Gegen den Deutschen Meister von 2009, VfL Wolfsburg, brachte sich der Kiezklub selbst um den verdienten Lohn - nicht zum ersten Mal in dieser Saison.

Hamburg. Weihnachten steht vor der Tür. Weniger als fünf Wochen müssen Kinder noch auf die herbeigesehnte Bescherung warten, Sankt Nikolaus bringt bereits in 13 Tagen seine Gaben. Schon seit einigen Wochen gibt es bei einem "Namensvetter" Geschenke: St. Pauli, gemeint ist die Bundesliga-Mannschaft, lässt zur Freude der Gegner immer wieder selbst verschuldete Treffer zu. Zuletzt kostete ein kollektiver Aussetzer am Sonntag den Kiezklub einen Sieg im Heimspiel gegen den Meister von 2009, VfL Wolfsburg.

Trainer Holger Stanislawski konnte und wollte seine Verärgerung darüber auch am Tag danach nicht verbergen, sprach von einem amateurhaftem Verhalten seiner Mannschaft in einer fünfsekündigen Tiefschlafphase, die Wolfsburgs Torjäger Edin Dzeko zum 1:1-Endstand genutzt hatte. "Im Geschenkeverteilen sind wir derzeit großzügig", sagt Stanislawski. "Wir waren sorglos und sind wunderbar bestraft worden. Die Jungs haben sehr, sehr viel richtig gemacht, aber den einfachsten Ball, den man verteidigen kann, den haben wir nicht verteidigt. Das ärgert mich wahnsinnig."

Wolfsburg, Leverkusen, Frankfurt - die Liste mit Spielen, in denen sich der Aufsteiger um den Lohn der eigenen Arbeit brachte, lässt sich beinahe beliebig verlängern. Von Lehrgeld, das seine mit vielen unerfahrenen Spielern bestückte Mannschaft zahlen muss, will Stanislawski dennoch nicht sprechen. "Es ist völlig wurscht, ob du 17 Jahre alt bist oder 37, du hast eine Verpflichtung, Situationen vorauszusehen", meint der Coach. "Gedanklich auf dem Platz da zu sein ist entscheidend." Mitdenken, organisieren, den Mitspieler coachen, ist das, was Stanislawski noch zu häufig bei seinen Profis vermisst.

Als Konsequenz musste St. Paulis Torhüter Thomas Kessler auch dieses Mal einen Ball aus seinem Gehäuse holen, obwohl Wolfsburg in den gesamten 90 Minuten gerade einmal drei Schüsse in seine Richtung abgegeben hatte. Nur ein einziges Mal, beim 1:0 in Hannover, blieb der Neuzugang vom 1. FC Köln bislang ohne Gegentreffer. Eine enttäuschende Bilanz, die man Kessler allerdings nicht ankreiden kann. Fehler erlaubte sich der 24-Jährige in den elf Spielen, die er als Nummer eins absolvierte, nämlich nur ganz wenige.

"Es geht jetzt auch nicht um mich", meint Kessler, "aber natürlich nervt es total, wenn man so dominant ist und wegen kollektiven Sekundenschlafs wieder hinter sich greifen muss." Eine Erklärung, warum seine Mannschaft immer wieder "pennt" (O-Ton Kessler) hat der Torwart nicht, mangelnde Erfahrung schließt auch er aus. Wichtig sei, dass man sich nun von den Rückschlägen - das Unentschieden bedeutete das fünfte Spiel hintereinander ohne Sieg - nicht herunterziehen lasse. "Es sind einfach Kleinigkeiten, die entscheidend sind", sagt Kessler. "Wir müssen da jetzt alle sensibilisiert sein."

Der Gegentreffer wäre wahrscheinlich nicht so sehr ins Gewicht gefallen, hätte St. Pauli aus seinen eigenen 18 Torabschlüssen mehr als einen Treffer gemacht. Kritik an der Offensive ließ Stanislawski dennoch nicht gelten. "Das war ein Feuerwerk, das wir nach vorn abgebrannt haben", sagte der 50-Jährige. "Manchmal schießt du eben nur ein Tor. Das hätte uns normal auch gereicht." Anders als der um den Schlaf gebrachte Kessler hatte sich der Coach die Partie nicht noch einmal angesehen. Beide kamen aber zu dem Schluss, dass sich Situationen wie die beim Gegentor, als nach einem langen Ball die Niedersachsen plötzlich in Überzahl in St. Paulis Abwehrzentrum standen, im Training nicht einüben lassen. Bleibt also nur die Hoffnung, dass sich voll konzentrierte Kiezkicker künftig selbst belohnen. Weihnachtsmann oder Nikolaus können da leider nichts machen.