Nur bei zwei Vereinen der ersten und zweiten Bundesliga liefen in dieser Saison mehr Profis aus dem direkten Umland der Klubs auf.

Hamburg. Schwächen einzugestehen fällt vielen Menschen nicht leicht. In diesem Fall hat Helmut Schulte damit jedoch kein Problem. Der Sportchef des FC St. Pauli gibt geradeheraus zu, dass sein Klub nicht in der Lage sei, den internationalen Spielermarkt umfassend zu beobachten. Was sich nach einer Kapitulation vor der Fußball-Globalisierung anhört, weiß Schulte mit den Erfolgen der nahen Vergangenheit im Hinterkopf sogar als Stärke zu deuten. Weil St. Pauli die Finanzkraft für eine große Scoutingabteilung oder teure Transfers fehlt, konzentriert sich der Zweitligaklub auf den nationalen und regionalen Markt.

Mit Fabian Boll (Bramstedter TS), Dennis Daube (SV Nettelnburg-Allermöhe), Davidson Drobo-Ampem (SC Hamm 02), Rouwen Hennings (VfL Oldesloe), Jan-Philipp Kalla (SC Concordia), Max Kruse (TSV Reinbek) und Nils Pichinot (SV Eichede) kamen in dieser Saison schon sieben Spieler zum Einsatz, deren fußballerische Wurzeln in Hamburg und Umgebung liegen. Wäre ihre Kulthymne nicht schon vor Jahren erschienen, die St.-Pauli-Fans der Hip-Hop-Kombo Fettes Brot hätten "Nordisch by Nature" auch für die Kiezkicker texten können.

Nur Rot-Weiß Oberhausen und der FSV Frankfurt setzten, die Erste Liga eingeschlossen, noch mehr "local player" ein (siehe Tabelle). Zum Vergleich: Der 1. FC Kaiserslautern, am Montag nächster Gegner im Spitzenspiel am Betzenberg (20.15 Uhr/DSF und im Liveticker auf abendblatt.de), kommt bei der Auszählung gerade mal auf einen, der HSV auf zwei Spieler (Piotr Trochowski und Tunay Torun). Der Fairness halber sei erwähnt, dass Klubs aus den großen Metropolregionen aufgrund der dort lebenden Menschenmassen und damit potenziellen Fußballer in dieser Statistik bevorteilt sind.

Leichter haben es in diesen Regionen auch heimatverbundene Spieler wie Rouwen Hennings, der nach seinem missglückten Engagement beim HSV nun seinen endgültigen Durchbruch einfach beim Nachbarklub schafft. "Es ist etwas ganz Besonderes, hier in der Region zu spielen", sagt Hennings. "Das familiäre Umfeld fiebert mit, die Freunde von früher sind da." Auch der derzeit auf die Tribüne verbannte Jan-Philipp Kalla schwärmt von dem Gefühl, vor der im wahrsten Sinne heimischen Kulisse am Millerntor aufzulaufen, den "20 000 Verrückten", wie Fabian Boll es im positiven Sinne beschreibt.

Mehr als doppelt so viele Fans werden für Montag in Kaiserslautern erwartet. "Der Betze wird beben", verspricht Torwart und FCK-Lokalmatador Tobias Sippel und liefert damit den Beleg, dass die Identifikation der Fans, anders als häufig verlautbart, nicht unbedingt etwas mit der Herkunft der Spieler zu tun haben muss. Denn obwohl Kaiserslautern laut Präsident Stefan Kuntz ebenfalls auf die deutsche Karte setzt, stehen beim FCK Profis aus mehr als zehn verschiedenen Nationen im Kader.

Bei St. Pauli ist die regionale Verbundenheit einiger Spieler nach Meinung von Philipp Spaeth, Leiter des Ufa-Sports-Vermarktungsteams, ein kleiner Bestandteil der hohen Sympathiewerte des Klubs. Für die eingefleischten Fans spielen die Herkunft und sogar die sportlichen Leistungen dagegen traditionell keine entscheidende Rolle, erklärt Merchandisingexperte Hendrik Lüttmer von der Agentur Upsolut. "Thomas Meggle und Marcel Eger kommen irgendwo aus Bayern. Oder denken Sie an Morike Sako, der von der Herkunft wirklich nichts mit Hamburg zu tun hat, aber unheimlich beliebt ist", sagt Lüttmer. "Den Fans ist vor allem das Auftreten der Spieler wichtig."