Der FC St. Pauli hält sich auch gegen Braunschweig schadlos, verpasst aber ohne Angreifer einen eigenen Treffer und damit die Tabellenführung.

Hamburg. Die Genesungswünsche waren ehrlich gemeint. "Gute Besserung", sagte ein Braunschweiger Physiotherapeut und klopfte Helmut Schulte im Vorbeigehen auf die Schulter. "Wie genau meinst du das?", entgegnete St. Paulis Sportchef angesichts des gerade Erlebten mit einem Grinsen, drehte sich in Richtung des Adressaten um und verharrte in den Stadionkatakomben gestützt auf seine Krücken dann doch auf der Stelle. Schulte, nach überstandener Meniskusoperation erstmals seit drei Wochen wieder dabei, präsentierte sich wie seine Mannschaft beim vorangegangenen 0:0 abwehrbereit und schlagfertig, in letzter Konsequenz aber zu passiv in der Offensive. Es war ein Ergebnis mit Ansage. Zumindest aus Hamburger Sicht.

Wie bereits in der letzten halben Stunde gegen Bochum und über die volle Distanz in Duisburg verzichtete Trainer André Schubert auch gegen die in der Rückrunde noch sieglosen Braunschweiger zunächst auf die Dienste seiner Stürmer. Statt Petar Sliskovic und Mahir Saglik aufzubieten, die bis in die zweite Hälfte hinein auf der Bank Platz nahmen, blieb die Sturmspitze in Abwesenheit des Rekonvaleszenten Marius Ebbers weitgehend verwaist und damit stumpf. Obwohl die Probleme bereits zuletzt offensichtlich geworden waren, musste sich erneut Spielmacher Max Kruse in vorderster Front des 4-2-3-1-Systems versuchen, wich aber oftmals auf den linken Flügel aus oder ließ sich in die Tiefen des Mittelfelds fallen. "Wir wollten schon vorne immer wieder durchwechseln. Da ist es fast egal, wer vorne drin spielt. Das hat auch schon funktioniert, heute aber nicht in letzter Konsequenz", erkannte auch Mittelfeldspieler Florian Bruns.

+++ Null Fehler von Pliquett, Kruse als Spitze nahezu wertlos +++

+++ "Carlos ist eine Bank" +++

Ein Mangel, der diesmal nicht kompensiert werden konnte. Anders als in den drei vorangegangenen Spielen, gelang den Hamburgern diesmal kein Treffer nach einer Standardsituation. "Wir haben zu null gespielt. Alles andere war eher eine Quälerei. Es war ein Spiel wie ein schales Bier", zog Schulte einen bitteren Geschmacksvergleich: "Da heißt es Mund abputzen und mit dem Punkt zufrieden sein." Und der Problematik Abhilfe schaffen.

Dass die Mannschaft ihre vielleicht größte Schwäche abgelegt hat und jene in der Hinrunde oftmals vermisste Stabilität mittlerweile konstant nachweist, wurde auch gestern erfolgreich dokumentiert. Auch im lange Zeit rassigen und intensiven Spiel gegen die Eintracht stimmten Einsatz und Zweikampfverhalten, Wille und Laufbereitschaft. Mit konsequenter Defensivarbeit wurden den Braunschweigern lediglich zwei Torchancen ermöglicht. Seit 252 Minuten ist St. Pauli ohne Gegentor, eine Zeitspanne, wie es sie zuletzt vor mehr als zwei Jahren, im Januar des Aufstiegsjahrs 2010, gab. Doch der kollektive Spagat zwischen notwendiger Abwehrarbeit und offensivem Kombinationsfußball schmerzt. Die Null steht - auf beiden Seiten. Keine Stürmer, keine Tore.

Gestern genügte es zumindest im ersten Abschnitt zu drei hoffnungsvollen Ballstafetten. In der siebten Minute scheiterte Kruse nach gleichermaßen schnellem wie sehenswertem Direktspiel über Fabian Boll und Bruns an Torwart Davari. 13 Minuten später verhedderten sich die zwei Vorlagengeber nach doppeltem Doppelpass in der Braunschweiger Hintermannschaft, und 180 Sekunden vor dem Pausenpfiff vergab Kevin Schindler nach Direktspiel über Sebastian Schachten und Kruse frei vor Davari das 1:0. St. Pauli verpasste die Führung und offenbarte mit zunehmender Spieldauer gegen einen geschickt verteidigenden Gegner ein Vakuum an Kreativität, aber eben auch an Anspielstationen, sodass die deutliche Feldüberlegenheit nicht die mögliche Tabellenführung bedeutete. "Es war nicht alles schlecht, aber wir müssen uns ankreiden, dass wir keine Durchschlagskraft hatten und mit den letzten Bällen nicht entscheidend durchgekommen sind", so Bruns treffend, und auch Schubert war nicht zufrieden: "Wir sind froh, zu null gespielt zu haben. Grundsätzlich geht es aber darum, Spiele zu gewinnen. Das müssen wir nächste Woche wieder versuchen."

Dann voraussichtlich wieder mit einem echten Angreifer auf dem Feld. Zwar stützten Sliskovic und Saglik mit ihren Leistungen eher des Trainers Entscheidung für die stürmerlose Startelf, doch für das Topspiel bei 1860 München wäre die Rückkehr zum echten 4-2-3-1 schon als Zeichen wichtig. "Auf Sicht ist es wichtig, dass wir wieder mit einem Stoßstürmer spielen", plädiert auch Fin Bartels für die Modifikation. Boll, der nach einem unabsichtlichen Handspiel die fünfte Gelbe Karte sah und gesperrt fehlt, weiß auch schon, wer das sein soll: "Wir sind alle froh, wenn ,Ebbe' wieder dabei ist. Die Jungs haben das vorne nicht schlecht gemacht, aber die Qualität eines Angreifers wie Marius Ebbers fehlt. Besonders, wie er vorne die Bälle festmacht." Besserung ist in Sicht. Gute Besserung.