Der FC St. Pauli scheiterte beim 0:3 in München erneut an seiner Abschlussschwäche. Die Offensive ist seit 728 Minuten ohne Tor.

München/Hamburg. Der Fanshop des FC Bayern im Münchner Flughafen Franz Josef Strauß wirbt in diesen Tagen mit rot-weißen Geschenkideen in seinen Schaufenstern. Das bei Meisterfeiern obligatorische überdimensionale Dreiliter-Weißbierglas gibt es für 39,95 Euro, wer sich Louis van Gaals "Biographie und Vision" leisten möchte, muss noch zehn Euro drauflegen. Vergleichsweise günstig sind da die vier Weihnachtsbaumkugeln für 7,95 Euro.

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Es ist nicht überliefert, ob der eine oder andere Spieler des FC St. Pauli am späten Sonnabend die Wartezeit auf den 40 Minuten verspäteten Flieger zurück nach Hamburg dazu nutzte, um sich heimlich noch mit Bayern-Utensilien einzudecken. Trainer Holger Stanislawski jedenfalls hatte daran kein Interesse. Er zog sich in die Raucherlounge zurück, paffte eine nach der anderen und dachte wohl darüber nach, warum es seinem Team nicht gelungen war, sich schon in der Allianz-Arena selbst zu bescheren. An Gelegenheiten hatte es nicht gemangelt. "Wir gucken uns gerade die Geschenke an, die da liegen, und packen sie nicht aus", erklärte Stanislawski am Tag danach.

Mit einem 0:3 im Gepäck waren die Hamburger nach Hause geflogen. Auf den ersten Blick ein klares Ergebnis, das allerdings nicht den Spielverlauf widerspiegelte. Über eine Stunde lang hatte St. Pauli die spielerische Überlegenheit des Rekordmeisters mit viel Kampf wettgemacht. Entschieden war die unterhaltsame Partie erst, als Schiedsrichter Babak Rafati nach einem Foul von Thomas Kessler an Bayern-Stürmer Thomas Müller auf Elfmeter entschied, St. Paulis Torhüter mit Rot vom Platz schickte und Philipp Lahm per Strafstoß den eingewechselten Mathias Hain zum zweiten Münchner Treffer überwand (72.). Franck Ribéry traf sieben Minuten später zum Endstand, Hamit Altintop hatte die Bayern früh in Führung gebracht (17.)

"Als wir die Rote Karte bekommen hatten, war das Spiel vorbei", sagte Stanislawski. Während Rafati seine harte Entscheidung damit begründete, Kessler sei nur auf den Gegenspieler gegangen, und dies habe Rot zur Folge, hatte der Coach seinen Ärger über den Platzverweis und eine weitere strittige Situation, in der der Unparteiische St. Pauli einen Handelfmeter verweigerte, gestern noch nicht verwunden. Stanislawski bezeichnete Rafatis Aussagen als Slapstick, über die der Schiedsrichter eigentlich selbst lachen müsse.

Dass es für die eifrigen St. Paulianer nicht zu einer Sensation in München reichte, lag zuallererst aber an den Braun-Weißen selbst, genauer gesagt an deren Abschlussschwäche vor dem Tor. Das ist auch Stanislawski bewusst. Schon vor Wochen hatte der Coach erklärt, dass seine Mannschaft ihre Möglichkeiten konsequent nutzen müsse, um gegen qualitativ besser besetzte Mannschaften erfolgreich zu sein. Doch auch in München wurden wieder beste Chancen ausgelassen.

"Das ist das, wo es bei uns im Moment kränkelt, da sind wir, um mit dieser Jahreszeit zu sprechen, etwas verschnupft", sagte Stanislawski. Diagnose: Torschusspanik. Kein Team hat bislang weniger Tore geschossen, seit mehr als acht Spielen oder 728 Minuten sind St. Paulis Offensivakteure ohne Treffer, die letzten Tore für den Kiezklub erzielten die Innenverteidiger Markus Thorandt und Carlos Zambrano sowie Kaiserslauterns Tiffert. 0:3 in München, 0:3 in Bremen, 0:3 auf Schalke, 0:2 in Stuttgart. Vier Spiele - 0:11 Tore. Die Bilanz der zurückliegenden Auswärtspartien ist ernüchternd.

In München hatte es Marius Ebbers fertiggebracht, aus fünf Metern nur den auf der Torlinie stehenden Bayern-Verteidiger Diego Contento zu treffen. Es wäre der Ausgleich kurz nach dem Seitenwechsel gewesen. "In der vergangenen Saison hat St. Pauli so viele Buden gemacht, aber jetzt will er einfach nicht rein", haderte auch Fin Bartels, der früh die Führung auf dem Fuß gehabt hatte. "Wir müssen einfach mehr Tore machen." Nach Meinung seines Trainers hilft zur Lösung des Problems nur, in Ruhe weiter an sich zu arbeiten und den Ball dann im Spiel irgendwie über die Linie zu drücken: "Meistens reicht ein kurioses Tor, um den Knoten zum Platzen zu bringen."

Gegen den FC Bayern hatte Stanislawski die Zuschauer überrascht, indem er Linksverteidiger Bastian Oczipka im Mittelfeld auflaufen ließ und Gerald Asamoah zunächst auf die Bank beorderte. Auch über die Besetzung der Sturmspitze mache er sich so seine Gedanken, meinte der Coach, der aber ausschloss, Nachwuchsstürmer Richard Sukuta-Pasu gegen Mainz eine Chance zu geben ("Richie ist zurzeit keine Alternative"). Rouwen Hennings, Asamoah und Ebbers lauten somit die Möglichkeiten, zumindest, wenn sich der "kränkelnde" Ebbers nicht auch noch einen echten Infekt zuzog, als er gestern bei Schneefall verschwitzt und nur mit einem T-Shirt bekleidet auf dem Trainingsgelände telefonierte.