Kein Bundesliga-Team erzielte bislang weniger Tore als der Kiezklub, der mit dem 0:1 gegen Bayer die vierte Niederlage in Folge kassierte.

Hamburg. Che Guevara hatte ein bewegtes Leben. Der heute für Protest und Widerstand stehende kubanische Revolutionsführer studierte Medizin, war Industrieminister, Zentralbankchef. Ob er auch einmal als Paketbote arbeitete, ist nicht überliefert. Leverkusens Fans störte das nicht. Sie zeigten das Idol der Linken am Sonnabend mit Sackkarre und UPS-Paketen. Das Motto ihres Banners: St. Pauli ist nur ein Punktelieferant. Die nackten Zahlen geben ihnen derzeit recht, das 0:1 gegen den Werksklub war die vierte Niederlage des Kiezklubs in Folge. Eine solche Negativserie gab es bei den Hamburgern zuletzt zu Regionalligazeiten.

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Dass St. Pauli nur beim 0:3 auf Schalke tatsächlich wie ein Punktelieferant auftrat, auch gegen die spielerisch überlegenen Leverkusener durchaus die Möglichkeit hatte, zumindest einen Zähler am Millerntor zu behalten, ändert an der enttäuschenden Ausbeute nichts. Null Punkte und 1:9 Tore stehen aus den letzten vier Partien zu Buche. "Ich will nicht von einer Krise reden, aber das ist einfach nicht gut genug", brachte es Linksverteidiger Bastian Oczipka auf den St. Pauli verwehrten Punkt.

In der ersten Halbzeit gegen Bayer war der Kiezklub bei einem Chancenverhältnis von 1:9 an die Wand gespielt worden, konnte sich glücklich darüber schätzen, dass es nach 45 Minuten noch 0:0 stand. In der Kabine verordnete Trainer Holger Stanislawski den Braun-Weißen dann jedoch eine offensivere Ausrichtung. "Ketten los und Attacke" hieß es von nun an, und plötzlich sahen die 24 387 Zuschauer im erneut nicht ganz ausverkauften Millerntor-Stadion eine offene Partie. Doch während St. Pauli seine herausgespielten Möglichkeiten nicht nutzte, machte die Bayer-Elf ihr Tor. In der 81. Minute konnte St. Paulis Innenverteidiger Carlos Zambrano nach einem Freistoß Nationalspieler Simon Rolfes nicht daran hindern, von der Torauslinie zurückzupassen, Renato Augusto brauchte den Ball nur noch einzuschieben.

Auf der Gegenseite hatte Gerald Asamoah die größte Chance für den FC St. Pauli gehabt, traf jedoch nach einer Hereingabe des eingewechselten Fin Bartels in der 68. Minute nur den Pfosten. "Das war natürlich bitter. Ich habe den Ball schon drin gesehen", sagte Asamoah. "Es war eine Phase, in der wir Leverkusen hinten reingedrängt haben. Wäre der Ball reingegangen, hätten wir wahrscheinlich gewonnen, so stehen wir wieder mit null Punkten da. Bei Leverkusen war einer da, der ihn reinschiebt, bei uns leider nicht."

St. Paulis Trainer Holger Stanislawski benannte das derzeit größte Problem der Kiezkicker: "Wir schießen im Moment einfach keine Tore", sagte der Coach. Zwölf waren es in dieser Saison bislang insgesamt, weniger erzielte kein anderes Bundesligateam. "Wir haben 19 Gegentore. Das ist für Tabellenplatz 13 glaube ich sehr, sehr gut", erklärte Stanislawski. "Aber aus unseren Möglichkeiten machen wir einfach zu wenig. Da müssen wir den Hebel ansetzen."

Stanislawski hatte für das Spiel gegen Bayer bis auf Rekonvaleszent Richard Sukuta-Pasu bereits alle ihm zur Verfügung stehenden Offensivspieler berufen, die Startelf auf vier Positionen verändert. Unter anderem durfte Dennis Daube für den mit muskulären Problemen ausgefallenen Fabian Boll im Mittelfeld zum ersten Mal von Beginn an ran. Rechts hinten kehrte Carsten Rothenbach nach seiner Verletzung ins Team zurück, seine Vertreter Moritz Volz und Florian Lechner saßen dagegen nicht mal auf der Bank. "Persönlich habe ich mich sehr wohlgefühlt", sagte Rothenbach, der wegen einer im Training erlittenen schlimmen Risswunde mehrere Wochen ausgefallen war.

Zurückblicken will Rothenbach jedoch weder darauf noch auf die ausgebliebenen Erfolgserlebnisse. "Wir haben jetzt gegen Wolfsburg noch ein Heimspiel, und das ist das Einzige, woran wir jetzt denken sollten."

Nachdem es gegen Leverkusen trotz der Umstellungen nicht für den erhofften "dreckigen Sieg" reichte, gibt sein Coach für die verbleibenden fünf Spiele der Hinrunde eine klare offensive Ausrichtung vor. "Wir werden das Spiel selbst in die Hand nehmen, höher stehen und pressen", sagte Stanislawski, dem durchaus bewusst ist, dass diese Mittel gegen das Sturmtief das Risiko birgt, in Konter zu laufen. Das Ansinnen im Angriff präsenter zu sein, mehr Möglichkeiten zu erzwingen, ändert allerdings nichts daran, dass Stanislawski zwar viele technisch versierte Offensivspieler zur Verfügung stehen, echte Knipser aber Mangelware sind. Der Coach steht dennoch zu seinem Kader, führt "Ebbers, Asamoah, Hennings und andere" Spieler an, die aus seiner Sicht durchaus die nötigen Torjägerqualitäten haben. Auf mehr als zwei Saisontreffer brachte es bislang keiner der Genannten. Höchste Zeit also für eine kleine Revolution im Angriff.