Mit den ersten Heimsiegen gegen Nürnberg und Frankfurt könnte sich St. Pauli Luft nach unten verschaffen, bevor die Großen der Liga warten.

Hamburg. Der doppelte Gong, der über die Audioanlage in den Presseraum dröhnte, unterbrach die Konferenz unerwartet. "Habt ihr Gewerkschaftspause, oder arbeitet ihr noch?", fragte eine Stimme barsch, die kurz darauf St. Paulis Stadionbeauftragtem Torsten Vierkant zugeordnet werden konnte. Worte, die als Aufforderung an die Bauarbeiter im Millerntor-Stadion adressiert gewesen waren und bei Trainer Holger Stanislawski, Teammanager Christian Bönig, Mittelfeldspieler Fabian Boll sowie den anwesenden Journalisten für Erheiterung sorgten. Dabei war die Frage nach der Unterbrechung des Pflichtspielbetriebs aufgrund der zwei Länderspieltage durchaus angebracht. Es geht wieder los. Am heutigen Sonnabend (15.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de), 15 Tage nach dem 1:0-Auswärtssieg bei Hannover 96, empfängt der FC St. Pauli den 1. FC Nürnberg. Eine Partie aus dem Mittelfeld der Bundesliga-Tabelle, die für die Hamburger dennoch von großer Bedeutung sein könnte.

Zum einen wollen Stanislawski , Boll und Co. verhindern, sich einen Heimkomplex nachsagen lassen zu müssen. Bislang ist der eine Punkt aus den bisherigen drei Spielen am Millerntor aufgrund der ambitionierten Gegner TSG Hoffenheim (0:1), HSV (1:1) und Borussia Dortmund (1:3) noch erklärbar. Doch bereits jetzt dichten manche den Braun-Weißen eine Blockade an. "Wir lassen uns das nicht einreden. Wenn du das in den Mannschaftsbesprechungen thematisierst, dann glauben die Spieler irgendwann tatsächlich daran", sagt Stanislawski leicht genervt, zumal die Niederlage gegen Hoffenheim und das Remis gegen den Nachbarn äußerst unglücklich gewesen seien. Doch sollte der erhoffte Dreier auch gegen den vermeintlichen Abstiegskandidaten aus Nürnberg nicht glücken, stünde die Problematik wahrscheinlich ganz automatisch ganz oben auf der Agenda.

Andererseits hätten die angestrebten sechs Zähler aus den Heimspielen gegen die Franken und Eintracht Frankfurt zwei Wochen darauf eine beruhigende Wirkung. Mit Vorfreude und Sorge blicken viele Fans momentan auf den Spielplan, der dem FC St. Pauli im November gleich vier Hochkaräter in Serie beschert. Am elften Spieltag geht es zum FC Schalke 04, anschließend kommen Bayer Leverkusen und der VfL Wolfsburg ans Millerntor, ehe am 14. Spieltag das Auswärtsspiel bei Werder Bremen ansteht. "Wir haben jetzt zwei Heimspiele vor der Brust, die ein Wink sein könnten, in welche Richtung es für uns geht", kennt auch Boll den Spielplan, "aber wir schauen zunächst nur auf die Partie gegen Nürnberg. Mit einem Dreier kannst du dir da jetzt ein gutes Punktepolster aufbauen. Das wird deshalb ein sehr, sehr wichtiges Heimspiel für uns." St. Pauli will sich aufpolstern für die Schwergewichte der Liga, die bis zum November - so die realistische Befürchtung - ihren bislang gestörten Rhythmus wiedergefunden haben dürften.

Und so gehen sie auch überaus vorsichtig an die Aufgabe gegen die mit acht Gegentoren wie St. Pauli drittbeste Defensive der Liga heran. "Wir wollen druckvoll spielen, allerdings nicht über die volle Dauer. Denn wir dürfen dem Gegner keine Räume lassen. Die Nürnberger sind sehr gut im Umkehrspiel, schalten schnell auf Offensive um. Die haben das in den sieben Spielen bislang sehr gut gemacht", warnt Stanislawski, der 90 Minuten in taktischen Fesseln erwartet und eine Prognose wagt: "Der größere Wille in Verbindung mit der nötigen Geduld wird am Ende darüber entscheiden, welche Mannschaft das Spiel gewinnt. Und da könnten dann auch Standards ausschlaggebend sein."

Welche besondere Bedeutung der Trainer Eckbällen und Freistößen im Spiel am heutigen Sonnabend beimisst, zeigte sich gestern Morgen, als er alle acht potenziellen Schützen von Standardsituationen aus dem Mannschaftstraining abzog, um im Stadion-Varianten einzustudieren und zu automatisieren. Eine ungewöhnliche Maßnahme, die sich heute auszahlen soll. Während Stanislawski gegen den bei Standards zuletzt nicht immer souveränen Tabellenelften die Effizienz im gegnerischen Strafraum in den Vordergrund stellt, hebt Boll die Bedeutung im eigenen Sechzehner hervor: "Wir müssen hellwach sein, um nicht wie gegen Hoffenheim unglücklich einen verdienten Punkt zu verlieren."

Die Sinne sind geschärft und "die Vorfreude ist groß", wie Stanislawski glaubhaft vermittelt: "Wir sind gut vorbereitet und wollen das Heimspiel nicht aus den Händen geben." Das Punktepolster soll wachsen und das Warten auf einen Heimsieg ein Ende haben. 176 Tage sind es nun schon seit dem 6:1 gegen die TuS Koblenz am 23. April, in der Bundesliga sogar 314. Schließlich ist die Gewerkschaftspause ja vorbei.