftspolitik ihres Vereins richtete. Alarmstufe Rot herrschte am Millerntor also gleich im doppelten Sinn.

Bereits vor der Partie hatten wütende Anhänger große Teile des Stadions in ein rotes Farbenmeer verwandelt, indem sie als Zeichen ihrer Verärgerung über die Vermarktung des Vereins, die in den vergangenen Wochen auch schon durch die massenhafte Unterzeichnung einer Petition im Internet deutlich geworden war, den "Jolly Rouge" in die Höhe reckten. Neben Tausenden schwarzen Totenköpfen auf rotem Grund zeugten auch viele kreative Spruchbänder mit Slogans wie "Meeske pack deine Brüste ein" oder "Schlangenfranz statt Stangentanz" - die auf die Diskussionen um Tanzdarbietungen in der Loge des Striplokals Susis Show Bar anspielten - vom Unmut der Fans. "Wir wollen und sollen der etwas andere Klub sein, da gehört es dazu, dass verschiedene Meinungen auf den Markt getragen werden", sagte Sportchef Helmut Schulte. "Die vom Widerstand gefesselt sind, werden wir nie auf unsere Seite bringen. Ich denke aber, dass 90 Prozent im Stadion daran interessiert sind, dass wir gemeinsame Lösungen finden."

Während des Spiels konzentrierten sich die Fans weitgehend auf das Geschehen auf dem Platz, hofften gemeinsam mit ihren Lieblingen auf einen wichtigen Sieg im Abstiegskampf. Dass es dafür trotz zweimaliger Führung nicht reichte, hatten sich die Braun-Weißen zum wiederholten Mal in dieser Saison selbst zuzuschreiben. "Wir haben leider zweimal schlecht verteidigt und uns damit bestraft", sagte Torhüter Thomas Kessler, der mit einem gehaltenen Strafstoß von Freiburgs Torjäger Papiss Demba Cissé nach zehn Minuten einen frühen Rückschlag verhindert hatte. Schiedsrichter Markus Wingenbach vom VfL Altendiez hatte nach einem vermeintlichen Handspiel von St. Paulis Verteidiger Carlos Zambrano, der wie die ebenfalls für mehrere Spiele suspendierten Mittelfeldspieler Charles Takyi und Deniz Naki in die Startelf zurückgekehrt war, auf den Punkt gezeigt. Später musste Kessler dann doch zwei von Cissé verwandelte Bälle aus dem Tor holen.

"Beim 2:2 haben wir uns amateurhaft angestellt", ärgerte sich Trainer Holger Stanislawski vor allem über den finalen Ausgleich nach einem langen Pass durch die komplette Abwehr St. Paulis hindurch auf Cissé, der nach seinem Kracher unter die Latte zum 1:1 (61.) Kessler bei seinem zweiten Treffer überlupfte (74.). Nur sechs Minuten zuvor hatte der eingewechselte Gerald Asamoah noch eine Flanke von Bastian Oczipka per Kopf verwandelt und damit die Hoffung auf den dritten Heimsieg der Saison genährt. Auch St. Paulis erste Führung durch einen Kopfball von Marius Ebbers (siehe Interview links) hatte Oczipka vorbereitet (13.).

Coach Stanislawski, der auch mit den Platzbedingungen am Millerntor haderte, sprach anschließend von einem durchwachsenen Start in die Rückrunde. "Ich bin nicht wirklich euphorisch, aber auch nicht todtraurig. Das war so ein Ergebnis, nach dem man sich ein bisschen leer fühlt." Während sportlich für den 41-Jährigen und sein Team morgen die Vorbereitung auf die nächste Partie am Sonntag bei 1899 Hoffenheim beginnt, ist unklar, wohin der vom langjährigen St. Paulianer Stanislawski mit Interesse verfolgte Konflikt zwischen Fans und Führung den Verein führen wird. Für die kommenden Tage sind Gespräche zwischen beiden Seiten geplant, damit anders als im Stadion am Ende niemand Rot sieht.