Der FC St. Pauli hat jetzt ein Neun-Punkte-Polster auf den vierten Platz und Augsburg überholt. Das Fernduell um die Bundesliga ist eröffnet.

Hamburg. Matthias Lehmann strahlte in einer Intensität, dass die TV-Journalisten in den Katakomben des Stadions die Scheinwerfer ihrer Kameras hätten ausschalten können. Der 26-Jährige hatte beim 2:0 gegen Hansa Rostock ein gutes Spiel gemacht und freute sich gleich vierfach. Über seine eigene Leistung, den dritten Sieg in Folge und auch den zeitgleichen 4:0-Sieg seiner ehemaligen Kollegen von Alemannia Aachen. Dass dieser gegen Augsburg eingefahren wurde, vervollständigte Lehmanns Glück. "Ich werde die Jungs anrufen und ihnen ein Kompliment aussprechen", kündigte der Mittelfeldspieler telefonische Danksagungen an.

Während Holger Stanislawski fast gelangweilt bemerkte, das Ergebnis aus Aachen "lediglich zur Kenntnis genommen" zu haben, "mehr nicht", wurde der Augsburger Niederlage im Mannschaftskreis mit großem Wohlwollen begegnet. "Ich bin zufrieden. Wir haben die drei Punkte, Augsburg hat verloren", sagte Deniz Naki, der mit seinem zuvor angekündigten Treffer in der 54. Minute die Entscheidung herbeigeführt hatte, "wir wollen aufsteigen. Und das war ein großer Schritt zu unserem Traum." Als die Stadionregie den ersten Aachener Treffer auf der Videoleinwand im Stadion verkündete, ertönte am Millerntor ein Torschrei, noch bevor Marius Ebbers die Hamburger mit 1:0 in Führung geschossen hatte. Die Kunde vom Endergebnis löste dann wahre Jubelstürme auf den Rängen aus. Sechs Spieltage vor dem Saisonende ist das Fernduell um die Bundesliga eröffnet.

Dass der Abstand auf Platz vier auf neun Punkte anwuchs und St. Pauli nach vier Wochen wieder auf einem direkten Aufstiegsplatz steht, war allerdings zum großen Teil Rostocker Unzulänglichkeiten geschuldet. Der dritte Sieg in Folge fand seine Ursache in individuellen Aussetzern der Gäste, die vor 19 146 Zuschauern lange Zeit die bessere Elf stellten. Den Pass zum 1:0 hatte Ebbers direkt von Hansas Rechtsverteidiger Schöneberg erhalten, beim zweiten Gegentreffer reagierte Bülow zu spät gegen Naki (54.), und drei Minuten darauf nahm sich Retov selbst aus dem Spiel.

Nach einem Foul an Naki begegnete er dem heranstürmenden Fabian Boll mit einer Kopfnuss und wurde von Babak Rafati vom Platz gewiesen. Weshalb der Schiedsrichter den roten Karton anschließend auch Boll vor die Stirn hielt, war nicht nachvollziehbar, zumal er die Szene unmittelbar am Tatort verfolgt hatte. "Gut, dass er ihm auch Rot gezeigt hat", sagte Hansas Torwart Walke und begründete seine exklusive These: "Der rennt auf ihn zu und provoziert."

Auch wenn Stanislawski erklärte, dass er einen Freispruch erwarte, dürfte der Mittelfeldspieler am Ostermontag in Düsseldorf fehlen. "Ich wollte Retov ein paar Takte sagen. Wer mich kennt, weiß, dass Tätlichkeiten nicht zu meinem Repertoire gehören. Die Gefahr, dass ich jetzt zwei Spiele fehle, ist da", befürchtet Boll gar eine Zwei-Spiele-Sperre und wäre somit nur Zuschauer, wenn das Fernduell am 12. April zum direkten Kräftemessen wird. "Vielleicht sollte ich Torsten Frings mal anrufen", kündigte auch Boll ein Telefonat an - um mit dem ebenfalls zu Unrecht vom Platz gestellten Bremer Kapitän das weitere Vorgehen zu besprechen: "Wir könnten eine Bürgerinitiative gründen."

St. Pauli: Hain - Lechner, Morena, Thorandt, Oczipka - Boll, Lehmann - Kruse (77. Hennings), Takyi (84. Kalla), Naki (62. Schultz) - Ebbers.

Rostock: Walke - Schöneberg (80. Fillinger), Orestes (46. Bülow), Sebastian, Schlitte - Retov, Danielsson - Lange, Dahlén (69. Jänicke) - Bartels, Johannsson

Tore: 1:0 Ebbers (41.), 2:0 Naki (54.).

SR.: Rafati (Hannover) Z.: 19 146 (ausv.). Rot: Boll (57.), Retov (57./beide Tätlichkeit). Gelb: Bartels (7), Schöneberg (6), Sebastian (2).