St. Paulis Junioren-Nationalspieler über Sangeskunst und Selbstzweifel, Schaufenster und Single-Buden.

Abendblatt:

Herr Oczipka, Herr Sukuta-Pasu, vorstellen müssen wir Sie einander nicht, oder?

Bastian Oczipka:

Nein, auch in den eineinhalb Jahren, die wir zuletzt nicht beim selben Verein gespielt haben, hielt der Kontakt. Vielleicht sollten wir das lieber für Sie übernehmen?

Abendblatt:

Bitte.

Oczipka:

Wussten Sie zum Beispiel, dass Richie leidenschaftlich gern singt. Im Hotelzimmer, in der Kabine, einfach überall.

Richard Sukuta-Pasu:

Das war ja klar, dass das jetzt kommt. Ich kann ganz gut tanzen, und da versuche ich eben auch den Sänger zu geben. Aber ich lerne gerade Klavier. Damit ich von meiner sicher noch ausbaufähigen Stimme etwas ablenken kann.

Abendblatt:

Herr Oczipka, Deutschland sucht gerade wieder den Superstar. Würde er bei Ihnen in den Recall kommen?

Oczipka:

Nein, sicher nicht. Er sagte es ja selbst: er versucht zu singen. Aber unter Freunden kann man darüber hinweg sehen. Wir haben ja ab der D-Jugend bei Bayer Leverkusen zusammen gespielt. Das verbindet.

Abendblatt:

Umso mehr dürften Sie sich gefreut haben, dass Sie nun wieder gemeinsam in einer Mannschaft stehen.

Sukuta-Pasu:

Natürlich habe ich mich über "Oczips" Verpflichtung gefreut. Und Deniz Naki war damals in der D-Jugend ja auch schon dabei. Er hat mir vor meinem Wechsel genau das über St. Pauli erzählt, was ich jetzt erlebe. Die Mannschaft passt zu mir, vom Trainer kann ich viel lernen, das Klima ist wunderbar. Alles super. Du hattest doch auch mit Deniz gesprochen, oder?

Oczipka:

Nee, aber mit unserem Berater. Sie müssen wissen, wir haben ja alle drei denselben. Er hat mir prophezeit, dass ich mich hier wohlfühlen werde. Und so ist es. Ich bin super aufgenommen worden. Überzeugt hat mich der Trainer, aber auch Präsident und Manager kamen im Gespräch sehr sympathisch rüber. Die Philosophie, wie der Verein das Ganze hier angeht, gefällt mir. Alle duzen sich, es herrscht eine gute Mischung aus lockerem Verhältnis und notwendiger Ernsthaftigkeit.

Abendblatt:

Mit welchen Zielen sind Sie hier gestartet?

Sukuta-Pasu:

Ich will meine Schwächen zu meinen Stärken machen, mich weiterentwickeln und der Mannschaft helfen.

Oczipka:

Wir wollen uns durchsetzen und bestenfalls mit der Mannschaft aufsteigen. Um nicht aus dem Schaufenster rauszufallen, müssen wir uns jetzt erst mal in den Blickpunkt spielen. Das geht nur über Einsätze.

Abendblatt:

Herr Sukuta-Pasu, Ihr Freund hat es da leichter. Vor Ihnen steht Marius Ebbers.

Sukuta-Pasu:

Wir sind hier, um für gute Resultate zu sorgen. Das kann man auch durch den erhöhten Konkurrenzkampf bewirken. Ich sehe mich nicht als Konkurrenten von irgendjemandem sondern als Hilfe für die Mannschaft und bin ja offensiv auch flexibel einsetzbar.

Abendblatt:

Hand aufs Herz: Wie wichtig ist St. Pauli für Sie mit Blick auf Ihre weitere Laufbahn?

Oczipka:

Elementar. Die Situation ist entscheidender als damals in Rostock. Da habe ich meine ersten Spiele gemacht, erste Erfahrungen gesammelt. Aber jetzt muss man zusehen, dass es richtig aufwärts geht mit der Karriere. Weichen werden gestellt.

Abendblatt:

Spüren Sie Druck, es jetzt erzwingen zu müssen?

Oczipka:

Ich muss das nicht. Aber ich will es jetzt. Das ist mein Ziel, dafür trainiere ich, dafür bin ich hier bei St. Pauli. Besonderen Druck verspüre ich da nicht. Für mein Alter habe ich in Rostock ja auch schon viel Positives und Negatives erlebt. Aber so etwas ist gut, wenn man das in jungen Jahren mitmacht. Das prägt.

Abendblatt:

Wann war Ihnen klar, dass Sie Fußballprofi werden?

Sukuta-Pasu:

Das Ziel stand für mich sehr früh fest.

Oczipka:

Den Traum hatte ich schon als kleines Kind.

Abendblatt:

Den haben viele.

Oczipka:

Es gab Zeiten, in denen man sich hinterfragt und zweifelt. In der A-Jugend, als wir mit Leverkusen sehr erfolgreich waren, fing ich an, ernsthaft darüber nachzudenken. Da setzt man sich dann höhere Ziele.

Sukuta-Pasu:

Wir haben ja auch sehr viel dafür getan, damit wir unseren Traum leben können. Seit ich sieben Jahre alt bin trainiert mein Vater mit mir in den Sommerferien. Jeden Tag zwei intensive Einheiten. In den letzten Jahren waren dann auch zwei Freunde mit dabei. Die beiden sind Abwehrspieler, ich Stürmer. Das passt ganz gut.

Abendblatt:

Klingt fast nach Spaß.

Sukuta-Pasu:

Anfangs nicht. Die anderen sind ins Freibad gegangen, ich musste zum Training. Heute bin ich ihm sehr dankbar.

Abendblatt:

Für einige Mitspieler dürfte es nicht gereicht haben.

Oczipka:

Aus unserer Stammelf sind eigentlich alle im Profibereich untergekommen. Aber bei den Nationalmannschaften gab es einige starke Spieler, die es letztlich nicht gepackt haben.

Abendblatt:

Weshalb?

Sukuta-Pasu:

Man muss diszipliniert sein, wissen, was und wann man etwas macht. Disco-Besuche sind ein Stichwort. Ausnahmen summieren sich schnell. Es sind Kleinigkeiten, die manche vielleicht nicht beachten. Die Ernährung ist ein ähnlicher Punkt.

Oczipka:

Wenn du zu früh abhebst, kann das ganz schön in die Hose gehen. Gerade während der Pubertät ist die Gefahr groß, sich von anderen Dingen blenden zu lassen. Du darfst nicht denken, du bist der Tollste, nur weil du einen Profivertrag hast und viel Geld verdienst.

Abendblatt:

Demnach sind Sie immer auf dem Boden geblieben?

Oczipka:

Sicher. Die Familie hilft mir sehr viel, und auch die Berater legen da ein gutes Wort ein.

Abendblatt:

Verhältnismäßig viel Geld verdienen Sie dennoch.

Sukuta-Pasu:

Ich spiele Fußball, weil es Spaß macht. Wer hart arbeitet und verzichtet, darf auch belohnt werden. Ich bin in sehr schlimmen Verhältnissen aufgewachsen, wir hatten richtig wenig. Zum Training ging es zu Fuß. Meine Eltern mussten das Geld einteilen, der Bus war zu teuer. Ein Auto hatten wir nicht.

Abendblatt:

Fällt es dadurch leichter, nicht abzuheben?

Sukuta-Pasu:

Auf jeden Fall. Ich weiß, wo ich herkomme und dass es auch anders laufen kann. Meine Mutter hat viele Aushilfsjobs gemacht, um unsere Situation zu verbessern. Heute ist alles gut. Meine Schwester hat einen Ausbildungsplatz, mein Vater arbeitet im Fahrdienst bei Bayer. Es ist schön, meiner Familie auch finanziell etwas zurückzugeben.

Oczipka:

Ich habe einen anderen Hintergrund, sehe es aber auch als Lohn für meine Eltern, die mich fünfmal pro Woche zum Training gefahren haben.

Abendblatt:

Was würden Sie ohne den Fußball machen?

Oczipka:

Dann würde ich noch in Bergisch-Gladbach leben. Aber beruflich? Keine Ahnung. Ich habe nach dem Abi nichts gemacht. Richie weiß da mehr.

Sukuta-Pasu:

Meine Eltern und ich waren der Meinung, dass ich eine Ausbildung neben dem Fußball machen sollte. Und was ich anfange, das beende ich. Auch wenn es oft ziemlich stressig und extrem viel war. Irgendwann hat keiner mehr geglaubt, dass ich das jemals schaffen würde. Und es gab Momente, in denen ich mich fragte, weshalb ich das alles mache. Aber wie gesagt: Ich ziehe die Dinge durch.

Abendblatt:

Würden Sie heute einem 16-jährigen Talent dazu raten, eine Ausbildung zu machen?

Sukuta-Pasu:

Ja. Aber man muss das auch können. Ich kenne viele, die schon genug Probleme mit der Belastung durch den Fußball haben. Das ist alles eine Kopfsache, man muss verzichten können. Und jedes Wochenende auf der Piste, ist nichts für mich. Ich bin zwar ein lockerer Typ und tanze gerne, aber in Clubs und Discos gehe ich wirklich selten.

Abendblatt:

Sind Sie stolz, die Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann nun erfolgreich abgeschlossen zu haben?

Sukuta-Pasu:

Mir ist auf jeden Fall ein Stein vom Herzen gefallen. Wenn um 13 Uhr Training ist, dann weiß ich, dass ich auch tatsächlich ausschlafen kann und nicht um 7 Uhr hoch muss.

Abendblatt:

Herr Oczipka, sind Ihnen diese Entbehrungen fremd?.

Oczipka:

Naja, ich bin damals mit 19 Jahren allein nach Rostock gegangen. Eine eigene Wohnung zu haben und alles selbst zu regeln, war auch nicht immer einfach. Aber da muss jeder mal reinwachsen - der eine mit 25, der andere mit 19. Jedes Wochenende auf die Rolle gehen, war auch für mich nicht drin.

Abendblatt:

Hamburg bietet da ein sehr umfangreiches Angebot.

Oczipka:

Ich bin ja erst seit zwei Wochen hier, hatte erst mal andere Sachen zu tun. Aber das kann ja noch kommen.

Sukuta-Pasu:

Hey, egal wen ich gefragt habe: Alle sagten, dass Hamburg die schönste Stadt Deutschlands ist. Vielleicht können wir das ja bald bestätigen.

Abendblatt:

Ihr Vater ist häufig hier. Es heißt, Ihre Familie wird komplett nach Hamburg ziehen.

Sukuta-Pasu:

Nein, nur meine Freundin kommt in einem halben Jahr nach. Wir sind 18 Monate zusammen, eine Fernbeziehung stelle ich mir schwierig vor.

Oczipka:

Aber es kann funktionieren. Ich bin mit meiner Freundin bald vier Jahre zusammen.

Abendblatt:

Wie müssen wir uns die Wohnung vorstellen? Die typische Single-Bude?

Oczipka:

In Rostock zunächst ja. Bis meine Freundin zu Besuch kam. Die hat dann eingegriffen. Ende Januar kommt sie nach Hamburg und richtet wieder ein.

Sukuta-Pasu:

Das habe ich gerade hinter mir. Als erstes hat sie natürlich die Küche gemacht, dann den Rest. Ich habe irgendwann aufgehört, die Anzahl der besuchten Möbelhäuser zu zählen.

Abendblatt:

Vermissen Sie Ihre Heimat?

Oczipka:

Ein Freund kommt jetzt zum Studium nach Hamburg. Das passt ganz gut.

Abendblatt:

Wie setzt sich Ihr Freundeskreis eigentlich zusammen? Alles Fußballer?

Sukuta-Pasu:

Der Großteil kickt. Allerdings ist das ja auch klar. Ich bin Straßenfußballer. Wir haben in Wuppertal auf Bolzplätzen immer Turniere zwischen Stadtteilen oder Straßenzügen ausgespielt, noch bis ich 16 war.

Abendblatt:

Um was wurde gespielt?

Sukuta-Pasu:

Kleine Geldbeträge, mal ein Trikot oder ein Ball. Die Einsätze waren ganz unterschiedlich und nicht entscheidend. Für uns stand immer der Fußball im Vordergrund.

Interview: Dirk Steinbach und Lutz Wöckener