Vier Tage vor Saisonbeginn sind bei St. Pauli noch viele Dinge zu klären - am Millerntor, auf der Geschäftsstelle und in der Mannschaft.

Hamburg. Eine Planierraupe und ein Bagger durchbrachen das Stillleben an der Kollaustraße. Während die akkurat abgekreideten Trainingsplätze gestern nur von Regenschauern statt von Schweiß befeuchtet wurden, verrichteten die Arbeiter auf der Baustelle am Trainingsgelände des FC St. Pauli Schwerstarbeit mit schwerem Gerät. Schwere Geschütze fuhr Holger Stanislawski 150 Meter entfernt auf. Der Trainer hatte den Spielern ihren freien Tag nach dem wenig erbaulichen Abschlusstest bei Arminia Hannover gestrichen und seinen Kader im einigermaßen schallisolierten Funktionsgebäude versammelt. Seine Erkenntnis deckt sich mit dem Eindruck, den der Verein momentan vermittelt. Es gibt noch viel zu tun, an allen Ecken wird gewirbelt und gewuselt. Vier Tage vor dem ersten Pflichtspiel gleicht der Klub einem Ameisenhaufen über dem eine Tüte Zucker verschüttet wurde.

Den Spielern wurde die Betriebsamkeit mit Stanislawskis eindringlichen, deutlichen und mitunter lauten Worten noch einmal vor Augen geführt. 74 Minuten dozierte der Chefcoach über taktische und spielerische Mängel am Beispiel des 6:0-Sieges gegen den Oberligisten aus Hannover. Kaum ein Profi hatte sich in der Partie für einen Startelfplatz empfehlen können. Welche Formation im DFB-Pokalspiel am Sonnabend beim Chemnitzer FC auf dem Platz stehen wird, scheint auf mindestens vier Positionen offen.

Spannender Konkurrenzkampf um Plätze in der Startelf geht weiter

Wer spielt neben Neuzugang Carlos Zambrano in der Innenverteidigung? Markus Thorandt gilt als Favorit, Fabio Morena rechnet sich noch Chancen aus, und auch Ralph Gunesch hofft. Nicht minder spannend das Rennen im offensiven Mittelfeld, wo Charles Takyi und Deniz Naki jeweils einen der drei Plätze beanspruchen, mit Florian Bruns, Max Kruse, Fin Bartels und Rouwen Hennings aber starke Mitbewerber haben. "Einen Konkurrenzkampf in dieser Breite habe ich noch nie erlebt", wundert sich nicht nur Hennings, der zuletzt wie auch Kruse extrem torgefährlich auftrat und dessen Einsatzchancen ungleich steigen würden, sollte sein Trainer vom bewährten 4-2-3-1- auf ein 4-4-2-System umstellen. Auch das Kapitänsamt ist - zumindest offiziell - noch nicht vergeben. "Für mich ist die Sache aber klar", sagt Torwart Mathias Hain, "Fabio Morena macht einen tollen Job. Und selbst wenn der Kapitän mal nicht auf dem Platz steht, haben wir genug Typen, die Präsenz zeigen können." Mittelfeldspieler Fabian Boll pflichtet ihm bei: "Heutzutage ist es doch nicht mehr der Fall, dass ein Kapitän auch Stammspieler sein muss." Kapitänsfrage, Taktik und Personal - Stanislawski ist als Baumeister gefragt.

Vielleicht wirkt da ein Blick ins Millerntor-Stadion inspirierend. Dort steht das Gerüst der neuen Haupttribüne ebenfalls fest zementiert. Es geht auch hier nur noch um Feinheiten. "Dinge verkleiden, Wände, Decken, Elektro, Belüftung, sanitäre Anlagen, Tresenbau", sagt Wolfgang Helbing, Geschäftsführer der Millerntor-Stadionbetriebsgesellschaft (MSB). In dieser Woche erhält die Fassade ihren Anstrich. Nach Außen wirkt die neue Tribüne bereits fertig.

Detailplanung für das erste Heimspiel gegen Hoffenheim läuft

4800 Zuschauer finden auf ihr Platz, darunter zahlreiche VIP-Kunden. Lediglich vier Logen sowie 200 Business-Seats sind noch zu vergeben. Die Vermarkter haben ihr Soll bereits erfüllt, nun soll das Optimum erreicht werden, entsprechende Gespräche mit Interessenten laufen. "Zudem geht es jetzt im Servicebereich ins Detail, das Feintuning läuft an", beschreibt Geschäftsführer Michael Meeske einen weiteren Punkt auf der Geschäftsstellen-Agenda. Wie viele Hostessen werden am Spieltag benötigt, wie sehen die Abläufe aus? Saisonvorbereitung der anderen Art. Nicht nur die Mannschaft betritt Neuland.

Das Präsidium geht in jedem Fall als Trio in die Bundesliga. Die einst angedachte Variante, nach den Rücktritten von Präsident Corny Littmann und Vize Marcus Schulz ein weiteres Gremiumsmitglied kommissarisch einzusetzen, wurde verworfen. "Es kann sehr gut sein, dass wir bis zur Jahreshauptversammlung im November in dieser Konstellation weitermachen", bestätigt Vizepräsident Bernd-Georg Spies. Priorität genießt aktuell ohnehin die Vorbereitung auf das Treffen der DFL-Klubs am 18. August in Berlin. "Wir sind jetzt Mitglied im Oberhaus und wollen uns bei der DFL entsprechend einbringen", erklärt Spies.

Stanislawski fordert gesunden Respekt vor der Bundesliga-Elite

Ansichten, die Holger Stanislawski naturgemäß teilt. Selbstbewusst aber professionell soll der neuen Liga und den Schwergewichten des deutschen Vereinsfußballs begegnet werden, wie er seinen Spielern gestern noch einmal zu verdeutlichen versuchte. Ob er sie erreicht hat? Eine weitere Frage, deren Antwort erst in den kommenden Tagen gegeben werden kann.